EFSA widerspricht IARC zu Glyphosat

Landwirtschaft

EFSA macht bei Glyphosat nicht schlauer

Die internationale Krebsforschungsagentur IARC bei der Weltgesundheitsagentur WHO hatte lange auf ihre Monographie über das Pflanzenschutzmittel Glyphosat warten lassen, nachdem sie einige Monate zuvor die Kurzform veröffentlichte, Glyphosat werde „als wahrscheinlich krebserzeugend“ in die Risikoklasse 2A eingestuft. Obwohl die Belege sich nur auf Versuchstiere beziehen. Genauso spannend hat es die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA mit ihrer Neubewertung gemacht. Am Donnerstag erschien das aktualisierte toxische Profil für Glyphosat. Ebenfalls mit einem Knall.

Für die erneute Zulassung des Wirkstoffes durch die EU muss vor Ablauf der Genehmigung die Bewertung von neuen Studien her. Die Kommission wartete auf die EFSA, die auf das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als Berichterstatter zurückgriff.

Fazit: Die EFSA bewertet Glyphosat weder als gentoxisch noch als krebserregende Bedrohung für den Menschen. Die Kommissionwird das Ergebnis in ihre Entscheidung einfließen lassen, ob der Stoff auf der Genehmigungsliste stehen bleibt.

Die EFSA kommt zu dem gegenteiligen Beschluss, weil sie ausschließlich den Reinstoff Glyphosat betrachtet hat. Das IARC hingegen hat zusätzlich auch Glyphosat-basierte Formulierungen berücksichtigt. Die EU macht Unterschiede zwischen dem reinen Stoff und Mischungen, das IARC hingegen bewertet generische Substanzen.

Studien legen nahe, dass Beistoffe und andere Bestandteile toxischer sind als Glyphosat selbst. Da ist die so genannte AMPA, Aminomethyl-Phosphonsäure, die als Hauptabbauprodukt von Glyphosat wesentlich stabiler ist und deutlich längere Halbwertszeiten im Boden aufweist. Zum anderen gehören Netzmittel dazu, die wie das Tallowamin die Aufnahme in die Pflanze befördern. Tallowamin hat eine eigenständige Toxizität und kann auch von tierischen Zellen aufgenommen werden.

Zweitens hat die EFSA erstmals einen Grenzwert für Glyphosat vorgeschlagen. Die annehmbare Anwenderexposition (AOEL) soll bei 0,1 mg/kg Körpergewicht pro Tag betragen. Das betrifft die Landwirte und Gartenbesitzer, die das Mittel einsetzen. Für Verbraucher wird die zulässige tägliche Aufnahmemenge (ADI) auf 0,5 mg/kg Körpergewicht vorgeschlagen.

Das BfR, das zuletzt im Agrarausschuss des Bundestages mehr auf der Anklagebank stand als Glyphosat, hat parallel zahleiche Dokumente veröffentlicht, die über unterschiedliche Bewertungen Auskunft geben.

Der Aufschrei der Glyphosat-Gegner ist entsprechend groß und muss hier nicht wiederholt widergegeben werden. Zwei Meldungen stachen am Donnerstag heraus: Die Brandenburger Europaabgeordnete Susanne Melior laviert sich in ihrer Meldung für die Europa-SPD um eine endgültige Bewertung für oder gegen den Wirkstoff herum. Sie spielt den Ball von IARC, BfR und EFSA gepasst an die Kommission weiter: Die Politiker ihrerseits müssten „eine umfassende Analyse der Auswirkungen auch auf die Umwelt, auf Luft, Boden und Grundwasser“ durchführen. Ähnlich äußerte sich Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern: „Wenn sich die Wissenschaftler noch nicht einmal einig sind, sollten wir ganz vorsichtig mit voreiligen Schlüssen bei der Bewertung von Glyphosat sein.“ Backhaus vertraut allerdings der politischen Expertise des Bundes und will das Thema auf der nächsten Agrarministerkonferenz „ganz weit oben auf die Tagesordnung“ setzen.

Und nun?

Die Glyphosat-Bewerter haben sich so weit ineinander verkeilt, dass jetzt Berufspolitiker Lösungen finden müssen!? Der Elfenbeinturm wird zur Autistenhochburg, wenn das Wohl und Wehe der Menschen von langfristigen neun Ratten- und fünf Mausstudien abhängt, die von den einen als ausreichend, von den anderen als nicht ausreichend in ihrer Aussagekraft bewertet werden. Und drei Nagerstudien wurden gar ignoriert – sagen die einen. Im letzten Jahr rief ein BfR-Sprecher auf Anfrage von Herd-und-Hof.de zum Thema zurück und gähnte erst einmal in das Telefon, bevor er gedehnt fragte: „Glyphosat, ja?“. Werden Glyphosat-Bewerter dann nicht gefährlicher als Glyphosat selbst?

Das Bauchgefühl sagt, dass Wurst, die nach IARC das Risiko einer Krebserkrankung steigern kann, das Lebensumfeld der meisten Menschen in Deutschland deutlicher bestimmt als Glyphosat. Und niemand hat aufgehört, weniger Wurst zu essen. Nach übereinstimmenden, unstrittigen Meldungen versterben alleine in der EU jährlich 400.000 Menschen an unsauberer Luft. Und wie viel an Glyphosat?

Das ist unwissenschaftlich und nicht fair, weil es keine Kausalitäten sind. Aber es hilft, die wahre Aussage der EFSA herauszufiltern: Die Diskussion um Glyphosat hat eine Ebene erreicht, auf der es keine weitere Lösung mehr gibt. Bis dahin werden die in den Fachmagazinen beschriebenen zunehmenden Resistenzprobleme bei Nutzpflanzen und der damit verbundene Kostenaufwand für die Landwirte so groß sein, dass mechanische Unkrautbekämpfung und ausgeweitete Fruchtfolgen die preisgünstigeren Varianten gegen Ungräser und Unkräuter sind.

Lesestoff:

EFSA auf deutsch: www.efsa.europa.eu/de/press/news/151112

www.bfr-bund.de

Der kleine Mann gegen das „Netzwerk des Bösen“

Monographie IARC

Roland Krieg

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