Ein Jahr Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau

Landwirtschaft

„Das beste was Schmidt gemacht hat“

Vor genau einem Jahr hat der damalige Agrarminister Christian Schmidt auf der BioFach in Nürnberg seine „Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau“ vorgestellt. Für Robert Habeck, Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, ist dieser Plan einer der besten Aufgaben im Bundeslandwirtschaftsministerium gewesen, sagte er in Nürnberg mit Blick zurück auf ein Jahr „ZÖL“. Der Aufgaben- und Forschungskatalog habe sich unabhängig von der Politik aufgestellt und wird schrittweise abgearbeitet [1].

BÖLN und Forschung

Warum das so ist, erklärte Abteilungsleiter Clemens Neumann aus dem BMEL: „Die Gesellschaft verlegt das ökologische Moment zu uns und in die Wirtschaft. Der ökologische Landbau hat eine Pionierfunktion.“ Die Nachfrage nach Bioprodukten liegt noch immer über dem heimischen Angebot.  Daher wird die künftige Koalition sowohl das Forschungsprogramm für den ökologischen weiteren nachhaltigen Landbau (BÖLN) als auch die Eiweißstrategie weiterführen und mit mehr Titeln ausstatten. Dorothee Hahn von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) wird konkreter: Das Budget für das BÖLN wird auf 30 Millionen pro Jahr  erhöht und die Eiweißstrategie mit 6 Millionen Euro gefördert. 14 von insgesamt 24 Maßnahmen sind bereits implementiert wie beispielsweise Verbesserung der Sorten und Verwertung feinkörniger Leguminosen, der Steigerung des Bioanteils in der öffentlichen Beschaffung sowie die Frage nach der Honorierung von Umweltleistungen.

Viele Fragen offen

Die möglicherweise neue Koalition hat sich einiges vorgenommen. Der Anstieg des Biolandbaus auf 20 Prozent bedeute eine 2,5fachung der heutigen Fläche und eine deutliche Steigerung des Wachstums in den Jahren bis 2030. Jürn Sanders zeigt sich durchaus skeptisch ob das gelingt. Der Wissenschaftler vom Julius Kühn-Institut spricht auch von Regionalisierung, was sowohl Programme als auch deren Inhalte betrifft. Was in Bayern und Spanien im Bereich der Stickstoffstrategie erfolgreich ist, müsse beispielsweise für Schleswig-Holstein nicht gleichermaßen wirken. Auch bei der Honorierung von Umweltleistungen gilt es zu differenzieren. Sollen nur die Zusatzkosten ausgeglichen werden oder auch die externen Kosten, soll ein Programm Ergebnis- oder Handlungsorientiert wirken? Die Ökonomen haben noch viele Fragen. „Alles ist besser als das Greening, aber eine Umschichtung von Geldern in die zweite Säule ist auch keine Superlösung“, so Sanders.

Grüne Pfadfinder

Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) ist mit der ZÖL zufrieden: „Die Maßnahmen sind ausgewogen“. Zudem sei es eine lebende Strategie, die weiter entwickelt werden müsse. Wichtig sei die Sicherung des partizipativen Ansatzes durch Akzeptanz mit einer bald durchzuführenden erneuten Fachtagung im BMEL. Löwenstein lässt durchblicken, worum es ihm noch geht: Die Aufgabe des Ökwirtschaft ist nicht nur eine Aufgabe des BMEL. Das Entwicklungsministerium zeigt es durch die Themenberücksichtigung in seinem Programm „Eine Welt ohne Hunger“. Das Thema müsse aber auch in anderen Ressorts Berücksichtigung finden.  Denn der Ökolandbau sei „keine Keule gegen den konventionellen Landbau, sondern ein Alternativangebot für die Zeit, wenn die Lebensgrundlagen knapp werden. „Der Ökolandbau hat eine Pfadfinderfunktion“.

Der Weg aus der Nische

Öko ist schon längst keine Nische mehr, unterliegt daher neuen Herausforderungen. Nach Neumann könne der Ökolandbau wie in den Niederlanden als eine Art Premiumkategorie definiert werden, bietet, so Habeck, Landwirten einen Ausweg aus der Falle des „Wachsen-oder-Weichen“, braucht aber offenbar dennoch politische Leitplanken.

Georg Kaiser ist Geschäftsführer der Bio Company in Berlin und findet alles richtig, was in Richtung Qualität gehe. Die Politik solle Verbraucher nicht in ihren falschen romantischen Vorstellungen des Ökolandbaus unterstützen. Großflächiger Bioanbau findet dort keinen Platz. Für Robert Habeck müsse die Politik sich das Heft zum Handeln nicht durch den Handel aus der Hand nehmen lassen. Der setze eigene private Standards, was „hochgefährlich“ sei und zu einem „Lidl-Bauern“ führt, der nicht mehr in der Lage sei, für andere Märkte zu produzieren. Habeck fordert einen verbindlichen Ordnungsrahmen für höchste Ansprüche. Für eine Haltungskennzeichnung sei es „höchste Eisenbahn“. Das helfe den Verbrauchern und „den Rest machen die NGO“. Denn: „Die zweite Liga reicht uns nicht“.

Clemens Neumann hat das erkannt und will Ziele zusammen mit den Verbrauchern umsetzen. Dazu müsse das Informationsangebot in Richtung Verbraucher intensiviert werden. Das kostet Geld wie auch die Umsetzung von mehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung. Die Geldfrage ist derzeit noch ausschließlich in der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik angesiedelt. Ob das alleine ausreicht, bezweifelt Habeck. Er will mehr agrarferne Steuergelder für den Ökolandbau verwenden.

Die Förderung des Ökolandbaus ist eine einengende Sicht. Aus der Perspektive des Einzelhändlers ist die Zusammenführung von Mengen und die Verteilung auf die Geschäfte im Logistikbereich eine neu zu bewältigende Aufgabe, erklärt Georg Kaiser.

Bei allen Diskussionen und der Zahl von 20 Prozent Anteil des Ökoanbaus, bleibt die Frage, was ist mit den „restlichen 80 Prozent“? Sind hier die 20 Prozent guten und dort die 80 Prozent bösen Bauern? Lediglich Clemens Neumann hatte den Überblick. Auch die 80 Prozent konventionellen Landbaus werden ökologischer. Die sind von den Ideen der Pfadfinder nicht ausgeschlossen. Umgekehrt müssen sich die Verbände einig sein, wie „intensiv bio“ die 20 Prozent ausgestaltet werden können? 20 Prozent biologisch-dynamisch, 20 Prozent vegane Landwirtschaft oder 20 Prozent EU-Bio? Vielleicht reicht zur Rettung der Welt ja auch letzterer Standard.

Lesestoff:

[1] Start der ZÖL: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-oeko-erzeugung-in-schwung-bringen.html

Roland Krieg

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