Eine nationale Züchtungsstrategie Pflanze für Deutschland
Landwirtschaft
Viele Fragen vor einer nationalen Züchtungsstrategie Pflanze
„Die Pflanzenzüchtung ist von strategischer Bedeutung für die nachhaltige Landwirtschaft. Die Bedeutung steigt“, sagte Peter Latus vom Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) in einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung Bundestagsausschusses. Das Thema lautete am Mittwochabend „Nachhaltige Landwirtschaft – Notwendigkeit einer nationalen Züchtungsstrategie“.
Peter Latus war eingeladen, weil die Schweiz sich bereits für eine nationale Strategie der Pflanzenzüchtung entschieden hat. Das Land ist abhängig von ausländischen Sorten, die Klein- und Mittelständischen Züchtungsunternehmen gehen weltweit zurück und die großen Sortenanbieter widmen sich überwiegend den Gewinn bringenden „Cash Crops“.
Das BLW fürchtet, dass weniger verbreitete Kulturen, wie Ackerbohnen, Futtergräser, die Lupine oder Esparsette benachteiligt werden, aber für den Schweizer Futterbau einen hohen Stellenwert besitzen. Die Eidgenossen arbeiten derzeit an Zielbereichen für eine nationale Pflanzenzüchtung: So sollen standortangepasste Sorten entwickelt werden, die gleichzeitig ein hohes Spektrum an Kulturarten bietet. Die Ziele sollen die Ernährungssicherheit der Schweiz sicher stellen und die Landwirtschaft nachhaltig gestalten. Bis 2017 soll ein Maßnahmeplan erarbeitet werden, der unter anderem die Gründung eines „Schweizer Zentrums für Pflanzenzüchtung“ vorsieht.
Deutschland gut aufgestellt
Damit ist die Schweiz weiter als Deutschland. Nach Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) sind derzeit 130 Züchtungsunternehmen mit 58 originären Zuchtprogrammen unterwegs, die auch selten vertretene Kulturarten wie die Ackerbohne umfassen. 15,1 Prozent des Umsatzanteils verwenden sie für Forschung und Entwicklung. Bei Zuchtzielen wie Ertragshöhe oder Krankheitsresistenzen brauche Deutschland keinen Wettbewerb fürchten.
Mit dem Stand Juli 2014 konnten die Landwirte zwischen es 3.178 zugelassene Sorten von Getreide bis zu Gemüse auswählen. Im Folgejahr wurden weitere 249 Sorten neu zugelassen. Dieses Fortschreiten sichere die Ertragsentwicklung der wichtigsten Kulturarten und werde Pflanzen bei Nährstoff- und Wasseraufnahme noch effizienter machen.
Allerdings brauche die Entwicklung einer neuen Sorte zwischen 12 und 25 Jahren Zeit und koste einen Millionenbetrag. Eine nationale Strategie ist wegen der neuen Anforderungen durch den Klimawandel und vor dem Hintergrund der Sustainable Development Goals notwendig, wenn es die privaten Züchter stärke, erklärte Stephan. Dazu gehört auch die politische Umsetzung der Nachbaugebühren als Ausgleich für die Investitionen in eine neue Sorte. Nicht gezahlte Gebühren hätten manch kleineren Züchter bereits zum Aufgeben gezwungen. Nur selten wird, nach Bundesländern aufgeschlüsselt, mehr als die Hälfte der Nachbaugebühren getätigt.
Die internationale Perspektive
Für Stig Tanzmann von Brot für die Welt sieht der Status quo in Deutschland zunächst einmal gut aus. „Auf den zweiten Blick allerdings wird es für die mittelständischen Züchter immer schwieriger, ein Auskommen zu finden.“ Was im Süden weit verbreitet ist, finde vor dem Hintergrund der möglichen Monsanto-Übernahme von Bayer auch zunehmend im Norden statt: Die Oligopolisierung der Züchtungsunternehmen. Gerade vor dem Hintergrund der Agenda 2030 und Sicherung der Welternährung wünschte sich Brot für die Welt ein agrarökologisches und gentechnikfreies Saatgut in bäuerlicher Hand. Länder, deren natürliche Ressourcen global für die Pflanzenzüchtung genutzt würden, bräuchten einen fairen Ausgleich für die Nutzung ihrer Genetik. Vor allem die Kleinbauern seien auf freien Zugang zu homogenem und stabilem Saatgut angewiesen. Auch Tanzmann plädiert für eine nationale Pflanzenzüchtungsstrategie, bei der gleichzeitig auch alternative Bezahlmodelle zu Nachbaugebühren entwickelt werden sollten.
Die Schweiz verzichtet auf Nachbaugebühren. Schon 1991 wurde das festgelegt. Die Qualitätsanforderungen der Bäcker und Mühlen seien so hoch, dass die Landwirte zu über 90 Prozent neues Saatgut kaufen, erklärte Peter Latus.
Problem Patente
Dr. Christoph Then von Testbiotech forderte Klarheit und ein defensives Erteilen von Patenten, damit die Landwirte weltweit Sicherheit für den Zugang zu genetischen Ressourcen haben. Then sieht die Entwicklung besonders skeptisch. Zwischen 1999 und 2014 gab es mit dem Projekt GABI (Genomanalyse im biologischen System Pflanze) zahlreiche Projekte mit gentechnisch veränderten Bäumen, markergestützter Selektion und Entwicklungen traditioneller Züchtungsverfahren. Seit dem letzten Jahr findet GABI Fortsetzung durch das Projekt „PLANT 2030“, an dem die großen Saatgutunternehmen beteiligt sind. Dabei sollten die so genannten „Seed Giants“ keinen Einfluss auf staatliche Züchtungsprogramme haben. Sie würden mit Patenten auf Zucht, Pflanzen und Ernte die Landwirte von ihrem traditionellen Handwerk fern halten. Ein Nationales Züchtungsprogramm könnte heterogene und regionale Sorten für den Ökolandbau und einheimische Futterpflanzen entwickeln. Politische Klarheit erwartet Then über die neuen Züchtungstechniken wie CRISPR/CAS, von denen noch die Einstufung aussteht, ob sie unter das Gentechnikgesetz fallen. Der Markt alleine werde die Ungleichgewichte nicht bereinigen. Then fordert daher ebenfalls eine nationale Züchtungsstrategie Pflanze.
Fazit
Für eine nationale Pflanzenzüchtungsstrategie wie in der Schweiz sprachen sich also alle drei deutschen Experten aus. Im Detail allerdings legen sie jedoch unterschiedliche Schwerpunkte fest, die unter einen Hut gebracht werden wollen.
Roland Krieg