Erster Erntebericht
Landwirtschaft
Niederschläge bremsen Erntefortgang
Als Bauernpräsident Joachim Rukwied in Brandenburg die neue Erntesaison eröffnete, war das einer der letzten Tage mit durchgängigem Sonnenschein. Landesbauernpräsident Udo Folgart warnte schon nach alter Bauernregel, dass der Siebenschläfer-Tag dem Juli und August noch viel Regen bringen kann – und scheint Recht zu behalten [1].
Der erste Erntebericht des Deutschen Bauernverbandes steht daher unter dem Vorzeichen des schlechten Wetters: „Die unbeständige Witterung mit immer wiederkehrenden teils starken Niederschlägen heban die Erntearbeiten zurzeit unterbrochen“. Die Flächen sind oftmals nicht mehr befahrbar und in Sachsen und Brandenburg hat es Hagelschläge gegeben. Für den Fortgang der Ernte sind mehrere trockene Tage dringend notwendig. ist aber erst ab kommenden Wochende in Sicht. Die durchschnittliche Ernteerwartung könnte durch abgeknickte Ähren, durch Lagergetreide und Qualitätsverluste bei Weizen zusätzlich geschmälert werden.
Von den Getreidekulturen ist jetzt die Wintergerste erntereif. Die Erntefläche fällt in diesem Jahr aufgrund der Auswinterungsschäden gegenüber dem Vorjahr acht Prozent kleiner aus und liegt noch bei gut einer Million Hektar. Nennenswerte Flächenanteile konnten bisher lediglich in Baden, Bayern und in den östlichen Bundesländern geerntet werden. In den westlichen Regionen, vor allem im Rheinland und in Rheinland-Pfalz sind die Gerstenbestände vielfach reif, können jedoch aufgrund immer wieder auftretender Regenfälle nicht geerntet werden. Die wenigen Ernteergebnisse lassen zurzeit noch keine gesicherte Ernteeinschätzung zu, bestätigen jedoch die Prognose einer unterdurchschnittlichen Ernte auf dem niedrigen Vorjahresniveau. Die Erzeugerpreise bewegen sich derzeit im Bereich von 210 bis 230 Euro pro Tonne.
Die bedeutendste Getreidekultur in Deutschland ist der Winterweizen. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre wurde in Deutschland auf 3,1 Millionen Hektar Winterweizen angebaut. Die Anbaufläche zur diesjährigen Ernte liegt mit knapp 2,9 Millionen Hektar gegenüber der Herbstaussaatfläche wegen der Auswinterungsverluste um 12 Prozent reduziert. Vor allem Hessen und Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Ost-Deutschland sind betroffen. Da Winterweizen später als Wintergerste geerntet wird und die Ernte durch die kühle und feuchte Witterung der vergangenen Wochen ohnehin verzögert ist, konnte Winterweizen bisher noch nicht geerntet werden.
Auch die Rapsernte hat noch nicht begonnen. Die Anbaufläche liegt mit 1,3 Millionen Hektar in etwa auf dem recht niedrigen Vorjahresniveau (langjähriger Durchschnitt 1,43 Millionen Hektar). Hintergrund dieser erneut kleineren Rapsanbaufläche sind weniger Verluste durch Auswinterungen, sondern die zu nassen Aussaatbedingungen im vergangenen Herbst. Da hiervon die wichtigen deutschen Rapsanbaugebiete Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein besonders stark betroffen waren, konnte Winterraps nicht im gewünschten Ausmaß gedrillt werden. Der DBV erwartet eine Ernte leicht über dem Vorjahresergebnis.
Auch die Ernte der deutschen Frühkartoffeln ist durch die kühle und feuchte Witterung ins Stocken geraten. Auch ist die Abreife der Kartoffeln aufgrund der recht kühlen Temperaturen und der wenigen Sonnenstunden verzögert. Trotzdem sind die Versorgung des Lebensmitteleinzelhandels mit heimischen Kartoffeln sichergestellt und die Preise stabil. Die deutschen Verbraucher können sich über deutsche Ware in guter Qualität freuen.
