Erosion des Gentechnikgesetzes
Landwirtschaft
Bundesrat ruft den Vermittlungsausschuss an
> Mit einem Kniff wurde das Gentechnikgesetz Ende Oktober beschlossen: Der Bundesrat musste nicht zustimmen, was er in der politisch farblichen Zusammensetzung auch nicht getan hätte (Herd-und-Hof vom 28.10.2004). Kürzlich mussten am geplanten Standortregister Abstriche gemacht werde, dass die Feldfluren, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, nicht mehr detailliert aufgelistet werden dürfen (Herd-und-Hof.de vom 21.03.2005). Am Freitag rief der Bundesrat den Vermittlungsausschuss an, um die Freisetzungsrichtlinie zu kippen ? dieser Teil ist durch dieses Gremium zustimmungspflichtig und kann dazu dienen, alles bisherige, erneut in Frage zu stellen. Streitpunkt Haftungsregeln
Wer gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, die in die gentechnisch freie Landwirtschaft gelangen, muss für den Schaden aufkommen. Die Haftung ist zur Zeit gesamtschuldnerisch. Die Bundesländer wollen über den Vermittlungsausschuss erreichen, dass Bauern nur Entschädigungen bezahlen müssen, wenn sie sich nicht an die Gesetze gehalten haben. Es soll einen Fond geben, in den neben Konzernen und Bauern auch die Bundesregierung einzahlt. Bundesländer, die in der grünen Gentechnik einen Wachstumsmarkt sehen positionieren sich gegen das Bundesministerium (BMVEL). Sachsen-Anhalt hat gegen das Gesetz in Karlsruhe bereits Klage eingereicht. Auf der anderen Seite sehen die Ökoverbände, die vertraglich gentechnikfreie Ware liefern müssen, eine Gefahr durch Verunreinigungen. Hier könnten ganze Märkte wegbrechen.
Reaktionen
Nordrhein-Westfalen sieht in der europäischen Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG die nun in nationales Gesetz hätte umgesetzt werden sollen, klare Regelungen zu Haftung und zur Koexistenz. Umweltministerin Bärbel Höhn: ?Die CDU will vor allem die Haftungsregeln ändern und Schäden durch Verunreinigungen nicht vom Verursacher, sondern aus Steuermitteln von der Allgemeinheit bezahlen lassen. Damit müssten die Menschen in Deutschland etwas bezahlen, das sie mehrheitlich ablehnen. Das kann ebenso wenig sein, wie der von der CDU befürwortete freie Verkauf nicht getesteter Gentechnikprodukte. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, sich gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel entscheiden zu können.?
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hingegen begrüßte die Anrufung des Vermittlungsausschusses und sieht Verbesserungen des Gesetzes hinsichtlich Anwendbarkeit und Praktikabilität. Der DBV fordert ?vordringlich die Haftungsregeln zu revidieren und damit Chancen für Investitionen und Arbeitsplätze in Forschung und Praxis zu schaffen. Nach Überzeugung des DBV wird die wichtige Koexistenzfrage nur durch eine verschuldensabhängige Haftungsregelung erreicht.? Der Verband ist auch gegen die Länderregister über den Anbau von GVO. Ein Bundesregister sei ausreichend.
Thomas Dosch vom Bundesvorstand Bioland kritisiert die Entscheidung des Bundesrates mit scharfen Worten: ?Die vorgeschlagenen Änderungen kämen einem Freifahrtschein für GVO-Anbau gleich: Aushebelung bestehender Haftungsregelungen, Einschränkung des Melderegisters für GVO-Anbau, Freigabe des GVO-Anbaus ohne verbindliche Regelung der ?Guten fachlichen Praxis?, Streichung des Sachkundenachweises für den Anbau und eine weitgehende Verhinderung des Ausgleichsanspruches von GVO-freier Landwirtschaft. Damit wäre zwar den Interessen von Agro-Industrie und Gentechnik-Lobby Rechnung getragen, Bekenntnisse zur Koexistenz und Wahlfreiheit für Verbraucher und Landwirte wären jedoch nur reine Heuchelei.?
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) äußerte sich bereits einen Tag vorher zum absehbaren Ablauf: Felix Prinz zu Löwenstein, Bundesvorsitzender des BÖLW bezeichnete den Vorschlag als ?praxisfern, dass künftig nur noch dann Schäden einklagbar sein sollen, wenn der GVO-Verunreinigungen in einer Ernte von über 0,9 Prozent nachgewiesen werden. Faktisch geben die Verarbeitungs- und Handlesunternehmern wesentlich niedrigere Grenzwerte beim Einkauf vor. Sie können auch nicht anders, da sie mit Verunreinigungen rechnen müssen, die bei Transport und Verarbeitung auftreten und so einen eigenen Puffer brauchen. Nur dadurch bleibt es möglich dem Verbraucherwunsch nach kennzeichnungsfreien Produkten zu bedienen.? Der BÖLW würde es begrüßen, wenn die ?Mehrkosten, die der gentechnikfreien Ernährungswirtschaft durch die jetzt nötigen GVO-Analysen entstehen, auf den Verursacher umgelegt werden können?, so Löwenstein.
Die Bundesministerin selbst sieht in diesem zweiten zustimmungspflichtigen Gentechnikgesetz ?Sicherheit, Wahlfreiheit und Transparenz?, weswegen sie von einer Blockadepolitik der CDU-regierten Ländern spricht. Nicht zuletzt der Import von nicht zugelassenem gentechnisch veränderten Bt10 ? Mais (Herd-und-Hof.de vom 14.04.2005) aus den USA habe gezeigt, wie wichtig es sei, in der Gentechnik strenge Regelungen zu treffen und diese auch umzusetzen, so Renate Künast.
VLE