Energiewende nur bei ambitionierter Politik
Landwirtschaft
Schavan und Röttgen versprechen Energiewende
Am Montag hat das Intergovernmental Panel on Climate
Change (IPCC) den vor drei Jahren von den Regierungen gewünschten “Special
Report on Renewable Energy Sources and Climate Change Mitigation” (SRREN) an
der TU Berlin detailliert vorgestellt. 120 Wissenschaftler haben an dem Bericht
geschrieben, die Texte wurden begutachtet und vier Tage lang von
Regierungsvertretern Satz für Satz abgestimmt, erklärte Prof. Dr. Ottmar
Edenhofer, der an der TU Berlin den Lehrstuhl „Ökonomie des Klimawandels“ inne
hat und in der Arbeitsgruppe III mitarbeitete.Was dort jetzt zum Thema erneuerbare Energien steht,
kann von den Regierungen nicht mehr verändert werden, so Prof. Edenhofer, sie
können es nur mehr zur Kenntnis nehmen und zustimmen.
Der Sonderbericht ist also höchst politikrelevant, ohne
politische Empfehlungen abzugeben. Die Wissenschaftler sehen sich nach
Edenhofer eher als Kartographen, die mehrere Wege vorgeben - doch die Wanderer
müssen sich für einen bestimmten Weg allein entscheiden.
Energiewende, wenn…
Die Regierungen wollten wissen, welche Rolle
erneuerbare Energien bei der Neuausrichtung der Energiewende haben werden.
Aktuell kommt der IPCC mit seinem Bericht zu einem „Nach-Fukushima-Konsens“
gerade rechtzeitig, erklärte Dr. Bernhard Lorenz von der Stiftung Mercator. Er
zeigte sich zuversichtlich, dass in Deutschland die Energiewende noch in dieser
Legislaturperiode umgesetzt werde.
Die Zunahme an Treibhausgasen in der Atmosphäre und der
damit verbundene Temperaturanstieg sind weltweit. Daher muss es auch eine
globale Lösung geben, das Zwei-Grad-Ziel als noch handhabbare Auswirkung nicht
zu überschreiten. Global können in einer optimistischen Prognose 77 Prozent der
Energie aus erneuerbaren Ressourcen gewonnen werden. Doch das setzt nach Prof.
Edenhofer drei Bedingungen voraus:
1) Es ist möglich, wenn die Kosten bei den erneuerbaren
Energien durch einen technischen Fortschritt gesenkt werden. Einige Optionen,
wie die Solarenergie mit Speichertechnik in Südspanien sind schon
wettbewerbsfähig zu fossilen Energieträgern. Meist sind die genauen Kosten aber
noch unbekannt. Es gibt viele gute, einzelne Pilotprojekte, deren Kosten aber
noch nicht berechnet sind, werden sie auf einen industriellen Maßstab
vergrößert.
2) Die erneuerbaren Energie haben eine große Chance,
wenn sie in bestehende Energiesysteme
wie Kohle und Gas integriert werden können. Es tauchen jedoch immer neue
technische Herausforderungen wie Speicherung und Netzausbau auf. Auch hier sind die entstehenden Kosten
für die Integration noch nicht genau bekannt.
3) Und letztlich ist eine ambitionierte Klimapolitik
notwendig, um auf den Anteil von 77 Prozent zu kommen. Dazu müsse Kohlendioxid
einen Preis erhalten, damit die Folgekosten in den Produktionsprozess
internalisiert werden können.
Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, dann bleibt der
Ausbau erneuerbarer Energien „sehr, sehr weit“ hinter dem optimalen Ziel
zurück, so Edenhofer. Die pessimistische Prognose geht nur von einem Anteil in
Höhe von 30 Prozent aus.
Erforderliche Wende
Nach Edenhofer befindet sich die Welt derzeit in einer
Renaissance der Kohle. Weltweit haben die erneuerbaren Energien nur einen
Anteil von knapp 12 Prozent. Zwei Prozent des Energieangebotes stammen aus
Kernkraftwerken. Der Rest liefern Kohle, Gas und Erdöl. Prof. Nach Carlo
Carvaro von der Universität Venedig sind noch ausreichend fossile Energieträger
vorhanden. Deren Ausbeutung sei derzeit nicht limitierend. Begrenzend und für
Eile mahnend ist die noch zu verbleibende Aufnahmekapazität der Atmosphäre für
Treibhausgase. Und die Politik müsse sich daher entscheiden, was sie machen
möchte. „Es ist eine Frage der gesellschaftlichen Entscheidung“, so Edenhofer.
Rund ein Prozent des weltweiten Nationaleinkommens müsse jährlich in die
Energiewende für die optimistische Prognose investiert werden. Das ist
zweieinhalb Mal so viel, wie aktuell.
Konkret für die USA hat das Prof. Geoffrey Heal von der
Columbia University aus New York berechnet: Dort werden für die Energiewende
4,2 Billionen US-Dollar, rund 30 Prozent des Nationaleinkommens, in den
nächsten 40 Jahren notwendig.
