Edle Krebse aus Basthorst
Landwirtschaft
Warnow Wildlife als Chance für den Edelkrebs
Wenn man östlich von Schwerin die Landstraße von Crivitz aus nordwärts durch die tiefen Wälder des Warnower Urstromtals eilt und am fjordähnlichen Glambecksee verweilt, ahnt man noch nichts von den traditionellen Schätzen jenseits des Jagdreviers. Aber es lohnt sich, Basthorst über die kleinen Wege zu erobern. Wegen des Schlosses und auch wegen des Krebsgartens. Dieser passt nicht nur gestalterisch in die Landschaft, sondern belebt mit seinen Edelkrebsen die Vielfalt der heimischen Fauna.
Astacus astacus
Sommerwarme Bäche mit hartem Untergrund, natürlich strukturiert, am liebsten mit Wurzelstöcken oder Totholz in der Uferzone. Hier fühlten sich die Edelkrebse am wohlsten und waren daher bis vor rund 150 Jahren in Mitteleuropa so weit verbreitet, dass sich die Menschen den einen oder anderen Edelkrebs zur Speise aus Bächen, Seen und Gräben holten. Zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Ostpreußen war es der Astacus astacus, in Südeuropa der Galizische Sumpfkrebs (Astacus leptodactylus), beschreibt Steffen Teufel von Warnow Wildlife.
In nur noch etwa 20 von 3.000 Gewässern in Mecklenburg-Vorpommern kommt der Flusskrebs mit den mächtigen Scheren vor. Fast den Garaus hat ihm die Krebspest bereitet, die der in die Gewässer eingesetzte amerikanische Flusskrebs in sich trägt. Deshalb steht der Edelkrebs, der auch zu Recht den Namen Rotscherenkrebs trägt, auf der Roten Liste und darf aus den wenigen, jedoch langsam wieder anwachsenden Wildbeständen heraus nicht vermarktet werden.
Es gibt in Deutschland nur drei etwa vergleichbare große Edelkrebsbetriebe, die ihre Zeit und Arbeit dem Schalentier mit den zweiteiligen Stirnleisten über den Augen widmen. Zum einen erhalten sie mit ihrer Zucht die autochthone Genetik der Tiere und zum anderen vermarkten sie aus ihren Betrieben heraus den Edelkrebs als Delikatesse.
Für die Landbevölkerung war der Edelkrebs immer eine Bereicherung des Speiseplans gewesen. Im großen Stil vermarktet machte das Tier sogar Karriere in den Gourmetrestaurants der europäischen Metropolen.
Am Anfang steht das Ei
Auch bei den Edelkrebsen beginnt alles mit einem Ei. Für den Aufbau einer gesunden Population braucht man etwa 200 eiertragende Weibchen. Die Befruchtung findet im Oktober in den Elterntierteichen statt, wobei ein Besetzungsverhältnis von einem Männchen auf vier bis fünf Weibchen besonders günstig ist. Bis zu 200 Eier tragen die Weibchen bis zum Juni mit sich herum. Voraussetzung ist aber, dass es im November nach der Befruchtung zu einem Temperaturabfall gekommen ist. Das fördert die Eiablage.
Anfang Mai holt Steffen Teufel die Weibchen aus den Teichen und setzt sie in die Brutkästen des Aufzuchtbereiches, den er unter einem sorgsam saniertem DDR-Schleppdach aufgebaut hat. Wenn die Jungen schlüpfen bleiben sie eigentlich noch etwa eine Woche bei der Mutter. Überlebensrate in freier Natur: 20 Prozent.
