Ein schmucker Käfer

Landwirtschaft

Der Siebenpunkt ist Insekt des Jahres 2006

>Nur wenige Tiere finden sich als Motiv so vielfältig als Schokoladen-, Glas- oder Kuscheltier wieder, als Schlüsselanhänger und Schmuck wie der Marienkäfer. Die schwarzen Punkte auf seinem Rücken bilden die magische und heilige Zahl Sieben, weswegen der Käfer mystisch verehrt wird und seine roten Flügeldecken stehen für Feuer und Blut, aber auch für Liebe. Die Käfer waren geheiligte Tiere der altnordischen Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin Freya. Als Glückskäfer gilt er möglicherweise schon seit langem: Es gibt eine rund 20.000 Jahre alte Marienkäferplastik aus Mammutelfenbein aus der Epoche der Magdalénien. Der Käfer ist durchbohrt und wurde vermutlich als Schmuck um den Hals getragen. So ist es nicht verwunderlich dass gestern in Berlin der Siebenpunkt (Coccinella septempunctata) zum Insekt des Jahres 2006 gekürt wurde.

Idol des ökologischen Pflanzenschutzes
Bereits 1880 wurden Marienkäfer aus Australien nach Amerika gebracht, um die dort ebenfalls vom fünften Kontinent über Zitrusfrüchten eingeschleppte Schildlaus zu bekämpfen. Für Prof. Dr. Wolfgang Methling, stellvertretender Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern und Schirmherr des "Insekt des Jahres 2006" traditioneller ökologischer Pflanzenschutz. Allerdings war der durchschlagende Erfolg fatal für das Image des Käfers.
Der Siebenpunkt ist nur einer der weltweit etwa 5.500 Marienkäferarten, die überwiegend in den Tropen und Subtropen leben. In Europa gibt es etwa 230 Marienkäferarten und in Deutschland 80. Zwei Drittel der Arten leben von Blattläusen und können nicht nur als possierliche Krabbler auftreten, sondern auch selbst einmal äußerst lästig werden. Vor einigen Jahren wurden auf einem fünf Kilometer langen Ostseestrandabschnitt 25 Millionen "Glückskäfer" gezählt.
Überwiegend wird der Käfer, für den es über 1.700 Namen in deutscher Sprache gibt, wie das sächsische "Moschenkiepchen" oder als ?Himmelsköchel?, aber gerne als Nützling gegen Blattläuse angesehen. Und das fängt bereits in der Jugend an:
Die kleinen Larven schlüpfen aus den zu 40 Eier zusammengefassten Gelegen der insgesamt 800 Eier, die jedes Weibchen legt. Während der vier Larvenstadien hat die Jugend noch keine Ähnlichkeit mit dem adulten Tier. Die Larven haben einen langen vielfach segmentierten grauen Körper, der behaarte Platten aufweist. Kaum geschlüpft suchen sich die "Youngster" bereits Blattläuse, die sie aber nicht ganz vertilgen. Erst der erwachsene Käfer frisst die Laus ?mit Stumpf und Stiel?. Die Larven lösen die Blattlaus enzymatisch an einer Stelle auf und saugen sie aus, wie der ausdrucksstarke Film aus Makroaufnahmen von Prof. Dr. Urs Wyss zeigte. Prof. Wyss ist Emeritus des Instituts für Phytopathologie der Universität Kiel.
Nach vierzehn Tagen ist die Larvenentwicklung abgeschlossen und sie heften sich zum Verpuppen mit dem Hinterleib an ein Blatt. Weil die Beine und Fühler im Gegensatz zu anderen Käferfamilien fest mit dem Körper verkittet sind zeigt der Marienkäfer eine Mumienpuppe, aus der er nach zwei Wochen als Käfer entschlüpft.
Aber auch die Jungkäfer würden meist nicht als Marienkäfer erkannt werden, denn sie haben zitronengelbe Flügel. Die schwarzen Punkte entwickeln sich langsam und bilden jeweils ein Melanin. Die rote Flügelfarbe entsteht dann durch die Einlagerung von Carotinoiden, so dass der fröhlich leuchtende Käfer mit seinen schwarzen Punkten uns allen geläufig wird.
Die Punkte geben nicht das Alter der Tiere an, wie es gelegentlich heißt. Die Tiere werden nur ein Jahr alt und überwintern gesellig meist an der Bodenoberfläche. In Nord-, Mittel- und Westeuropa gibt es nur jeweils eine Generation im Jahr, in Südeuropa wegen des günstigeren Klimas dann zumindest schon einmal zwei. Eine ständige Folge der Generationen gibt es in den Tropen. Die Anzahl der Punkte ist arttypisch, die Größe nimmt von West nach Ost zu und die Käfer können auch gelb-schwarz oder braun-weiß sein.

Sieben Punkte für eine intakte Umwelt
Während der Marienkäfer bei uns also nur eine Generation ausbildet, vermehrt sich seine Lieblingsmahlzeit, die Blattlaus, mit bis zu 20 Generationen im Jahr. Für Prof. Dr. Bernhard Klausnitzer, Präsident der Entomofaunistischen Gesellschaft in Dresden, macht Marienkäfer "uns mit seinen sieben Punkten klar: Die Urenkel wollen auch noch eine intakte Umwelt haben." Im Unterglasanbau reguliert der Käfer die Blattlauspopulation, aber im Freiland wird er eine Massenvermehrung der Läuse nicht aufhalten können. Da wird der Marienkäfer in seiner Wirkung "überschätzt". Sein Vorhandensein verweist allerdings auf eine abwechslungsreiche Landschaft. So hat die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) kürzlich auf der Basis zehnjähriger Feldstudien festgestellt, dass Marienkäfer, ihre Larven, Schweb- und Florfliegen sowie Spinnen es "in 50 Prozent der Fälle schaffen, mit den Getreideblattläusen fertig zu werden. Nützlingsgemeinschaften im Freiland zu fördern ist daher eine wichtige Maßnahme, um den Blattläusen im Getreide beizukommen", formulierte Dr. Bernd Freier vom BBA auf einer Arbeitssitzung. An der Effizienz und Treffsicherheit hapert es allerdings im Freiland: "Würden sie künstlich Nützlinge einbringen, so würde ihnen ein Marienkäfer vielleicht ein Zehntel Cent pro Quadratmeter von dem einsparen, was sie für Pflanzenschutzmittel ausgeben müssten. Ein Käfer jedoch kostet schon 50 Cent."
So bleibt der Marienkäfer trotzdem ein Idol des umweltgerechten Landbaus, denn er ist, vielleicht sogar das schönste, Puzzleteil einer Gesamtstrategie. Um ihm Lebensraum zu bieten, müssen Hecken oder Ackerschonstreifen angelegt werden. Nach der Ernte wandern die Käfer in das menschliche Wohnumfeld ein. Daher bieten auch kleine Gärten, die mehr als Rasen aufweisen, ein Refugium für Coccinella septempunctata.
Sortenreiche Gärten, in denen Reisig über Winter liegen bleibt und vor allem der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz im Hausgarten bieten den Käfern einen Lebensraum. Damit sie auch im nächsten Jahr Blattläuse vertilgen und den Menschen Glück bringen.

Lesetipp:
Prof. Klausnitzer beschäftigt sich seit 45 Jahren mit den Marienkäfern. Sein 1972 erstmals erschienenes Standardwerk "Marienkäfer" gibt es mittlerweile in vierter Auflage: Die neue Brehm-Bücherei Bd. 451; Westarp Wissenschaften Magdeburg

Roland Krieg

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