Biomasse
Es gibt keinen einzigen Königsweg aus der fossilen
Energieversorgung. Derzeit ist es am leichtesten mit Biomasse eine Alternative
aufzubauen, so Edenhofer. Vier Fünftel der weltweiten erneuerbaren Energien
stammen vom Acker. Für 1,4 Milliarden Menschen bietet sie die einzige Chance,
überhaupt Energie nutzbar zu machen, und weitere 1,3 Milliarden Menschen nutzen
sie bereits traditionell für Ofen und Herd. Doch gerade Biomasse verliert ihren
positive Wirkung, wenn sie den Nahrungsanbau verdrängt und Landnutzung indirekt
verändert. Um die negativen Effekte zu verhindern sind gute Verwaltung, Anbauzoen
und die Wahl der Biomassepflanzen Schlüsselelemente für die Zukunft.
Nach Edenhofer werde ein späterer Sonderbericht
Politiken auf ihre Wirksamkeit hin untersuchen, die Energiewende einzuleiten.
Das deutsche EEG sei ganz vernünftig, aber auch andere Systeme sollten nicht
abgelehnt werden.
Politik nimmt den Ball auf
Für Umweltminister Dr. Norbert Röttgen ist der
Sonderbericht „Weltordnungspolitik“. Der Bericht könne eine Grundlage für einen
demokratischen Entscheidungsprozess in der Energiepolitik sein. Wichtig sei
klar zu machen, dass die Kosten für den Energieumbau nicht nur kurzfristig
gesehen werden können, denn die Auswirkungen des Klimawandels treffen künftig
bereits die heutigen Kinder. Man müsse, so Röttgen, die Endlichkeit der
Ressourcen antizipieren und sich schon heute auf die künftigen Knappheiten
einstellen. Man brauche eine neue Ordnungsform in der Wirtschaft und Politik.
Im Wettbewerb gewinne derjenige, der mit der wenigsten Energie Produkte und
Waren herstellen könne. Aus diesem Grunde müsse das EEG weiter entwickelt
werden. Es stamme aus einer Zeit, in der erneuerbare Energien eine Nische
besetzten mussten. Es war ein Subventionsgesetz. Künftig muss es ein
Marktordnungsgesetz werden. „Das Instrument des Rechts muss die
Rahmenbedingungen für die Politik aufstellen“, so Röttgen.
Auch Forschungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan
will eine Wende: „Wir wollen den Wandel durch Innovationen!“ Sie leitete einen
„kategorischen Imperativ im Umgang mit der Technik“ ab, der die Permanenz des
menschlichen Lebens sicher stellen solle. Schavan sprach von einer
Veränderungsbereitschaft, die in Deutschland einen Anteil der erneuerbaren
Energien zu 80 Prozent möglich mache. Die „mentale Zukunftsfähigkeit der
Gesellschaft“ bestimme sich durch die Bereitschaft, sich zu ändern, neue
Fortschrittsideen im Bereich der Nachhaltigkeit umzusetzen und neue
Lebensmodelle mit neuen Wertschätzungen aufzubauen, so Schavan.
Selbstbeeinflussung Klimawandel
Der Klimawandel hat die Potenz, die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien negativ zu beeinflussen. So könnten die Wachstumsbedingungen für Energiepflanzen schlechter werden, die Bodenfruchtbarkeit sinken und über eine veränderte Niederschlagsmenge und -verteilung die Pflanzenproduktivität leiden. Der Bericht hält aber negative Auswirkungen des Klimawandels auf die Energiewende bis zum Zwei-Grad-Ziel für vernachlässigbar. Regional hingegen könnten sich negative Effekte auswirken.
10-Punkte-Sofortprogramm
Ebenfalls am Montag hat die Eurosolar ein
10-Punkte-Sofortprogramm vorgelegt, womit bis spätestens 2030 die
Energieversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien umgesetzt werden
kann. Herd-und-Hof.de skizziert das Programm in Kurzform:
Stellt jedes Bundesland zwei Prozent seiner Fläche für
die Windkraft zur Verfügung, könnte die Hälfte des Strombedarfs dadurch gedeckt
sein.
Energieallee A7: Entlang der Autobahn sollen
Windkraftanlagen und Solarpaneele an Lärmschutzwänden mit einem
Leuchtturmprojekt 13.500 GWh Strom erzeugen und 2,2 Prozent des Strombedarfes
decken. Mit 7,5 Milliarden Euro wäre das günstiger als Offshore-Anlagen.
„Erneuerbare Stadt“ durch Solararchitektur, Pflicht zu
erneuerbaren Energien.
Smart Grids für dezentrale Energienetze, um die
dezentrale Einspeisung zu fördern.
Eine Million Blockheizkraftwerke.
Ausbau Elektromobilinfrastruktur.
Speicherbonus im EEG.
Weiterentwicklung EEG. Vor allem keine Förderung von
Großprojekten mehr.
Verändertes Gewerbesteuergesetz, damit Kommunen mehr
Geld aus dezentralen Energieanlagen erhalten.
Keine neuen Großkraftwerke für fossile Energien und
Atomausstieg bis 2015.
Lesestoff:
Den Bericht finden Sie auf http://ipcc-wg3.de
Das Sofortprogramm finden Sie unter www.eurosolar.org