In der Aufzuchtstation
Im Krebsgarten haben die jungen Krebse es viel besser. Der Edelkrebs gilt als „Gewässerpolizei“, beseitigt abgestorbene Pflanzen, kranke Fische, dezimiert Larven und Schnecken, weswegen er gern gesehener Gast in manchen Gartenteichen ist. Zahlreich sind seine Feinde. „Aal geht gar nicht“, sagt Steffen Teufel. Auch andere Fische, Otter und Nerze fallen über die Krebse her. Und sie sind Lieblingsspeise von Libellenlarven. In der Aufzuchtanlage von Steffen Teufel hingegen haben die kleinen Krebse eine Überlebensrate von 80 Prozent.
Bis zum Herbst wachsen sie in Langstrombecken einer halboffenen Kreislaufanlage heran. In jedem Becken halten sich rund 1.000 nacht- und dämmerungsaktive Jungtiere auf. Unspektakulär lauern sie in den Löchern von aneinander gereihten Ziegelsteinen. „Die Löcher müssen durchgehend sein. Sonst kriegen wir die da nicht wieder heraus.“ Erfahrungen eines Edelkrebshalters.
Das Wasser in den Langstrombecken, die einer typischen Aquakultur Gestalt geben, fließt durch ein wasserstandsregulierendes Rohrsystem und steht mit einem Außenteich vor dem Gebäude in Verbindung, in dem auch mancher Krebs sein Altenteil genießt. Der Außenteich mit rund 50.000 Liter Wasser hat mehrere Aufgaben. Zum einen kann er zur Regulierung der Wassertemperatur, die im Aufzuchtbereich nicht mehr als 22 °C betragen sollte, mit kühlem Brunnenwasser gespeist werden, zum anderen dient die offene Wasserfläche der Nahrungsproduktion. Denn die kleinen Krebse brauchen in den ersten Monaten nicht viel mehr als Phytoplankton. Sie sind recht anspruchslos und ihnen reicht schon eine Sauerstoffsättigung des Wassers von nur 40 Prozent. In Basthorst sind es 60 Prozent. Forellen brauchen ein Drittel mehr.
Die Windseite der Außenanlage ist mit einem Textilwindschutz abgedichtet und verhindert neben der direkten Sonneneinstrahlung auch den Einflug von Käfern und Libellen in die Becken. Den Insekten erscheint das Textil als geschlossenes Bauteil.
Auswildern und Essen
Das Einfangen aller Krebse in den Becken, aber auch in den Teichen, ist relativ einfach: Die Tiere folgen dem Wasser. Ablassen genügt. So sind die Jungtiere bis zu Oktober drei bis vier Zentimeter groß und werden in Teiche umgesetzt. Hier entscheidet sich ihr Schicksal. Entweder sie werden als Satzkrebse in Kolonien mit bis zu 100 Tieren in Wildgewässer ausgesetzt oder sie kommen in die Teichanlage des Warnow Wildlife Krebsgarten. Zur Zucht und Erhaltung der regionalen Edelkrebswelt oder als künftiger Speisekrebs.
So steht der Krebsgarten von Steffen Teufel auf zwei Beinen. Naturschutzstationen, Angelvereine oder Naturparks bestellen Edelkrebse, um sie in Gewässern wieder heimisch zu machen. Die Aufzuchtstation Hohen Wangelin hat zu Forschungszwecken für zwei Teiche auch schon „Auswilderungsbesatz“ geordert. Die Wiedereinbürgerung der einheimischen Edelkrebse muss mit den zuständigen Behörden abgestimmt sein.
Das andere Standbein bilden die Gourmets, die nicht auf importierte Ware aus der Türkei, China oder dem Iran mit wenig kontrollierten Aufzuchtbedingungen zurück greifen möchten.
Der Vorbereitung für die Betriebsbesichtigung diente die Fangertragsstatistik des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Für 2006 ist sie für Krebse auf 1.866 kg gestiegen. Steffen Teufel lacht. Das sind alles nur amerikanische Krebse. Für Edelkrebse gibt es keine Statistik, da sie fast ausschließlich in Direktvermarktung verkauft werden.
Besatz- und Speisekrebs halten sich im Krebsgarten die Waage.
