Erntebilanz 2016

Landwirtschaft

Wetter, Markt und Politik vermiesen den Bauern das Jahr 2016

Warm und sonnig. So zeigt sich das Wetter in Berlin zur Pressekonferenz des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Die Bilanz der Ernte 2016 soll gezogen werden. Doch was den Bauern auf den Feldern dräut, wird auch den meisten Menschen am kommenden Wochenende den Sommer erneut vermiesen: Das nächste Tief aus Nordwesten mit dem Namen Hildegunde zieht heran. Die Schauer verregnen Balkonien und die Bauern müssen erneut die Mähdrescher in die Scheune fahren.

Witterung sorgte für schlechte Pflanzenentwicklung

Joachim Rukwied

Waren die Ernteaussichten noch bis Mai sehr gut, habe ein Tief nach dem anderen und manches Unwetter den Vegetationsverlauf negativ beeinflusst, blickt DBV-Präsident Joachim Rukwied auf die letzten Monate zurück. Der DBV liegt mit seiner Schätzung sogar noch leicht unter dem Raiffeisenverband  [1]. Der DBV geht von 43,5 Millionen Tonnen Getreide aus. Das sind 5,3 Millionen Tonnen und elf Prozent weniger al im Vorjahr.

In den staunassen Böden ging den Pflanzen der Sauerstoff aus und die Wurzelentwicklung blieb zurück. Daher konnten die Pflanzen nicht so viele Nährstoffe wie üblich aufnehmen. Gerade in der Kornbildungsphase ab Mai fehlten den Pflanzen die Sonnenstunden. An den Küsten, in den Mittelgebirgen und auf der Schwäbischen Alb stehen noch 30 bis 45 Prozent der Weizenbestände. Jede weitere Verzögerung bei der Ernte verringert den Landwirten den Ertrag. Allerdings streuen die Erträge erheblich. Die einen fahren eine gute oder durchschnittliche Ernte ein, andere erzielen auf 80er Böden gerade einmal fünf statt acht Tonnen Getreide vom Hektar. Brandenburg hätte sich das eine oder andere Tief mehr gewünscht, weil es erneut zu trocken war.

In den nächsten Wochen bleibt das Wetter entscheidend. Der Mais bildet seine Kolben aus und die Rübe bildet Zucker.

Getreide 2016
Getreide 2016

Pflanzenschutzmittel

Rukwied nutzte die Erntepressekonferenz für einen dankbaren Blick auf die Pflanzenschutzmittel. Ohne die, hätte es weit weniger Erträge, wenn überhaupt gegeben. Falls Landwirte witterungsbedingt nur zwei Tage zu spät für das Ausbringen von Wirkstoffen das Feld wieder befahren konnten, war die Infektion von Pilzen bereits weit vorangeschritten. Wo sie nicht mehr hinkamen, vernichtete die Kraut- und Knollenfäule den Restbestand an Kartoffeln. Ähnliches erleben die Winzer gerade mit Falschem Mehltau und die Obstbauern mit der Kirschessigfliege. Kein Pflanzenschutz – keine Ernte. Rukwied erinnerte an die Schrecken der längst vergessenen Vergangenheit, wo  Kalamitäten zu Missernten und Auswanderungen führten.

Wolfgang Vogel

Die Landwirte brauchen ein breites Spektrum an Wirkstoffen, um über einen Mittelwechsel Resistenzen vorzubeugen.  Das gilt auch für Raps. Der Wegfall der Neonicotinoide für die Beizung erfordert nach Wolfgang Vogel einen mehrfachen Einsatz von Insektiziden im ganzen Bestand und mehr Saatgut für eine höhere Bestandsdichte. DBV-Vizepräsident Wolfgang Vogel sieht den Rapsanbau in Deutschland sogar bedroht. Der Raps liefert mit 3,5 bis 4,0 Millionen Tonnen Rapsschrot eine wertvolle Proteinquelle für die Nutztiere, die Überseeimporte ersetzen kann. Der Wegfall dieser gentechnikfreien Futterquelle erhöhe das Risiko unbekannter Importe. Das Witterungsjahr 2016 zeige aber auch, so Vogel, das Deutschland niemals sein ganzes Futter selbst erzeugen kann. Die Erträge bei Futtererbsen zwischen sechs und 60 dt/ha.

Das Thema betrifft auch den Ökolandbau. Seine Feldkulturen sind den Witterungsbedingungen und den damit einhergehenden Pflanzenkrankheiten durch ein deutlich schmaleres Mittelspektrum noch mehr ausgesetzt. Rukwied unterstützt daher die Bemühungen, den Einsatz von Kupfer gegen Pilze auf europäisches Niveau anzuheben. Erst der Großversuch in Rheinland-Pfalz, Phosphonate für den Weinbau einzusetzen, habe im Witterungsjahr 2016 überhaupt erst eine Rebenentwicklung zugelassen.