Kornfüllungsphase
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) hat in dieser Woche dennoch seine Erntevorschätzung leicht nach oben korrigiert. Dier Niederschlag hat vor allem die Kornfüllung und Ertragsbildung beim Weizen, der noch nicht zur Ernte ansteht, begünstigt. In der Kornfüllung reichert sich die Stärke im Korn an und der Gehalt an Trockensubstanz steigt. Die Stärke wird zum Teil aus den noch grünen Pflanzenteilen neu gebildet, und zum Teil aus wasserlöslichen Kohlenhydraten aus Stängel, Spindel und Lieschen verlagert. Die Länge der Kornfüllungsphase ist von der Temperatur und dem Sättigungsdefizit der Luftfeuchtigkeit abhängig. Eine lange Vegetationsphase, ein hoher Photosyntheseindex und warme Witterung erhöhen die im Korn eingelagerten Reservekohlenhydrate. Bis vor kurzem hat das Wetter in Deutschland die Kornfüllung beim Weizen begünstigt.
Ernteschätzung 2012
Der DRV prognostiziert zwar ein leichtes Plus, doch mit 42,8 Millionen Tonnen Getreide läge das Ernteergebnis nur drei Prozent über der enttäuschenden Ernte des letzten Jahres. Das fünfjährige Mittel liegt bei 45 Millionen Tonnen. Die Frühdruschgebiete am Oberrhein haben nach der Wintergerste auch schon den ersten Weizen geerntet. Die Qualitäten sind jedoch sehr heterogen, so der DRV.
Die Ernteerwartungen für den Winterraps wurden ebenfalls im Vergleich zum Vormonat nur leicht nach oben angepasst. Hier geht der DRV bei einem bundesweiten Durchschnittsertrag von 35,8 dt/ha von einer Gesamternte in Höhe von 4,7 Mio. t aus. Dies wären knapp 0,9 Mio. t oder rund 23 Prozent mehr als im Vorjahr, in dem allerdings mit gut 3,8 Mio. t eine historisch niedrige Ernte eingefahren wurde.
Aussagen über die Marktsituation sind kaum möglich, da die Preisentwicklung erheblich von den Wettermeldungen abhängt.
Brandenburg
Der Landesbauernverband Brandenburg vermeldet, dass in den letzten Tagen stellenweise bis zu 75 Liter Niederschlag pro Hektar in einer Stunde gefallen sind. Felder stehen unter Wasser und Rinder mussten von der Weide evakuiert werden. Gemüsefelder im Spreewald sind abgesoffen. Sturm vor rund zehn Tagen hat ebenfalls etliche Felder verwüstet. Eine erste Schadenserhebung liegt jedoch noch nicht vor.
Niedersachsen
Nicht nur die Auswinterung, sondern auch die Frühjahrstrockenheit hat im Getreide vielerorts zu Ertragsdepressionen geführt. Die feuchte Witterung der vergangenen Wochen dagegen kam dem Getreide entgegen. Jürgen Hirschfeld, Vorsitzender im Ausschuss Pflanzliche Erzeugnisse beim Landvolk, rechnet in den eher lückigen Beständen erneut mit einem hohen Tausendkorngewicht. Zwiewuchs und die weiter unbeständigen Wetterprognosen ließen eine „lange und verzettelte Ernte“ erwarten, meinte der Praktiker.
Nordrhein-Westfalen
Angesichts des Wetters sagt Friedhelm Decker, Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV): „Die Nerven liegen blank. April-Wetter im Juli – das können wir nicht gebrauchen!“ Zwischen Kleve und Bonn sind erst ein Drittel der Gerste eingefahren. Der Rest droht in den Dreck zu fallen. Durch den Niederschlag knicken die Ähren einfach ab, „dann sind auch schnell mehr als 30 Prozent des erwarteten Ertrags weg.“
Die Bauern brauchen einige trockene Tage für einen zügigen Fortgang der Ernte und für die gleichmäßige Abreife von Weizen und Raps. Auch Decker schaut auf den Siebenschläfertag am 27. Juni zurück: „Wie das Wetter am Siebenschläfertag sich verhält, ist es sieben Wochen lang bestellt.“ Da schauerte es mit Gewitter. Decker wünscht sich „Freibadwetter“, damit die Bauern arbeiten können.
Rheinland-Pfalz
Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken in Rheinland-Pfalz erinnerte an die Wetterkapriolen des letzten Jahres, die sich nun scheinbar wiederholen. Spätfröste, längere Niederschlagsperioden und Trockenheit seien auch ein Signal des Klimawandels. „Hinzu kämen Schäden durch Rübenmotte und Lauchminiermotte, die sich durch die Klimaerwärmung ausbreiten und den Landwirten zu schaffen machen“, sagte Höfken diese Woche. Das gelte auch für den Wald: Die Bäume leiden inzwischen weniger an der Luftverschmutzung als unter den Witterungsextremen.“
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