Aktuell befinden sich im dritten Produktionsjahr der Basthorster Anlage 15.000 Jungkrebse unter der Wasseroberfläche. 30.000 Scherenträger können es maximal sein. Aus Basthorst kommen rund 400 kg Edelkrebse und für ganz Deutschland schätzt Teufel den Ertrag auf vielleicht zwei Tonnen.
Gartenlandschaft mit TeichEntstanden ist der Krebsgarten aus einer Idee der Agenda 21. Was kann man sonst noch im Urstromtal der Warnow machen? Bis zur heutigen Anlage gab es noch zahlreiche behördliche Widerstände zu überwinden – aber es hat sich gelohnt. Der kleine Krebs wächst in den Teichen schnell zu beachtliche Größe heran. Im ersten Jahr häutet er sich bis zu achtmal und wird im zweiten Jahr schon bis zu 40 Gramm schwer. Im dritten Jahr als guter Speisekrebs ist er schon bis zu 16 cm groß und wiegt zwischen 80 und 120 Gramm.
Agenda 21 und Wirtschaftskrebse: „Naturschutz und konventionelle Nutzung, Schutz durch Nutzung“, erinnert sich Steffen Teufel an die Anfänge. So sind auch die Teiche geworden. Sie wurden parallel zu den Höhenlinien angelegt und gestalten eher eine Parklandschaft auf 3,5 Hektar. Moorschnucken halten dazwischen das Gras zurück.
Elf Teiche bilden die kleine Landschaft und sind ganz für ihre Bewohner da. Damit im Falle eines Falles Krankheiten nicht von Teich zu Teich springen, sind sie isoliert voneinander angelegt. Eigentlich bilden die Teiche gegenüberliegende intensive Uferzonen, so wie die Edelkrebse es am meisten lieben. Der Ufer-Flächenkoeffizient ist hoch.
Übereinander geschichtete Dachziegel bieten den kleinen eine Jugendstube und den großen ein zu Hause. Geotextil dichtet den Teich nach unten ab. Die vier Meter mächtige Torfschicht unter den Teichen braucht dafür zwischen zwei und vier Jahre.
Gucken und Regeln
Auf jeden Quadratmeter Teich kommen 20 Jungkrebse oder zwei Speisekrebse. Krebse sind keine Kuscheltiere. Kälber und Lämmer sind für Kinder intensiver erlebbar als Krebse. Eine Kuh kann sich mitteilen, wenn es ihr nicht gut geht.
Im Krebsgarten ist dafür das Zusammenwirken vieler Faktoren wichtiger für den Erfolg der Aufzucht. Steffen Teufel kennt alle seine Teiche. Es gibt bis hin zum Vier-Generationenteich einen Belegungsplan für die Wasserflächen und er weiß, welche Tiere mit welchem Alter zwischen den Ziegeln und den Armleuchteralgen (Chara vulgaris) leben.
Aktuell experimentiert er mit einer selbst gebauten Wasserzufuhr über Feuerwehrschläuche, alle Teiche zentral mit einem wasserstandsregelndem Zufluss zu befüllen, ohne dass die Schläuche in verschiedene Teiche gehängt werden müssen. Solitärteiche eben.
Krebse durchleben ihren Lebenszyklus streng nach Jahresrhythmus. Zwei Generationen im Jahr sind nicht möglich. So hat er in der Winterzeit wie in der Tierhaltung üblich Winterarbeiten durchzuführen. Dann werden die Uferzonen gepflegt. Nerze und Fischotter aus dem nahen Wald hinterlassen verräterische Gewölle an ihrem Fressplatz. „Gucken und Regeln“ sind die wichtigsten Fähigkeiten für die Edelkrebszucht. Die Krebse aus Basthorst leben von frischem Wasser, guter Luft, ernähren sich als Allesfresser von Pflanzen, Schnecken, Larven und auch Fisch und bekommen keine Medikamente: Ein natürlicher Kreislauf, den Steffen Teufel aufrecht erhalten muss.
