EU-Agrarabgeordnete grillen Phil Hogan
Landwirtschaft
Versetzt Mercosur der europäischen Landwirtschaft den Todesstoß?
Phil Hogan ist bislang von Irland nicht als Kommissar vorgeschlagen werden. Der amtierende Agrar-Chef in Brüssel könnte über die 99.000 Tonnen Rindfleisch stolpern, die von der Kommission im Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur als Einfuhrquote zugesprochen wurden. Dem Vorschlag müssen das Europaparlament und der Ministerrat noch zustimmen. Für den Ministerrat hat Frankreich bereits schwere Verhandlungen angekündigt. Bereits Anfang Juli erteilten sowohl der französische Umweltminister Francois de Rugy und Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye einer Ratifizierung eine Abfuhr. Rugy verlangt Schutz für den brasilianischen Regenwald, Ndiaye für die französischen Rinderzüchter.
Am Dienstag trafen sich EU-Agrarkommissar Phil Hogan und der Agrarausschuss mit alten und neuen AGRI-Mitgliedern zu einem ersten Meinungsaustausch unter dem neuen Vorsitzenden Norbert Lins von der EVD. Der deutsche Christdemokrat erlebte eine turbulente Sitzung zwischen einem Mercosur-Befürworter und vielen Mercosur-Gegnern.
Federführung sehen der Europagrüne Martin Häusling und der Europalinke Luke Mike Flanagan aus Irland in dem Abkommen ein Ende der europäischen Landwirtschaft. Von Ethanol über Zucker bis zu Rindfleisch und Geflügel verlören die europäischen Ackerbauern und Nutztierhalter den Wettbewerb. Gegenüber Südamerika müssten sie aufwendige Umwelt- und Tierwohlstandards einhalten. Selbst Generalsekretär Pekka Pesonen vom Bündnis europäischer Bauern und Genossenschaften (Copa Cocega) fürchtet um den Fortbestand der familienbäuerlichen Betriebe in der EU.
Der französische Sozialdemokrat Eric Andrieu warf Hogan vor, nicht die Umweltauswirkungen der brasilianischen Landwirtschaft im Mato Grosso zu kennen. Der Region, in der Mitglieder des Agri im letzten Jahr unterwegs waren. Stellvertretend für die osteuropäischen Rinderzüchter in Kleinbetrieben äußerte sich die rumänische Abgeordnete Carmen Avram von der S&D-Fraktion. Seit 20 Jahren verhandele die EU, habe aber nie eine Folgeabschätzung über das Abkommen beauftragt. Die finnische Abgeordnete Elsi Katainen von Renew Europe (Liberale) bezweifelt, dass die versprochenen einen Milliarde Euro zur Abfederung negativer Handelseffekte an die Landwirte vorhanden sind: Soll das Geld aus dem Agrarbudget oder aus der Krisenreserve kommen? Nach Jaroslaw Kalinowski von der polnischen EVP haben die Rinderpreise alleine nach Bekanntgabe des Abkommens um 15 bis 20 Prozent nachgegeben. Marlene Mortler von der CSU teilte bei ihrer ersten Sitzung ebenfalls die Bedenken an dem Abkommen. „Wir fordern höhere Standards bei unseren Nutzviehhaltern, aber nicht in internationalen Abkommen“, warf sie dem Kommissar vor. Er habe das Wohl der europäischen Landwirte aus den Augen verloren.
Hogan wurde regelrecht gegrillt und wird keine Unterstützung durch das Europaparlament erhalten. Ein Nachfolger wird sich fragen, ob er diese Schuhe tragen möchte. Hogan ist dennoch unaufhörlich bemüht, die Erfolge zu vermitteln, die im allgemeinen Wehklagen des Agrarbereiches zu hören sind. Mercosur positiv zu gestalten, war seit 20 Jahren eine Herausforderung. Hogan erinnerte, dass 2014 noch eine Rindfleisch-Quote von 172.000 Tonnen vorgesehen war. Es werde zu viel aus der Defensive heraus argumentiert. Marktöffnungen in Südkorea und China haben bei Schweinefleisch neue Absatzmärkte geschaffen, während sie woanders wegbrachen. Es sei für Das Mercosur-Abkommen Zeit genug, neue Exportmärkte für Rindfleisch in Höhe der brasilianischen Quote zu finden Der Agrarbereich sei bei den Verhandlungen unter hohen Druck geraten. Mercosur verspricht auf anderen Märkten, durch Wegfall von Zöllen einen Zugewinn von 4,5 Milliarden Euro. Alleine drei Milliarden entfielen auf den Bereich Dienstleistungen, von denen nach Hogan vor allem die großen Mercosur-Kritiker Deutschland, Frankreich und Spanien profitierten. Die Unterhöhlung von Standards sei durch Kontrollen ausgeschlossen.
Willkommen im Maschinenraum
Für einige Abgeordnete im Agri war es die erste Sitzung. Der litauische Sozialdemokrat Juozas Olekas forderte eine Erhöhung der Direktzahlungen für die baltischen Länder. Durch Hogan erfuhr er, dass die Kohärenzregeln bei der Planung des Mehrjährigen Finanzplans und nicht in der Agrarkommission gestaltet werden. Die für die Grünen gewählte österreichische Abgeordnete Sarah Wiener nahm neben Martin Häusling Platz und meldete sich in der zweiten Fragerunde zu Wort. „Ich bin hier wegen der Klimakrise rein gespült worden“, formulierte sie ihren Auftrag in Brüssel und zeigte sich enttäuscht von ihrer ersten Sitzung. Es gehe zu viel um „Klein-Klein“ und um Zahlungsmodalitäten. Wiener hat zu Beginn ihres ersten politischen Mandats noch das große Rad vom Straßenkampf im Kopf: Filteranlagen gegen Feinstaub und Emissionen im Stallbau übertünchten die Notwendigkeit, dass im Stall selbst eine Agrarwende stattfinden müsste. Die mache die Filteranlagen überflüssig. Die Star-Köchin wird in den nächsten Sitzungen eine steile Lernkurve hinlegen müssen.
Roland Krieg; Foto: roRo