Ernte 2022 und Ausblick 2023

Landwirtschaft

Ein weiteres schwieriges Jahr für die Landwirte

In der Zeit der regionalen Erntebilanzen zog auch Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), die erste Bilanz für ganz Deutschland und blickte mit den regional sehr heterogenen  Ertragsergebnissen wirtschaftlich schon auf das kommende Jahr. Unabhängig von Mähdrescheralltag und Silofahren:  „Die Folgen des Ukrainekrieges bleiben“, sagte er.

Rahmenbedingungen

Grundsätzlich wird es kaum eine Entspannung auf den Beschaffungsmärkten für Energie und Düngemittel geben. Für Rukwied brauchen „die Bauern in der Tendenz steigende Erlöse, um wirtschaftlich zu bleiben.“ Die verarbeitende Industrie wie Molkereien und Zuckerfabriken sind auf eine prioritäre Gasversorgung angewiesen. Landwirte, die keinen Zugang zu organischen Düngemitteln haben, müssen sich Mineraldünger kaufen, für dessen Herstellung die Fabriken ebenfalls sehr viel Energie, meist in Form von Erdgas, nutzen.

Unter diesen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mussten die Landwirte auch witterungsabhängig sehr heterogene Einflüsse hinnehmen. Bis ins zeitige Frühjahr war die Entwicklung in fast allen Landesteilen zufriedenstellend. Ab März aber teilte sich die Republik in zwei Teile. In einigen Regionen, wie in Ostdeutschland fiel kaum noch Niederschlag, während es in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen genug Niederschlag für Getreide, Raps und Rüben gab. Schon der letzte Vegetationsbericht der europäischen Gemeinschaftsforschung (JRC) hat die regionale Betroffenheit der Landwirtschaft durch Hitze und Dürre aufgezeigt [1]. Der diesen Montag vorgestellte aktuelle Bericht weist europaweit den Sommerkulturen wie Mais, Sonnenblumen und Sojabohnen bis zu zehn Prozent Ertragsrückgang zu. Deutschland, Kroatien, Rumänien, die Slowakei und Ungarn gehören demnach zu den am meisten betroffenen Regionen. In den meisten Ländern wurde die Entnahme aus Oberflächengewässern eingeschränkt bis ganz verboten. Die natürlichen Wasserspeicher in Spanien verzeichnen einen rekordverdächtigen Niedrigstand. Neben der Trockenheit leiden die Sommerkulturen unter der starken Hitze. Das JRC hat die europäische Getreideernte mit durchschnittlich 52,8 Dezitonnen pro Hektar (dt/ha) noch einmal vom gegenüber dem Vormonatsstand von 53,8 dt/ha zurücknehmen müssen. Gegenüber dem Fünf-Jahresschnitt sind das 3,9 Prozent weniger.

Die in Südwesteuropa deutlich wärmeren Temperaturen und Anzahl heißer Tage nahmen bis Mitte August weiter zu und betreffen auch ganz Deutschland. Bis auf das Baltikum und Nordskandinavien gibt es in der EU keine ausgeglichene klimatische Wasserbilanz. Und das wird sich trotz eines Tiefs nordwestlich der Britischen Inseln bis Ende August auch nicht ändern.

Beispiele: NRW und Sachsen-Anhalt

In Nordrhein-Westfalen gab es genug Niederschlag und die trockenen Bedingungen zur Ernte haben einen zügigen Ablauf ermöglicht. Bis diese Woche haben die Landwirte mit 3,93 Millionen Tonnen Getreide rund elf Prozent mehr als 2021 eingefahren. Die durchschnittlichen Erträge bei Winterweizen liegen bei 87 dt/ha (Plus 12,2 Prozent gegenüber 2021), bei Sommerweizen bei 60 dt/ha (plus 22 Prozent), bei Sommergerste bei 59 dt/ha (plus 20 Prozent und bei Hafer bei 75 dt/ha (plus 24 Prozent). Sorgen hingegen hat die Landwirtschaftskammer bei den noch folgenden Kulturen wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben, die unter der Dürre leiden. Bei Mais wurde vereinzelt bereits eine Noternte eingeleitet.

