Energieäcker werden bunt

Landwirtschaft

Wildpflanzen konkurrieren mit Mais um den Biogasfermenter

Der gelb blühende Rainfarn, die schwarze Flockenblume, der große Beifuß und der Steinklee sind angetreten dem Mais im Biogasfermenter Paroli zu bieten. Aus dem Projekt „Lebensraum Brache“ mit seinem blühenden Wiesen aus ein-, zweijährigen Arten und mehrjährigen Stauden haben deutschlandweit Wissenschaftler Mischungen von bis zu 20 Arten zusammengestellt, die nicht mehr nur Bienenweide sind, Feldhasen eine Deckung geben und die Landschaft abwechslungsreicher gestalten – sondern über die Biogasanlage auch einen Methanertrag pro Hektar erzielen, der dem Mais den Rang ablaufen kann.


Gelb blühender Rainfarn, lilafarbene Blüten der Schwarzen Flockenblumen und der graue Beifuß in der Wildpflanzenmischung

Die Bioenergie vom Acker hat dem Land in den letzten Jahren eine Artenarmut beschert und den Begriff der „Maiswüste“ entstehen lassen. Auf der Suche nach Alternativen sind die Wildpflanzenmischungen die jüngste Variante. Doch Pflanzen wie die Wilde Malve wurde bereits in der Antike angebaut und erleben (nur) eine Renaissance.

Zwischenbilanz in Marquardt

Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) koordiniert das Projekt des Bundeslandwirtschaftsministeriums „Energie aus Wildpflanzen“ und machte am Mittwoch Station in der Prüfstelle Marquardt des Bundessortenamtes. Nach der ersten Projektphase der Mischungsentwicklung läuft seit letztem Jahr die Erprobung der besten Bestandsgründung. Marquardt, nördlich von Potsdam gelegen, steht dabei für den sandigen Standort, der unter dem Klimawandel mit weniger Wasser und höheren Temperaturen auskommen muss.
Die Gründe für Wildpflanzenmischungen sind zahlreich: Mais wird in weitem Abstand zwischen und in der Reihe ausgesät, was den Boden der Wind- und Wassererosion aussetzt. Mais wird intensiv gedüngt und mit Pflanzenschutzmitteln geschützt. Weil er selbstverträglich ist, kann er jedes Jahr erneut auf den gleichen Standort ausgebracht werden. Mais wirkt monoton und lässt nur eine geringe Artenvielfalt auf den Feldern zu.
Ganz anders die bunten Wildpflanzenmischungen. Die werden nur einmal ausgesät und können in fünf aufeinanderfolgenden Jahren geerntet werden. Das spart Arbeitsgänge und Kosten. Sie bedecken dabei den Boden ganzjährig und schützen ihn vor Erosion. Sie bieten Bienen, Käfern und Säugetieren einen Lebensraum und dienen der Imagebildung der Landwirtschaft.

Dr. Birgit Vollrath in der Wildpflanzenmischung vor Weißem Steinklee in der linken Bildhälfte

Dennoch besteht nach Dr. Birgit Vollrath von der LWG noch Forschungsbedarf, weil der Maisanbau einen hohen ökonomischen Vorteil besitzt. Deshalb die langjährigen Versuche. Bis die Wildpflanzen auch wirtschaftlich den Mais als Energiepflanze für die Biogasanlage ersetzen kann.

Neues Produktionsverfahren Wildpflanzen

Wenn sich die Bauern auf die Wildpflanzen einlassen, müssen sie die Nutzung als ein neues Anbauverfahren begreifen. Die Wildsaatenmischung verändert im Zeitlauf ihr Gesicht. Im ersten Jahr dominieren noch die Gräser, in den folgenden Jahren setzen sich die Stauden durch. Beim Wechsel geht der Ertrag im zweiten Nutzungsjahr zwar zurück, doch steigt dann im Verhältnis mit den sich durchsetzenden Stauden an.
Wildpflanzen sind nicht leicht mit Mais zu vergleichen. In den Trockenmasseerträgen kommen die Wildpflanzen bis auf 60 Prozent an den Silomais heran. Mais reift in der Regel auf einem Feld gleichmäßig heran. Bei einer Mischung mit rund 20 Arten ist der Erntezeitpunkt wesentlich entscheidender, um den besten Ertrag für alle Arten zu „erwischen“. Versuche am bayerischen Standort Grub haben gezeigt, dass die Ernte in der 28. Kalenderwoche über 300 Normliter Methan aus der organischen Substanz erzielen kann.
Der Erntezeitpunkt liegt außerhalb der Zeiten für die Vogelbrut und Aufzuchtzeiten der Wildtiere. Die Silierung der Wildpflanzen hat durchweg hervorragende Gärqualitäten geliefert.
Das die Erträge hinter dem von Mais hinterherhinken, ist aber nur die halbe Wahrheit. Ökonomische Berechnungen am Standort Unterfranken haben Bereitstellungskosten für Mais in Höhe von 1.573 Euro je Hektar ergeben. Ein Großteil entfällt auf die Bodenvorbereitung, Düngung und den Pflanzenschutz. Wildpflanzen kommen mit weniger als die Hälfte der Kosten aus. Der Pflanzenschutz entfällt ganz. Das Fazit von Dr. Vollrath: Die deutlich geringeren Substratbereitstellungskosten der Wildpflanzen können schon heute auf schwachen Standorten, die zu trocken, zu feucht, zu steinig oder zu steil sind, die geringere Methanausbeute gegenüber dem Mais kompensieren.

