Es gibt kaum Bio-Energiewirte
Landwirtschaft
Biogas im Ökolandbau bleibt umstritten
Nur knapp ein Prozent der bundesweit 7.500 Biogasanlagen stehen auf Biobetrieben. Dabei gehört die Ökolandwirtschaft mit zu den Pionieren. Die ersten Anlagen entstanden schon in den 1950er Jahren im kleinen Maßstab und verwerteten Reststoffe und Koppelprodukte.
Ökostrom aus Bio-Biogasanlagen
Heute ist das anders und wurde am Dienstag unter dem
Thema „Agrogas – Fluch oder Segen“ auf dem Themenabend der Fördergemeinschaft Ökologischer
Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) diskutiert. Das Öko-Gut Kerkow im Norden
Brandenburgs hat eine Anlage mit 625 kW elektrischer und 700 kW thermischer
Leistung und produziert 15,6 Millionen kWh Strom im Jahr. Dafür müssen 18.960
Tonnen Substrat zugeführt werden. Das Gut speist nach Martin Becker,
Geschäftsführer der Gutseigenen Energie GmbH, 7.000 Tonnen Festmist und 730
Tonnen Gülle ein, die vor allem von den extensiv gehaltenen Fleischrindern und
aus dem Milchviehstall kommen. 2.800 Tonnen Klee kommen hinzu und
konventioneller Mais. Was fehlt wird von insgesamt vier Betrieben geliefert,
die im Austausch Gärreste als Dünger für ihre Flächen zurückerhalten.
Für Becker ist die 2005 in Betrieb gegangene Anlage
sinnvoll. Biogas liefert regelbaren Speicherstom für die Zeit ohne Sonne und Wind.
Das Gut bekommt noch die Einspeisevergütung in Höhe von 21 Cent aus der
EEG-Verordnung 2004/2009. Unter dem aktuellen EEG würde er den Bau nicht mehr
befürworten.
Sinnvolle Betriebsergänzung
Grundsätzlich ist die Biogasanlage eine ergänzende Nutzung für betriebliche Nährstoffkreisläufe. Neben Reststoffen und Koppelprodukten kann der Ökolandwirt Kleegras verwenden, das für die Bodenverbesserung angebaut wird. Die Biogasanlage kann die Leguminosen sogar noch veredeln, denn die Nutzung verringert die Lachgasemissionen des Klees und die Stickstoffauswaschung, die auch im Ökolandbau vorkommt, erklärte Bastian Olzem, Referatsleiter Politik beim Fachverband Biogas. Für viehlose Betriebe können die Gärreste auch den Stickstoffschwund aufhalten und über eine Bodenverbesserung Ernte und Qualität der Nutzpflanzen erhöhen.
Externe und interne Bedrohungen
Das sich Biogas auf den Ökobetrieben nicht hat
durchsetzen können hat zahlreiche Gründe, die Agrarexperte Martin Hofstetter
von Greenpeace aufführte.
Zum einen hat der Boom im Biogasanbau eine Kulisse der
Energiepflanzen aufgebaut, die mit ihrer Monotonie nicht dem ökologische
Selbstverständnis entsprechen und durch ihren Anbau eine ernsthafte
Flächenkonkurrenz darstellen. Schon alleine deshalb spricht die Branche lieber
vom „Agrogas“, um es von der „Bio“-Wirtschaft sprachlich zu trennen.
Offenbar passt der Fermenter mit Methanbakterien aber
auch nicht in die internen Prozesse. Sinnvoll sei die Verwendung von Reststoffen
und Gülle. Aber viele Betriebe wirtschaften viehlos. Die Biobetriebe wollen
Lebensmittel produzieren. Eine eigene Flächennutzung für nachwachsende
Rohstoffe passt da gar nicht in die Kulturplanung. Die Betriebe stehen heute
eher vor dem Problem, sich gegen Bio-Importe wehren zu müssen. Der Anbau von
Energiepflanzen würde das Prinzip der Urproduktion von Lebensmitteln infrage
stellen.