Ganz anders sieht es in Sachsen-Anhalt aus. Die Erträge von Winterweizen fielen mit 64 dt/ha weniger schlecht als befürchtet aus. Im Vergleich zum Dürrejahr 2018 liegen sie rund 5 dt/ha drüber – allerdings werden auf den sehr guten Bördeböden bei normaler Witterung mehr als 89 dt/ha geerntet. Auch die Wintergerste ist mit durchschnittlich 74 dt/ha gut durch Hitze und Trockenheit gekommen. Meist fehle es aber der Qualität des Getreides, teilt der Landesbauernverband am Dienstag mit. Die nur kümmerlich ausgeprägten Schmachtkörner wirken bei den langfristig abgeschlossenen Lieferverträgen preisreduzierend. Wenn dann die Preise noch stark schwanken schlage sich das auf die Geschäftszahlen nieder. Bei den Leguminosen wie Erbsen und Ackerbohnen hat die Dürre zu Lücken in den Beständen geführt, die von Unkräutern, wie die Quecke geschlossen wurden. Dann steigen die Erntekosten, weil sich der Bestand schlechter ernte lasse und wirtschaftlich ein höherer Fremdbesatz im Erntegut vorhanden ist.

Gesamtbilanz

Für die vorläufige Gesamtbilanz des DBV liegen folgende Zahlen vor:

Winterweizen ist nach wie vor die bedeutendste Getreideart im deutschen Ackerbau mit einer Fläche von rund 2,9 Millionen Hektar. Im Bundesdurchschnitt wurde ein Ertrag von 7,5 Tonnen pro Hektar erzielt. Auf Basis der aktualisierten Anbaufläche ergibt sich eine Erntemenge von 21,8 Millionen Tonnen (Vorjahr: 21,0 Millionen Tonnen). Das ist nach wie vor aber deutlich weniger als im Mittel der Jahre 2014-2021 mit einer durchschnittlichen Erntemenge von knapp 24 Millionen Tonnen.

Der Anbau von Wintergerste erfolgte auf einer Fläche von rund 1,21 Millionen Hektar. Der Ertrag liegt im Bundesdurchschnitt bei 7,7 Tonnen pro Hektar, damit schneidet die Wintergerste besser ab als im langjährigen Mittel (7,2 t pro Hektar). In Summe wurden in 2022 ca. 9,3 Millionen Tonnen geerntet, was einer Steigerung von 5 Prozent oder etwa 475.000 Tonnen zum vergangenen Jahr entspricht.

Der Winterroggen fällt mit 590.000 Hektar Fläche unter das Niveau des Vorjahres. Auch die Erntemenge ging auf rund 3,16 Millionen Tonnen zurück.

Der Anbau von Sommergetreide wurde ausgeweitet: bei Sommerweizen auf gut 510.000 Hektar, bei Sommergerste auf rund 370.000 Hektar. Auf Grund des Flächenzuwachses sind die Erntemengen deutlich gestiegen: beim Sommerweizen auf 282.000 Tonnen und bei Sommergerste auf gut 2 Millionen Tonnen.

Die wichtigste Ölpflanze im deutschen Anbau ist Winterraps. Zur Ernte 2022 wurde Raps auf einer Fläche von 1.082 Millionen Hektar angebaut, was einem Anstieg von knapp 9 Prozent entspricht. Die Rapserträge liegen mit 3,7 Tonnen pro Hektar leicht über dem Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2021 (3,6 Tonnen pro Hektar). Insgesamt wurden 4 Millionen Tonnen geerntet.