Entwicklungspotenzial

Forschung und Saatzucht können die Lücke zum Mais noch weiter schließen und Wildpflanzen auch auf attraktiveren Standorten einen Vorzug geben. Pionier der Wildpflanzenmischungen, Joachim Zeller, konnte bereits von Weiterentwicklungen berichten, die einen Mehrertrag an Biomasse und Methan erzielten und im Bestand eine größere Stabilität aufweisen.
Im letzten Jahr hat es neue Versuche gegeben, die mit einer zusätzlichen Düngung den Ertrag steigern können. Dabei muss der Anteil an Leguminosen in der Mischung berücksichtigt werden, so Dr. Vollrath. Welche Stickstoffmenge förderlich ist, steht noch nicht fest.
Interessant wird der Anbau von Wildpflanzen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Zwar wären die Wildpflanzen für das Greening prädestiniert; doch wenn, dann nur ohne jegliche Düngung. Dann dürften die Landwirte noch nicht einmal die Gärreste auf die Felder zurückbringen. Aber hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, erklärte Joachim Zeller.

Wildpflanzen mit Deckfrucht

In Marquardt liegt derzeit der Fokus auf verschiedene Bestandsbegründungen. So können die Wildpflanzen zunächst als Untersaat in Gerste (Foto) oder Mais eingebracht werden, wobei der Mais aber wegen seines dichten Wuchses eine hohe Beschattung ausübt. Auf den trockenen Standorten in Brandenburg können die Wildpflanzen als Untersaat des Grünroggens im Herbst die Winterfeuchtigkeit mitnehmen und sich besser entwickeln als bei einer Aussaat im trockenen Frühjahr.
Auf einzelnen Parzellen wurden die ein- und zweijährigen Arten probeweise zuerst ausgesät. Gerade die Feinsämereien mit einem Tausendkorngewicht von 0,3 Gramm werden leicht von Wind und Wasser mit dem Erdboden weggetragen. Tiefsaat gibt ihnen Halt. Die anderen Wildpflanzen werden dann in einem zweiten Arbeitsgang flacher ausgesät. Ob sich das wirtschaftlich rechnet, steht noch nicht fest – aber die Bestandsentwicklung ist sichtbar besser.

Demonstrationsfelder

Am Ende müssen die Landwirte von den Vorzügen der Wildpflanzenmischungen überzeugt werden. Dafür hat Bayern an neun Versuchsstandorten Informationszentren mit Demonstrationsfeldern angelegt, erklärte Martin Degenbeck von der LWG. Das überzeugt mehr, als Forschungsberichte. Technisch sind Aussaat und Ernte von Wildpflanzen auch kein Problem mehr. Nach Joachim Zeller können die notwenigen Veränderungen an den Drillmaschinen leicht eingestellt werden. Das größte Problem sei die Politik. Der Wildpflanzenbestand kann länger als fünf Jahre genutzt werden. Aber derzeit ist noch nicht klar, ob dann eine ackerbauliche Nachnutzung der Fläche noch möglich ist. Gilt die bunte Energiepflanzenwiese dann als Dauergrünland und darf nicht mehr umgebrochen werden?
Ansonsten stehen für den regulären Nachbau mit herkömmlichen Ackerpflanzen keine Probleme mit dem Saatgut der Wildpflanzen ins Haus. Nach Dr. Vollrath haben die Stilllegungsflächen der Vergangenheit Vorarbeit geleistet. Auch dort wurde wieder Ackerbau ohne Wildpflanzenauswuchs betrieben. Die Mischungen bestehen alle aus problemfreien Arten. Aber: Die Wildpflanzenwiese muss durch Nutzung gepflegt werden. Geschieht das nicht, dann setzen sich Brennnesseln und Ampfer fest und die Verbuschung beginnt. Hier ist die Gute Fachliche Praxis des Landwirtes gefragt.

Lesestoff:

Informationen zum Forschungsprojekt gibt es unter www.lwg.bayern.de -> Garten- und Landschaftsbau -> Landschaftspflege -> Energie aus Wildpflanzen

Roland Krieg; Fotos: roRo (In Druckqualität auf Anfrage)

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