Ernte 2008: Mehr Ertrag, höhere Kosten
Landwirtschaft
Normale Ernte entspannt die „Tankdiskussion“
Bis zu 15 Prozent des deutschen Getreides steht noch auf dem Halm. Die Mähdrescher sind noch unterwegs als der Deutsche Bauernverband (DBV) am Donnerstag seinen dritten Erntebericht in Berlin vorstellte. Allerdings hindert die Witterung den Fortgang noch deutlich, weil es zwischen dem Regen nur zwei bis drei Tage Regenpause gibt. Das reicht nicht zum Abtrocknen des Getreides. Eine Woche ohne Regen würde die Bauern glücklich machen.
Keine Rekordernte, aber gutes Ergebnis
Zufrieden sind die Bauern, die ihr Getreide bereits geerntet haben. Mit 47,1 Millionen Tonnen Getreide wird das Vorjahresergebnis um 16,1 Prozent übertroffen, das langjährige Mittel um 7,3 Prozent, fasst Dr. Helmut Born, Generalsekretär des DBV, die vorliegenden Ernteergebnisse zusammen. Es sei zwar keine Rekordernte, aber eine gute.
Die Ergebnisse sind regional recht unterschiedlich. Im Norden und im Westen haben die Bauern in diesem Jahr zulegen können, im mittleren Deutschland und im Osten liegen die Ernteerträge auf Vorjahresniveau, Bayern liegt in diesem Jahr unter seinem Schnitt.
Die recht guten Wetterbedingungen in diesem Jahr haben in ganz Europa die Getreideernte höher ausfallen lassen. 43 Millionen Tonnen mehr fahren die Getreidebauern in die Scheune. Der Gesamtertrag liegt bei rund 300 Millionen Tonnen.
Auch auf den Weltmärkten wiederholen sich die guten Meldungen. Die fünf größten Getreideexporteure Argentinien, Australien, Kanada, EU und die USA und werden in diesem Jahr 43 Millionen Tonnen zusätzlich produzieren. Weitere 15 Millionen Tonnen kommen aus Russland und der Ukraine hinzu.
Zwei Gründe führt Dr. Born für das gute Ergebnis an. Zum einen haben die Bauern durch den Wegfall der Flächenstilllegungen mehr Fläche unter den Pflug genommen, zum anderen haben sie mit einem Mehraufwand an Dünger höhere Erträge erzielt. Das sei ein deutliches Zeichen, dass die Bauern auf die Marktsignale des letzten Jahres, hohe Preise bei knappem Angebot, reagiert haben. In Europa wurde insgesamt auf drei Millionen Hektar mehr Getreide angebaut. Die Erträge stiegen um 16 Prozent, so dass rund 40 Millionen Tonnen für den Export zur Verfügung stehen.
Ungetrübt ist die Freude allerdings nicht, denn die Produktionskosten sind im gleichen Zeitraum gestiegen. Auf seinem Bauerntag hatte der DBV bereits ein Kostenentlastungsprogramm eingefordert. Regional sind die Belastungen vor allem durch den Dieselkraftstoff bereits so groß geworden, dass sich manche Bauern fragen, ob sie die Produktion in gleichem Umfang und in gleicher Intensität künftig noch betreiben wollen, so Dr. Born.
Preisdiskussion
Unvermeidlich ist bei der Vorlage des Ernteberichts die Preisdiskussion. Generell ist es so, dass sich die Bauern über gute Erträge auch zu ärgern wissen, denn volle Scheunen bedeuten auch ein großes Angebot. Die Bäcker haben sich angesichts der fallenden Getreidepreise in dieser Woche bereits gefreut. Was das für die Verbraucherpreise bedeutet, bleibt noch abzuwarten, denn Peter Becker, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Bäckerhandwerks, sagte am Dienstag bereits, dass seine Mitglieder mit den guten Getreidepreisen lediglich die gestiegenen Energiepreise auffangen könnten. Wenn Verbraucher von der guten Ernte sinkende Preise erwarten wollten, muss Dr. Born sie enttäuschen. Die Preissteigerungen werden nur geringer ausfallen.
