EFSA-Bericht zu Zoonosen und Envi-Studie

Landwirtschaft

Zoonosen und die Nutztierhaltung

Die Zoonose ist eine Erkrankung, die vom Tier auf den Menschen und in umgekehrter Richtung springen kann. Jeremy Brice von der London Scholl of Economics and Social Science definierte ganz wissenschaftlich im Umweltausschuss des Europaparlaments den Gegenstand seines Themas. Die Überarbeitung und Verbesserung europarechtlicher Vorschriften steht an. Die Diskussion fand nur wenige Tage nach der Vorstellung des aktuellen Zoonoseberichtes der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) statt.

Von der Attischen Seuche bis zu Omikron

Zoonosen treten durch die Nähe von Mensch und Tier schon seit dem Neolithikum auf und werden nach Brice wie die Tuberkulose und Influenza heute kaum noch als gemeinsame Erkrankung wahrgenommen. SRAS-CoV-2 und seine Varianten bis zur aktuellen Omikron-Form beherrschen den Alltag der Menschen weltweit und sind eigentlich kaum etwas anderes, als historische Seuchen. Was beispielsweise die Attische Seuche 400 v.u.Z. verursacht hat, ist bis heute nicht bekannt. Die „Katastrophe war so überwältigend, dass die Menschen, die nicht wussten, was mit ihnen geschehen würde, sich nicht mehr an die Regeln der Religion und des Gesetzes hielten“, hielt Geschichtsschreiber Thukydides fest. Athen war so geschwächt, dass die Spartaner sie am Ende einnehmen konnten [1].

Seit jeher haben sich die Menschen wissenschaftlich vorgetastet, wie sie solchen Seuchen auf die Spur kommen und Infektionswege unterbinden können. Was der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach machen kann, ist Veterinärmedizinisch schon lange klar und war am Mittwoch zum Teil auch Thema im Schweriner Landtag [2]. Bei der Umsetzung tun sich Veterinäre allerdings leichter als die Humanmediziner, obwohl zoonotische Bakterien und Viren keinen Unterschied zwischen Rind und Mensch, Nerz und Mensch machen. Der Ansatz „One Health“ von der Weltgesundheitsorganisation WHO, also Tier, Mensch und Umwelt als Ganzes zu betrachten hat längst Eingang in die Gesundheitsvorsorge gefunden, stößt aber ausgerechnet beim „Wissenden Menschen“ (Homo sapiens) auf wenig Gegenliebe.

Rückgang der Fallzahlen

Die EFSA meldet in ihrem aktuellen Zoonosebericht einen deutlichen Rückgang der Fallzahlen. Die Zahl der Campylobacteriosen hat sich gegenüber 2019 von 220.000 auf 120.9640 Fälle fast halbiert. Die Zahl der Salmonellosen hat sich im gleichen Zeitraum von 88.000 auf 52.750 verringert. Die Schachverständigen der EFSA und des Europäischen Centre für Krankheitsprävention (ECDC)  begründen den Rückgang dieser beiden wichtigsten Zoonosen durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie. Die Menschen haben ihr Gesundheitsverhalten überprüft und sind weniger gereist und haben weniger Veranstaltungen besucht. Quarantänevorschriften und das Schließen der Gastronomie haben ihren Teil dazu beigetragen.

Die nächst häufigsten Fälle waren die Yersiniose mit 5.668 Fällen und die Infektion mit Shigatoxin bildenden E.coli (EHEC) mit 4.446 Fällen [3].

Zoonosen und Tierhaltung

Der Zusammenhang zur Tierhaltung ist evident. Allerdings schon seitdem Mensch und tierischer Begleiter die gemeinsame Höhle teilten. Aus heutiger Sicht trägt die Nutzviehhaltung nach Jeremy Brice in fünf Fällen zur Verbreitung von Zoonosen bei: Die steigende Erzeugung von tierischem Protein, die landwirtschaftliche Intensivierung, eine nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, die Globalisierung der Wertschöpfungsketten im Bereich der Lebensmittelproduktion und der Klimawandel.

Es gibt aber zwei Einschränkungen. Die Zoonosenforschung fokussiert sich meist auf ein individuelles Pathogen und vernachlässigt die Risikoeinschätzung der Rahmenbedingungen. Daher gibt es derzeit keine Belege für die Ausbreitung von Zoonosen nach Nutztierart und Haltungssystem.

Für die Politik ist die Einschätzung klar. Jutta Paulus von Bündnis 90/Die Grünen und Manuela Ripa (Ökologisch-Demokratische Partei) im Umweltausschuss kritisieren die „Massentierhaltung, Futtermittelwege und Handelspolitik, sowie den Agrarausschuss, der für den Bericht zur Tierhaltung zuständig war. Ripa hätte ihn gerne im Umweltausschuss gehabt. Denn die Themen Umweltgesundheit und Antimikrobielle Resistenzen kommen in der Studie von Jeremy Brice zu wenig vor, sagte Paulus. Die finnische Linken-Politikerin Silvia Modig möchte die Tierhaltung räumlich von menschlichen Siedlungen trennen und generell weniger Tiere halten.

Nach Brice ist das nicht so einfach. Die Biosicherheit in Betrieben mit kontrollierter Umgebung sein ein guter Schutz gegen den Aufbau von Infektionsketten. Die Züchtung könnte nachbessern und mehr Wert auf resilientere Tiere legen. Das Halten von kleineren Herden gebe den Pathogenen zwar weniger Raum zur Ausbreitung, aber weil die oft im Freiland gehalten werden, steigt die Kontaktmöglichkeit zwischen Nutz- und Wildtieren.

Die EU-Regulierungen

Die Direktive EG/2003/99 regelt Monitoring und Berichtswesen über Zoonosen. Darin ist festgeschrieben, das die einzelnen EU-Länder Daten erheben und an die EU zur gemeinsamen Risikoanalyse melden müssen.  Allerdings fußen sie nur auf spezifische Pathogene im Rahmen einzelner Testverfahren.

Die gerade erlassene Richtlinie EU 2021/690) ersetzt die alte Richtlinie EU 2014/652 über die Finanzierung und das Management entlang der Lebensmittelketten. Nach Brice sind die Maßnahmen ungenügend mit dem Humansektor verknüpft und fokussieren sich ebenfalls nur auf spezifische Pathogene. In einigen Ländern sind die Berichte mangels Personal und Kapazitäten lückenhaft [4].

Laszlo Kuster von der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bestätigt zunächst einmal, dass der Ansatz „One Health“ ein prominenter Ansatz für die Finanzierungsgrundsätze ist..

Lesestoff:

[1] Geschichte der Zoonosen: https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2021/10/geschichte-der-zoonosen-wie-menschen-durch-ihr-verhalten-pandemien-beguenstigen

[2] APS und AI von nationaler Bedeutung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mv-bund-soll-asp-und-ai-nationale-bedeutung-zuweisen.html

[3] https://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/6971

[4] http://www.europarl.europa.eu/supporting-analyses

Roland Krieg

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