Hofstetter spricht sich für Wind und Sonne als
regenerative Energieträger aus. Sie produzieren 25 und 50 Gramm Kohlendioxid je
erzeugter Kilowattstunde. Biogas aus Ackerfrüchten wird mit einem
Emissionsaufwand von 250 Gramm verrechnet – veränderte Landnutzungseffekte noch
nicht einmal berücksichtigt, so Hofstetter. Ihm sind vor dabei vor allem die
Grünlandumbrüche ein Dorn im Auge, auf denen jetzt Energiepflanzen angebaut
werden.
Hat Bio-Biogas eine Zukunft?
Für Bastian Olzem kann die künftige Substratgewinnung
Ökologie und Ökonomie auch für den Biobereich vereinen. Olzem verweist auf die
vielen Substratalternativen von Hirsen, Roggen-Wicken-Gemengen und
Wildpflanzen, die dem Mais Paroli bieten können und auch Biodiversitätsziele
verwirklichen können. Es hänge viel von
den politischen Rahmenbedingungen ab. So hat der Güllebonus, der bis zur
Novelle 2012 im EEG verankert war, den Boom von Biogasanlagen in viehdichten
Regionen ausgelöst. Umgekehrt wird Kleegras nur als Zwischenfrucht im EEG
akzeptiert, was die ökologische Bereitstellung von Substraten eingrenzt. Olzem
hofft auf Korrekturen in der bevorstehenden Novelle des EEG diesen Herbst.
Die Folgen für den Ökolandbau werden auch durch die
Größe der Anlagen entschieden. Derzeit entstehen in Ostdeutschland
Biogasanlagen ab 2,5 MW, deren Betreiber händeringend Substratfläche suchen,
beschreibt Carlo Horn, Fachberater beim Anbauverband Naturland. Laufen die
Pachtverträge aus, klopfen die Investoren an der Tür und setzten den Bauern die
Pistole auf die Brust: Substrat liefern oder kein neuer Pachtvertrag. Die
Biobetriebe können mit ihrer eigenen Produktion gar nicht mehr wachsen. Ob das
aber eine Ursache des Biogasbooms oder verfehlter Boden- und Investitionspolitik
ist, blieb offen.
Aber: Auch das Gut Kerkow ist sich nicht sicher. Die
Rahmenbedingungen werden entscheiden, welche Substrate über welche
Transportstrecken noch wirtschaftlich sein werden. Möglicherweise hat im
Biobereich die hofeigene Anlage größere Chancen als der Bio-Energiewirt als
überregionaler Energieversorger. Größere Anlagen sind auch bei ausschließender
Festmist- oder Gülleverwertung ein Einstieg in die große Tierhaltung, fürchtet
Hofstetter.
Die Biogasanlage rüttelt mehr am Selbstverständnis der
Branche als auf den ersten Blick ersichtlich. Daher ist die energetische Biomassenutzung
im ökologisch orientierten Familienbetrieb engeren Grenzen ausgesetzt als die
konventionelle.
Lesestoff:
Zu dem Thema gibt es eine Reihe von wissenschaftlichen Forschungen. Hier eine kleine Auswahl:
Helbig S., Auswirkungen der Einbindung einer Biogasanlage in ein ökologisches Betriebssystem http://orgprints.org/9608 (Unter anderem Nährstoffbilanzen)
Blumenstein B., Energie vom extensiven Grünland – Alternative Bioenergiesysteme im Öko-Landbau http://orgprints.org/17699 (u.a. Biogas als eigenständiges Produktionsverfahren)
Hrbek, R, Nachhaltige Fruchtfolgesysteme für den biologischen Energiepflanzenanbau in Österreich http://orgprints.org/9395
Anspach V, Wirtschaftlichkeit der Biogaserzeugung im ökologischen Landbau, Ergebnisse einer empirischen Untersuchung www.gewisola.de/files/Schriften_der_GEWISOLA_Bd_43_2008.pdf S. 571 (Reststoffe vs. Energiepflanzen im Ökolandbau)
Möller K; Effects of different manuring systems with and without biogas digestion on soil mineral nitrogen content and on gaseous nitrogen losses, European Journal of Agronomy 2008, 30 (1), 1-16
Wildpflanzen konkurrieren mit Mais um den Biofermenter
Grundsteinlegung der Biogasanlage auf Gut Kerkow
Roland Krieg