Ernteabschluss, E10 und Betriebskosten

Landwirtschaft

Ernteabschlussgespräch des Deutschen Bauernverbandes

Bis auf einige Spätdruschgebiete ist die Getreideernte 2012 eingefahren und übertrifft die Erwartungen, die wegen der Wetterkapriolen noch zum Erntestart geäußert wurden. „Wir haben eine ordentliche Ernte eingefahren“, erklärte Bauernpräsident Joachim Rukwied zum Ernteabschluss in Berlin. 43,8 Millionen Tonnen liegen in den Lägern und übertreffen das Vorjahresergebnis um 1,9 Millionen Tonnen. Auch EU-weit liegt die Ernte 2012 auf „dem guten Mittel der Vorjahre“. Rukwied: „Die Versorgung ist bei uns gesichert.“

Bäuerlicher Alltag

Der Bauernverband unterstreicht noch einmal die besonderen Bedingungen, unter denen die Bauern arbeiten. Aussaat, Pflege und Ernte unterliegen schwankenden Wetterbedingungen, von denen es auch in diesem Jahr einige gab: Der Februar überraschte mit Frösten bis zu minus 25 Grad Celsius. Wo die Schneedecke fehlte, froren die Pflanzen ab. Rund 500.000 Hektar Wintergetreide mussten mit Sommerungen neu ausgesät werden. Im Frühjahr fehlte regional ein Drittel des üblichen Niederschlages und der Erntestart war so verregnet, dass Erinnerungen an das letzte Jahr wach wurden. Thüringen kämpft auf 40.000 Hektar mit einer Mäuseplage. Doch nach zwei Wochen Regen haben zwei Wochen Sonnenschein und Badewetter die Ernte doch noch zu einem guten Ergebnis heranreifen lassen. „Das Wetter bestimmt trotz Einsatzes von moderner Technik und modernem Know-how immer noch den Ernteverlauf“, so Rukwied.

Einen Aufschwung hat der Roggenanbau erfahren, der traditionell auf den Sandstandorten in Ostdeutschland seine Domäne hat. Die Fläche wurde um 16 Prozent ausgeweitet und bei einer deutlichen Ertragssteigerung wurden fast 45 Prozent mehr Roggen geerntet als im letzten Jahr.
Auch mit dem Rapsanbau ist Rukwied zufrieden. Mit 4,4 Millionen Tonnen wurde eine um 15 Prozent höhere Ernte als im Vorjahr eingefahren. Für zufriedene Ackerbauern „muss die 4 vor dem Komma stehen“, so Rukwied.
Regional zeigen die Erträge hohe Streubreiten. Weizen wurde mit vier bis elf Tonnen je Hektar eingefahren, der Gerstenertrag schwankt zwischen vier und 9,5 Tonnen und Raps wurde mit 1,5 bis 4,6 Tonnen je Hektar geerntet.

Obst und Gemüse

Sonderkulturen zeigen in diesem Jahr hohe witterungsbedingte Schwankungen. Nach der normalen Obsternte im letzten Jahr liegen die Erträge in diesem Jahr unter dem Durchschnitt. Es werden rund 20.000 Tonnen weniger Äpfel als im letzten Jahr (953.000 Tonnen) erwartet. Blütenfrost und Hagel haben vor allem bei Birnen (- 19 %), Kirschen (Sauerkirschen minus 24, Süßkirschen minus 30 Prozent) und Pflaumen (ohne Steigerung zur schlechten Vorjahresernte mit 49.000 Tonnen) zugeschlagen.

Hopfen, Tabak und Wein

Die feucht-warme Witterung hat dem Hopfen gut getan. Die Rekordernte aus dem Vorjahr mit 38.000 Tonnen wird wegen der Reduzierung der Anbaufläche um sechs Prozent wohl nicht mehr erreicht. Knapp 30.000 Tonnen Hopfen sollen es 2012 aber noch werden. In vollem Gang ist die Tabakernte, die trotz regionaler Sturmschäden das Vorjahresergebnis von 5.000 Tonnen erreicht. Für die Weinprognose ist es noch zu früh. Joachim Rukwied, der zu Hause auch einen Weinberg bewirtschaftet, blickt jedoch auf ordentliche Bestände mit gut entwickelten Trauben. Die nächsten vier bis fünf Wochen werden zeigen, wie hochklassig der Jahrgang 2012 wird.

Preise

Die Ackerbauern dürfen sich auf hohe Preise freuen, die der Verband der Mühlen in der letzten Woche schon beklagt hat [1]. So verschieden werden die Preise eingeschätzt. Rund 230 Euro erzielt der Weizen, 480 Euro je Tonne der Raps. Aber selbst die Ackerbauern sehen die hohen Preise nur geteilter Freude, denn Energie und Betriebsmittel wie Dünger und Pflanzenschutz sind ebenfalls in die Höhe geschnellt, so dass von dem Erlös nicht so viel übrig bleibt, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Betroffen sind Abnehmer wie die Mühlen oder die Tierproduzenten, die auf teure Futtermittelpreise zurückgreifen müssen. Wenn dann, wie derzeit bei Milch und Schwein die Erzeugerpreise im Keller landen, ist das Ertragsgefüge aus dem Gleichgewicht geraten. Rukwied appelliert an die Unternehmen in Wertschöpfungsketten zu denken und nicht nur an seinen eigenen Vorteil. Langfristig können Tierhalter die Mehrkosten nicht mehr alleine tragen, warnt Rukwied.
Und trotzdem bedeutet die Marktsituation nicht, dass die Lebensmittelpreise „durch die Decke gehen“. Nahrungsmittel bleiben in Deutschland noch immer preiswert [2].