Ökogetreide

Auf den Ökobetrieben wurde Getreide bei einer leichten Steigerung der Anbaufläche von 11.000 Hektar auf 370.000 Hektar geerntet. Bislang liegt die Ernteschätzung mit 1,2 Millionen Tonnen Ökogetreide auf Vorjahresniveau, sagte Rukwied. Am Ende der Wertschöpfungskette zeigt sich aber bei den Konsumenten wegen der hohen Inflation und Energieausgaben eine Kaufzurückhaltung. Nach Rukwied schwächt sich die Umstellungsrate auf den Ökolandbau ab. Auch die konventionellen Landwirte spüren einen Rückgang bei ihrer Direktvermarktung.

Futterbau

Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) hatte jüngst den witterungsbedingten Rückgang der Maisernte bereits auf 600.000 Tonnen beziffert. Das sind rund15 Prozent der ursprünglichen Ernteprognose. Zusätzlich sind in den Trockenregionen ein bis zwei Grasschnitte ausgefallen. Die tierhaltenden Betriebe müssen dort bereits auf ihr Winterfutter zurückgreifen. Wegen der großräumigen Trockenheit wären Futterzukäufe nur über hohe Transportkosten zu realisieren und Rukwied bezeichnet die Nachfrage als groß. Tierhalter werden sich mangels Futter mit einem Abbau ihres Tierbestandes auseinander setzen müssen.

Blick auf die Geschäftszahlen

Die genauen wirtschaftlichen Auswirkungen der Gesamtsituation 2022 liegen erst nach Auswertung der Buchführungsergebnisse im Dezember 2022 vor. Doch so unterschiedlich wie das Wetter die Ertragsergebnisse gestaltet hat, so unterschiedlich verteilen sich auch Gewinn und Verlust. In den Trockenregionen werden Betriebe mit roten Zahlen rechnen müssen, während die Betriebe in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zufrieden sein dürften.

Doch das Geschäftsergebnis resultiert nicht allein aus dem Ernteergebnis. Mehr denn je ist das Management gefragt. Landwirte kontrahieren einen Teil ihrer Ernte im Voraus. Im vergangenen Herbst konnten Landwirte ihr Getreide 2022 mit 220 Euro pro Tonne aufrufen und dachten an ein gutes Geschäft. Im Frühjahr aber lagen die Terminpreise schon bei 320 Euro. Mit umgekehrtem Vorzeichen verlief der Düngereinkauf. Kalkammonsalpeter kostete die letzten Jahre durchschnittlich 140 Euro pro Tonne. Landwirten, denen die auf 350 Euro pro Tonne im Herbst 2021 zu teuer waren und auf sinkende Preise setzten, mussten im Frühjahr dieses Jahres 920 Euro pro Tonne bezahlen. Aktuell raten Berater dazu, den Düngereinkauf gegen böse Überraschungen mit Getreidekontrakten 2022/2023 abzusichern.

Wandel

Die Mischung aus Klima und Politik setzt die Landwirte erheblich unter Druck. Im Rahmen der Klimaanpassung rücken nach Rukwied wasserschonende Bearbeitungsmethoden wie Mulch- und Direktsaat in den Vordergrund. Landwirte nutzen vermehrt Sorten, die mit Hitze und Trockenheit besser zurechtkommen.

Wie es wirtschaftlich mit den Betrieben weitergeht steht noch auf einem anderen Blatt. Die jährlich zehn Prozent aufgebenden Schweinehalter sind nach Rukwied wirtschaftlich am Ende sind. Bei einer Umsetzung der EU-Ziele, bis 2030 auf die Hälfte der Pflanzenschutzmittel zu verzichten und in Schutzgebieten völlig zu verbieten, werde die Landwirtschaft vor neuen ungeahnten Herausforderungen stellen. Für die gewohnte Ernährungssicherheit in Deutschland wollte Rukwied keine Aussage über das erste Quartal 2023 hinaus treffen.

Er betonte jedoch, dass der Schritt in der Strategie „Farm-to-Fork“ richtig sei – aber realistisch umgesetzt werden müsse.

Lesestoff:

[1] Wird so künftig jeder Sommer? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/hitze-und-duerre-und-die-attributionsforschung.html

Roland Krieg

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