Eröffnung Fruit Logistica
Landwirtschaft
Fruchthandel im Umbruch
Mexiko beteiligt sich seit 1995 an der Fruit Logistica, dem internationalen Branchentreff der Obst und Gemüseexperten. Seit 2001 ist das Land, das in diesem Jahr seine 200jährige Unabhängigkeit feiert, permanent mit einem Länderstand vertreten. Für Mexiko hat sich die Messepräsenz ausbezahlt, denn alleine zwischen 2007 und 2008 ist der Frischfruchtexport in die EU um 16 Prozent gewachsen. Nahmen zunächst nur acht Aussteller die Gelegenheit wahr, sich in Berlin zu präsentieren, so warten am Messestand heute 30 Händler. Die Verkaufszahlen aus der Messebeteiligung ist von acht auf 50 Millionen US-Dollar angestiegen – was auch an den zahlreichen Freihandelsabkommen liegen kann, die Mexiko abgeschlossen hat. Eines mit dern EU gehört dazu. Der Agrarsektor ist ein bedeutender Wirtschaftsbereich und Mexiko rangiert weltweit auf Platz 10. Auf mehr als 1,3 Millionen Hektar werden 88 verschiedene Sorten Obst angebaut. Hinzu kommen 104 Sorten Gemüse auf 550.000 Hektar und rund 18.000 Hektar Zierpflanzen.
Gute Basisdaten
Weltweit werden mehr als 800 Millionen Tonnen Gemüse und 700 Millionen Tonnen Obst produziert. Lediglich zehn Prozent gelangen in den globalen Handel. Bei Obst nehmen die fünf Sorten Äpfel, Trauben, Orangen, Melonen und Bananen 60 Prozent des Gesamtproduktionsvolumens ein. Gemüse ist vielfältiger aufgestellt. Tomaten, Kopfkohl und Gurken nehmen als Hauptprodukte lediglich 30 Prozent des Gesamtvolumens ein.
Die gute Witterung hat in Deutschland die Obsternte im letzten Jahr mit einem Plus von zehn Prozent abschließen lassen. 1,4 Millionen Tonnen wurden geerntet. Gemüse hat mit einem Plus von fünf Prozent das Rekordernteergebnis aus dem Vorjahr noch einmal übertroffen: 3,7 Millionen Tonnen.
Der Branche haben Obst und Gemüse im Jahr 2008 nach Schätzungen der AMI rund 19 Milliarden Euro Umsatz beschert. Doch der Konsum stagniert. Die aktuellen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist der Obstkonsum leicht von 83,5 auf 82,4 Kilo pro Person und Jahr zurückgegangen. Der Gemüsekonsum ging von 63,5 auf 63,2 Kilo zurück. Und das, obwohl Kampagnen wie „5 am Tag“ den Verzehr von Obst und Gemüse steigern wollen.
O+G: Gleiche Probleme wie bei der Milch
Thomas Bittel, Vize-Präsident des deutschen Fruchthandelsverbandes, vergleicht die Obst und Gemüse-Branche mit dem Milchmarkt. Weder Erzeuger noch Großhandel hätten eine Struktur, die den Händlern ausreichend Gegenmacht bieten könne. Die Zukunft der Branche liege in der Kunst, dem Verbraucher den einen Apfel aus der Vielzahl der Äpfel schmackhaft zu machen.
„Der neue Bösewicht“, so Walter Pötter von Lidl am Nachmittag auf dem Frischeforum, ist der „Neun-Cent-Salat“, den der Discounter nur einmal vor einem Wochenende angeboten habe. Genau das aber beklagt Bittel, denn dem Verbraucher sei das Preisgefühl vollständig abhanden gekommen. Die Produktionskosten für einen Kopf Salat liegen nach Angaben von Henning Schmidt von Landgard bei 15 bis 19 Cent. Für diesen Preis wäre der Salat auch gekauft worden, so Schmidt.
Miesmacher Pflanzenschutzrückstände
Gerade im Rahmen der gesunden Ernährung steht der Verzehr von Obst und Gemüse an erster Stelle. Die Deutschen haben bei 250 statt 600 Gramm am Tag noch Nachholbedarf. So habe Deutschland mit der zögerlichen Umsetzung des EU-Schulfruchtprogramms eine große Chance vertan, etwas für die Gesundheit und die Branche zu tun. Nach Bittel fügen auch reißerische Darstellungen über Pflanzenschutzmittelreste Obst und Gemüse Schaden zu. Es habe zu keiner Zeit Ware gegeben, die weniger belastet ist als heute.
Pünktlich zu Beginn der Fruit Logistica hat Greenpeace Wintersalate als „Risikoprodukte“ eingestuft. Von 36 zufälligen Stichproben wiesen drei eine Überschreitung der Höchstmengen auf. Der Industrieverband Agrar wehrte sich am Nachmittag gegen die „reißerische“ Darstellung. Geschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler sagte, dass eine Überschreitung der Werte nicht vorkommen dürfe, aber deshalb gleich von dem Verzehr von Salat abzuraten, sei überzogen.
In der Tat hat Greenpeace Verbrauchern und der Branche keinen Gefallen getan. In den nächsten Tagen werden die Verbraucher sich an die Pestizidsalate erinnern und nicht mehr an den „Neun-Cent-Salat“. Der komplizierte Zusammenhang zwischen Billigsalat und Billigangebot sowie Industrieproduktion, den die Branche auf der Fruit Logistica aufzugreifen gewillt ist, wurde verdrängt.
Roland Krieg; Fotos: roRo; Logo: Messe Berlin