E10

Für Rukwied ist die Diskussion um E10 als Vertreter für die Bioenergie „unverständlich“. Es ist vor allem eine „Diskussion, die sich nicht an die Fakten hält“, beschwert sich der Bauernpräsident. Beim Anbau gelte „Food First. Das wird auch in Zukunft so sein!“.
Derzeit werden von den 12 Millionen Hektar Ackerland lediglich 2,1 Millionen für die Energieproduktion genutzt. Im Detail sind das 243.000 Hektar für Bioethanol, 913.000 für Biodiesel und 962.000 Hektar für Biogas. Zwei Drittel des angebauten Mais landet nach wie vor im Futtertrog. Es gebe allerdings einen „Justierungsbedarf im EEG“, das derzeit erneut in der Novellierung ist. So sollten Biogasanlagen mit über 700 kWH nicht mehr gefördert werden dürfen, erkläre Rukwied.
E10 wird vor allem aus Zuckerrüben gewonnen, bei dessen Herstelllung auch ein eiweißreiches Futtermittel erzeugt werde. Im Vergleich zu Soja substituiere ein Hektar Zuckerrüben 1,3 Hektar Soja [3].
Die Diskussion um E10 ist ja auch nur eine stellvertretende für die gesamte Bioenergie. Dazu gehören die stoffliche Nutzung der Biomasse, die oftmals in Auswirkungen noch unterschätzt wird und die Einordnung zum Flächenverbrauch, zur Bodendegradation und zu Ernteverlusten. Die Fläche, auf denen heute Energiemais wächst entspricht dem Flächenumfang, der in den letzten 20 Jahren in Deutschland durch Siedlung und Verkehr aus der Produktion genommen wurde. Duch sorglosen Umgang mit Böden verliert die Menschheit jährlich 12 Millionen Hektar Ackerland, was der deutschen Anbaufläche entspricht. Auch ist es kein Geheimnis, dass rund ein Drittel der Ernte beim Ernten und durch falsche Lagerung verloren geht, bevor sie auf den Tellern landet.
Joachim Rukwied erläuterte gegenüber Herd-und-Hof.de seine Sicht auf diesen Gesamtkomplex: Auf einen Ersatz für Biotreibstoffe durch Elektromobilität müsse man noch eine Weile warten. Solange werden die Bauern Lebensmittel und Energie produzieren können. Im Rückblick haben die europäischen Bauern Überschüsse produziert und bis zu 15 Prozent ihrer Flächen stilllegen müssen, ohne das die Nutzungsdiskussion um Lebensmittel aufgekommen sei. Die Aufgabe, Teller, Tank und Trog zu füllen könne durch steigende Produktivität erreicht werden, um mit nachhaltiger Produktion auch ohne weiteren Flächenbedarf und weiterer Degradation von Böden auszukommen. „Die Landwirtschaft innovativ über Forschung nach vorne bringen“, lautet Rukwieds Credo.

„Keine Hungerkrise“

Zu den Bildern verdorrter Maisfeldern in den USA differenziert Bauernpräsident Rukwied die Perspektiven, vergleichbar mit FAO-Generalsekretär Graciano da Silva [4]. Die unmittelbaren Folgen der kleineren Ernte sind zunächst einmal sinkende Lagerbestände und steigende Preise bei Getreide. „Keinesfalls aber mehr Hunger“, so Rukwied. Mit Blick auf die bessere Reisernte unterscheide sich die Situation von heute gegenüber der Krise vor fünf Jahren.

Fakten gegen Schreckensszenarien

Der Vielzahl an Ernteprognosen und die damit verbundenen Korrekturen im Verlauf der Ernte sowie die mediale Wucht verdorrter Maisfelder, Sachlichkeit entgegen zu setzen, ist nicht einfach. Es fehlt nach wie vor eine ausreichende Faktensammlung. DBV-Generalsekretär Dr. Helmut Born wies am Rande der Veranstaltung Herd-und-Hof.de auf die Notwendigkeit präziser Zahlen über Anbauflächen, Erträge und Lagerbestände hin. Der Bonner Agrarökonom Joachim von Braun hatte vor zwei Jahren bereits eine „virtuelle Getreidereserve“ vorgeschlagen, mit der Preisspitzen geglättet werden könnten.
Dabei geht es nach Dr. Born weniger um physische Läger, sondern um die Erfassung der weltweiten Erntemengen für eine bessere Lageeinschätzung. Unabhängig vom US-Landwirtschaftsministerium hat der zurückliegende G20-Gipfel mit dem Aufbau des Agrar-Markt-Informationssystem AMIS das Fundament gegen diese Form der „Spekulation“ gelegt.

Deutschland global konkurrenzfähig?

Hohe Preise für Betriebsmittel treffen nicht nur die deutschen Betriebe. Die Brasilianer reagieren und bauen ihre Feedlots mit Getreidefütterung nicht mehr aus, sondern mästen ihre Rinder auf der großen Fläche. Mit diesen günstigen Produktionsbedingungen kann Deutschland nicht mithalten. Ist damit die Strategie, deutsche Betriebe global wettbewerbsfähig zu machen, am Ende?
Nein, sagt Dr. Born. Zwar weichen die Brasilianer bei der Rindermast auf die günstige Weide aus, aber dadurch erhöhe sich wiederum die Pacht, so dass im Prinzip der kommunizierenden Röhren die Feedlots wieder attraktiv werden.

Lesestoff:

[1] Brotgetreide knapp und teuer

[2] Vier Minuten Arbeit für ein Päckchen Butter

[3] Ethanolrüben auf Rübenstandorten

[4] E10-Diskussion da Silva und Niebel und Gegenreden

Roland Krieg (Text und Fotos)

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