Für alle Kulturen und alle Pflanzenschutzmittel gilt das Wort von Wolfgang Vogel für den Raps: „Wie brauchen einen gesunden und effektiven Weg für einen ausreichenden Anbau.“

Der Markt

Gute Ernte, niedrige Preise, schlechte Ernte, gute Preise. Das gilt in diesem Jahr nicht. Die schlechte Ernte trifft auf schlechte Preise. Der Welterntebericht des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums geht im vierten Jahr hintereinander von einer guten Ernte aus [2]. Von Getreide und Mais werden mehr als zwei Milliarden Tonnen erwartet. Das wird preislich auch die französische Missernte in diesem Jahr ausgleichen und kaum für eine Preisrallye an der Börse sorgen. Rukwied widerspricht gegenüber Herd-und-Hof.de auch der Prognose, dass die zusätzlichen deutschen Exportchancen bei Frankreichs Kunden für höhere Preise sorgen könnten. Zudem versuchen Betriebe mit einem zügigen Verkauf neuerntiger Ware Liquiditätslücken zu schließen. Mit der Herbstbestellung stehen Rechnungen für Diesel, Saatgut, Düngung und zum Jahresende auch Pachtzahlungen an. Die Betriebe sitzen in der Falle: Mangels Liquidität, müssen sie zu ungünstigen Preisen verkaufen und können im Falle steigender Preise im Frühjahr 2017 an den Boni nicht mehr teilhaben – sie und rutschen weiter in den Liquiditätsengpass. „Das wird unser schwierigstes Jahr in der Landwirtschaft“, resümiert Vogel.

Keine Entspannung gibt es weiterhin bei der Milch. Neue 100 Millionen hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt versprochen, wenn die Bundesländer 40 Prozent davon selbst tragen [A]. Rukwied appellierte in Berlin an die Länder, ihren Teil dazu beizutragen. Doch was noch mehr Geld auf viele Betriebe verteilt an Erfolg bringt, bleibt unklar. Beim Konzept für eine nachhaltige Milchpolitik ist die Branche keinen Zentimeter weiter gekommen. Im Gegenteil. Rukwied verlangt von den Genossenschaften jetzt schon ohne verbrüdernde Einleitung einen klaren Wechsel in den Lieferbeziehungen mit den Milchbauern. Nur präzisere Lieferbedingungen bringen die Erzeuger weiter. „Wir sind nicht mit den Antworten zufrieden: Wir machen künftig alles wie in der Vergangenheit.“ Der Zyklus könne nur durch die Genossenschaften marktwirksam durchbrochen werden.

Landwirtschaftsminister Helmut Brunner /re. im Bild) mit seinem Amtskollegen Robert Habeck aus Schleswig-Holstein

Die Milchbauern werden auch keine bezahlte Mengenreduktion durchführen. Wer seine Menge reduziert, verliere bei den Banken im Rating durch sinkenden Umsatz. Kopfschütteln beim DBV hat das Treffen von Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner /re. im Bild) mit seinem Amtskollegen Robert Habeck aus Schleswig-Holstein am Donnerstag hervorgerufen. Beide Agrarminister haben sich für den Erhalt der bäuerlichen Strukturen ausgesprochen. Sie sind „eine stabilisierender Teil des sozialen Gefüges“ in der Gesellschaft. Beiden sind die bisherigen 150 Millionen Hilfsgelder viel zu wenig, um Milchbetriebe zu erhalten und setzen auf eine freiwillige Mengenreduzierung. Rukwied erinnerte daran, dass die Grünen-Politikerin Künast und CSU-Seehofer in der Nachfolge den Ausstieg aus der Milchquote beschlossen haben. Das Treffen Habeck (Grüne) und Brunners (CSU) wertet Rukwied eher als Signal für eine schwarz-grüne Koalition im nächsten Jahr. Den Landwirten werde in einem freien Markt eine freiwillige Mengenreduzierung nicht helfen. Im Gegenteil: „Das wird uns richtig treffen!“.

Ausblick

Der Strukturwandel hatte sich in den letzten Jahren bei unter zwei Prozent auf stabilem Niveau beruhigt. Rukwied berichtete von aktuellen Zahlen, die jetzt bei fünf und mehr Prozent liegen. Gerade die Betriebe, die in der Generationenfolge stehen finden keine Nachfolger mehr und scheiden aus. Die Langzeiteffekte der jahrelangen Preiskrise liegen noch immer nicht offen und werden sich auch im nächsten Jahr weiter entwickeln.

Lesestoff:

Alle Zahlen zur ernte 2016 und den Blick auf Wein-, Obst- und Gemüseernte finden Sie unter www.bauernverband.de

[1] Sechste Ernteschätzung des DRV

[2] WASDE-Report August 2016

Roland Krieg; Grafik: DBV, Fotos: roRo; Nicolas Armer/StMELF

[A] BMEL-Sprechererklärung am 22.08.2016: Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat zu Rukwieds Aussage  "Bereitsstellung neuer 100 Millionen Euro" folgende Sprechererklärung veröffentlicht: "Das Bundesministerium bestätigte solche Pläne vorerst nicht. Sollten sich Überlegungen über weitere Programme zur Stützung der Landwirtschaft konkretisieren, werde der Minister nach erfolgten Gesprächen mit allen Beteiligten darüber informieren, sagte ein Sprecher auf Anfrage in Berlin."

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