Eine gute Ernte allein wird also das Gesamtgefüge Teller, Tank und Energie nicht ausbalancieren können. Der Prozess der Inwertsetzung von Lebensmittel findet weiter statt und Mobilität und Konsum verschwinden nicht von der industriegesellschaftlichen „to-do-Liste“. Aber die neue Ernte zeigt, welches Potenzial noch in der Landwirtschaft steckt. Nur braucht die Vegetationsperiode zwischen Saat und Ernte mehr Zeit als mancher Redaktionsschluss.
Getreideernte 2008 und Veränderungen zum Vorjahr 2007 | ||||||
Getreide |
Fläche |
+/- |
Tonnen |
+/- |
dt/ha |
+/- |
Weichweizen |
3.169.200 |
7,3 % |
24.257.172 |
17,5 % |
76,5 |
9,5 % |
Wintergerste |
1.422.500 |
- 0,1 % |
8.989.696 |
8,6 % |
63,2 |
8,8 % |
Sommergerste |
545.000 |
10,6 % |
2.466.166 |
17,2 % |
45,3 |
6,0 % |
Roggen |
737.600 |
9,9 % |
3.426.275 |
27,5 % |
46,5 |
15,6 % |
Triticale |
399.600 |
4,9 % |
2.343.639 |
13,7 % |
58,6 |
6,1 % |
Hafer |
179.800 |
1,1 % |
775.171 |
6,5 % |
43,1 |
5,4 % |
Körnermais |
518.109 |
28,5 % |
4.665.972 |
22,5 % |
90,1 |
- 5,1 % |
Gesamt |
7.049.200 |
7,3 % |
47.195.381 |
16,2 % |
67,0 |
12,1 % |
Q: DBV, ZMP, Statistisches Bundesamt, Landesverbände |
Seit drei Jahren nähert sich weltweit die Produktion wieder dem steigenden Verbrauch an In diesem Jahr wird es auch wieder erste Lagerbestände geben. Für Dr. Born sind das gute Zeichen, dass sich die Nahrungssituation entspannen kann – und das bereits mit einer normalen, keiner Rekordernte.
Winterraps und Futterbau
Getreide wurde auch auf letztjährigen Rapsanbauflächen ausgesät. Um 170.000 ha ging der Anbau von Winterraps zurück. Trotzdem wurde mit 36,5 Dezitonnen je Hektar ein überdurchschnittliches Ergebnis eingefahren, das den Flächenrückgang zur Hälfte kompensieren konnte.
Die Trockenheit im Frühsommer hat den ersten Grünschnitt für die Rinder zwar schmälern lassen, allerdings sind die Grünlandlandwirte mit dem Regen der letzten Zeit naturgemäß besser fertig geworden. Der Aufwuchs für die weiteren Schnitte war gut. Vor allem beim noch zu erntenden Mais wird ein Superergebnis erwartet, so dass sich die Futterkosten bei Rinder- und Schweinehaltern entspannen können.
Zuckerrüben
Für eine Schätzung bei den Zuckerrüben ist es noch zu früh, denn die so genannte „Kampagne“ startet erst im Oktober. Bislang haben sich die Bestände allerdings gut entwickelt und versprechen ordentliche Zuckermengen, schätzt der DBV. Die Zuckermarktordnung greift, die Anbaufläche ging um 31.800 auf 370.900 Hektar zurück. Dafür gewinnen im gleichen Umfang die Ethanolrüben zur Treibstoffherstellung an Bedeutung.
Kartoffeln
Die Nachfrage der Verbraucher konnte mit heimischen Frühkartoffeln in diesem Jahr gut gesichert werden. Allerdings ging auch der Absatz zurück. In diesem Jahr ging die Anbaufläche um 5,9 Prozent auf 260.600 ha zurück. Dabei verzeichneten auch die größten Anbaugebiete den größten Rückgang: Niedersachsen minus 5.800 ha, Bayern minus 2.100 ha und NRW minus 1.800 ha.