Wildfänge, die zur Zucht Warnow Wildlife überantwortet werden, müssen in Quarantäne. Sie kommen in ein spezielles Becken und nehmen ein pH-Bad, das nach 14 Tagen wiederholt wird: Dann sind eventuelle Parasiten verschwunden und die Krebse können in die Teiche eingesetzt werden. Da die „neuen“ Krebse sich jedoch zunächst auf die Suche nach ihrem angestammten Gewässer machen, hält ein einfacher „Krötenzaun“ den Neuzugang zurück. Bis sie den Teich in Besitz genommen haben.
Frisch auf den Tisch
Edelkrebse aus Basthorst gibt es weder im Supermarkt, noch im Naturkostladen. Heimischer Krebs aus natürlicher Produktion ist seltene Delikatesse und wird wieder mehr geschätzt. Für größere Partien sind die Ertragsmengen zu klein. Deutschlands Delikatessenhändler würden zwar gerne die gesamte Jahresproduktion abnehmen. Aber das hat für Steffen Teufel zwei Nachteile: Der Erzeugerpreis würde gedrückt und die Abhängigkeit ist zu groß.Warnow Wildlife setzt eher auf traditionelle Krebsessen. Das kann man im Krebsgarten mit Blick auf die Teiche. So kann man vom Gastgeber alles über die edlen Tiere erfahren: Als Vorspeise oder Dessert ein Blick in die geheimnisvolle Unterwasserwelt in der Grundmoränenlandschaft des Warnow-Tals.
Bis zu fünf Veranstaltungen gibt es bereits im dritten Produktionsjahr. Die Krebse werden eine Nacht vorher mit gefrorenem Fisch in einer von zwei Seiten zugänglichen Reuse aus den Teichen gefischt. Bei größeren Veranstaltungen hängt das Fanggerät zwei Nächte im Wasser. Bis zu einem Kilogramm Krebse sind am nächsten Tag in der Reuse.
Für sechs Personen sollten es schon fünf Kilo Krebse sein. Ein Kilo Krebs bietet den Gourmets zwischen 30 und 40 Prozent Krebsfleisch. Geschmacklich sei Edelkrebsfleisch besser als Hummer. Die Preise sind aber noch „in der Experimentierphase“. Mit 38 Euro netto liegt Warnow Wildlife noch eher an der unteren Preisskala für Edelkrebse.
Anfang August bekommen Edelkrebse einen großen Wachstumsschub. Bis in den Oktober reicht die beste Edelkrebszeit.
Voller Ideen
Krebse sind auch nicht das einzige Produkt des Krebsgartens. Schließlich fallen jede Menge Krebspanzer bei den Häutungen an. Die werden pulverisiert, gekocht und als Sud verwendet – oder, noch besser: zur Herstellung von Krebsbutter verwendet. Krebsbutter. Intensiv in Farbe und Geschmack.
Aber auch die Zukunft steckt noch voller Überraschungen. Die Besatzkrebse werden in Styroporkästen mit feuchter Wolle oder Zeitungspapier verschickt. So könnte Steffen Teufel sogar bis nach Berlin mit einer mobile Krebsküche für ausgewählte Veranstaltungen á la carte liefern. Da kommt der Koch gleich mit.
Im Abflussgraben, der aus der Teichanlage heraus ein Feuchtbiotop bewässert, wäre Platz für Spiegelkarpfen. Oder wie wäre es mit der Kombination von Edelkrebs und Kaviar? Platz für Störe wäre genug da.
Steffen Teufel bietet auch Führungen durch den Krebsgarten an. Für Essen oder Besuche unbedingt vorher anmelden: www.warnowwildlife.de
Roland Krieg; Fotos: Krebse: Warnow Wildlife; alle anderen: roRo