Einsteins Bienen

Landwirtschaft

Das Zitat: Klasse Wirkung – aber echt?

Leser oder Hörer möchte die Presse mit kleinen Aufmerksamkeiten einfangen, um ihnen danach schwerere Kost nahe zu bringen. Zitate eignen sich als Aufhänger immer gut – mehr, wenn sie aus berufenem Munde stammen.
Wer Bienenthemen verfolgt, dem begegnet häufig ein Zitat, dass wegen seiner Aussage die Dringlichkeit in den Vordergrund rückt, Menschen an den sorgsamen Umgang mit seiner Umwelt zu ermahnen, weil er einzig und allein von ihr abhängig ist: Vier Jahre nach Verschwinden der Biene, ist auch der Mensch verschwunden.
Vollständig lautet das identisch vielfach wiedergegebene Zitat: „Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr.“ Von Albert Einstein!?

Aufmerksame Leser
Die Kurzform des Zitats hatte Herd-und-Hof.de einmal für die Einleitung eines Bienentextes verwendet. Bis – ja bis ein Leser vor kurzem einmal nachfragte, ob ich für das Zitat auch nähere Quellenangaben hätte? Er werde nicht fündig. Bauz! Für veröffentlichte Forschungsergebnisse, Gespräche und Tagungsberichte wird penibel die Quelle angegeben und archiviert. Das leichtgängige Zitat allerdings wurde in das allgemeine Hintergrundrauschen zur Thematik übernommen – weil so viele Textquellen, die es wiedergeben, nicht irren können? Oder doch?
So wurden von Herd-und-Hof.de vier internationale Forschungseinrichtungen und ein Verband danach befragt, ob sie das Zitat kennen, schon einmal verwendet haben und eine Quellenangabe hätten?
Nicht alle haben geantwortet, aber das Ergebnis ist eindeutig: Jeder kennt das Zitat, es wird auch schon mal „aus politischen Gründen“
verwendet, aber jeder hat Zweifel, dass es auch von Einstein stammt.
Dabei haben die Autoren der Antworten schon vorher heftig durch unterschiedliche Archivsuchen versucht, dass Zitat „dingfest“ zu machen. Von „weitgehend verschlossenen Archiven“ bis zum aktuellsten Einstein-Zitatebuch gab es keine Quellenangabe, dass der Physiker es einmal gesagt hat.
Die Bienenexperten haben sich jedoch nicht nur mit dem Quellenangabe des Zitats auseinander gesetzt, sondern auch mit dem Inhalt. „Welche Biene ist gemeint? Etwa die Honigbiene? Als Kolumbus Amerika entdeckte, war dieser Erdteil honigbienenfrei und hatte dennoch eine artenreiche Flora und Fauna.“
Zwei wissenschaftliche Arbeiten hatten im vergangenen Jahr gezeigt, dass die Menschen ohne Biene nicht verhungern müssen – aber die Nahrungsvielfalt ärmer wird.
Wer aus welchen Gründen das Zitat Einstein zugeschrieben hat, bleibt also noch offen.

Weitere Ergebnisse
Bei der Suche nach der wahren Quelle des Zitats gab es aber Überraschungen. So findet man bereits die Ankündigung eines Buches, das nach Verlagsangaben voraussichtlich am 21.03.2007 erscheinen wird. Hinter dem Titel „Phänomen Honigbiene“ verbirgt sich die „Faszination“, die von dem „Superorganismus“ ausgeht. „Die hochorganisierte Staatenbildung der Bienen und ihre überragende Bedeutung für die Biodiversität vieler Biotope wie auch für die Erträge der Landwirtschaft macht sie zu einem bedeutenden Gegenstand des Interesses von Experten wie Nichtfachleuten.“ In dem neuen Buch von Prof. Jürgen Tautz der BEEgroup Biozentrum der Universität Würzburg werden die neuesten Erfolgsgeheimnisse des Bienenstaates einem breiten Publikum vorgestellt (Elsevier, ISBN: 3-8274-1845-3, 288 Seiten, 180 farbige Abbildungen, 24,95 Euro).
An der Universität Koblenz-Landau beschäftigt sich die mittlerweile interdisziplinär zusammen gesetzte Arbeitsgruppe um Prof. Herman Stever, Mathematiker und Imker, um die Einflüsse hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf Bienen zu erforschen. Zuletzt wurde das Lernverhalten der Biene (Rückfindeverhalten) durch niederfrequente elektromagnetische Strahlung untersucht. Das Pilotprojekt „Verhaltensänderung unter elektromagnetischer Exposition“ wurde 2005 in das Internet gestellt (http://agbi.uni-landau.de/materialien.htm) und wird demnächst durch die Folgestudie 2006 ersetzt. An dem Projekt arbeiten Biologen und Ökotoxikologen der Umweltwissenschaft mit Mathematikern, Physikern, Statistikern und Psychologen zusammen.

Roland Krieg

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