Für die gerade zu Ende gegangene Frühkartoffelsaison haben Verbraucher und Landwirte mit einer Qualitätsoffensive gepunktet. Es wurden nur festschalige Frühkartoffeln vermarktet. Die Bauern haben dabei auf Ertragszuwächse verzichtet, sind aber mit festeren Erzeugerpreisen belohnt worden. Zu Jahresfrist lag dieser noch bei 13,68 Euro je dt, jetzt liegt er bei 20,58 Euro. 292.000 Tonnen Frühkartoffeln wurden vermarktet. In den kommenden Wochen beginnt die Herbsternte, wobei eine geringere Vegetation und ein geringerer Knollenansatz die Ernte weniger umfangreich ausfallen lassen wird.
Obst und Gemüse
Frost- und Hagelschäden haben den Obst- und Gemüsebauern regional schwer zu schaffen gemacht. Aus NRW haben die Hagelversicherer mehr Schäden gemeldet bekommen als in den Vorjahren. Wegen der geringeren ernte werden die preise für Obst und Gemüse wohl steigen, schätzt der DBV. Bei Äpfeln wächst mit einer Erntemenge von 945.000 Tonnen etwa 12 Prozent weniger heran als im Vorjahr. Das Minus verteilt sich aber regional unterschiedlich:
Äpfel 2008 | ||
Altes Land |
305.000 t |
Minus 10 % |
Bodensee |
251.000 t |
Minus 16 % |
Ostdeutschland |
220.000 t |
+/- 0 % |
Rheinschiene |
176.000 t |
Minus 20 % |
Q: DBV |
Auf europäischer Ebene wird allerdings die Apfelernte fast 10 Mio. t betragen und um 14 Prozent höher ausfallen als im Vorjahr.Der Frost hat Birnen, Süß- und Sauerkirschen leiden lassen. Gerade Süßkirschen kommen mit 20.000 Tonnen nur auf 60 Prozent der Vorjahresmenge. 154.000 Erdbeeren liegen knapp unter dem Vorjahresniveau. Neben der Witterung ging auch die Fläche leicht zurück.
Bei Gemüse gibt es kaum nennenswertes zu berichten. Zwar haben Starkregen und Hagel vor allem in NRW regional Schaden angerichtet, aber Zwiebeln, Möhren und Salat liegen alle im langjährigen Ertragsmittel. Aktuell überschwemmt Blumenkohl den Markt, ansonsten erzielen alle Kohlsorten gute Erzeugerpreise. Richtig unter Druck stehen derzeit nur die Salatgurken aus dem Unterglasanbau. Die Energiepreise liegen über dem Marktpreis.
Bio: Umstellungschancen
Die zentrale Markt- und Preisberichtstelle hatte bereits eine getrennte Ernteschätzung für Bio-Getreide vorgenommen. 2008 wird die Ernte zwar nicht so gering ausfallen, wie in den beiden Vorjahren, aber dennoch unterdurchschnittlich sein. Die Anbauflächen blieben stabil.
Gerade der Nordosten litt unter der Trockenheit. Dort wachsen rund 40 Prozent des deutschen Bio-Roggens. Auch Lupinen, Erbsen und Hafer verzeichnen Ernteausfälle.
Allerdings sind belastbare Daten schwer zu Sammeln, so Dr. Born zu Herd-und-Hof.de. Die Datenbasis ist gering.
Gerade der Ökolandbau ist sehr witterungsabhängig und die Bauern können durch Düngung keinen Minderwuchs mehr kompensieren. Es gibt aber genug Regionen, die gute Ernteergebnisse erzielen. Daher sei es erfreulich, dass die Ökobauern auch in diesem Jahr bei 50 Euro je Dezitonne mit stabilen Preisen rechnen können.
Das sind gute Umstellungssignale, die nur durch die steigende Nachfrage zu erklären sind. Unsichere Preiserwartungen sind ein Grund, warum zu wenig Bauern auf die ökologische Produktion umstellen.
roRo; Fotos: roRo