EU-Agrarrat in Luxemburg
Landwirtschaft
EU-Agrarrat in Luxemburg
Fischerei
Der Agrarrat von Montag hatte die Fischerei als erstes auf dem Programm, so dass er offiziell als „Agrifish“ in die Bücher eingeht. Diesbezüglich ging es zunächst um Daten aus der Fischerei. Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) ist ohne Daten kaum möglich. Sie dienen der Ermittlung der Bestände, den Auswirkungen der Fischerei auf die Ökosysteme und der Ausrichtung der GFP. Dazu wurde 2000 ein Rechtsrahmen für die Datenerhebung festgelegt und 2008 novelliert. Eine Anpassung ist durch die neue Fangpolitik der EU notwendig geworden. Die Bestände in den EU-Gewässern sollen bis 2020 auf den maximalen nachhaltigen Höchstertrag umgestellt werden, der den Beständen eine Chance zur Regenerierung gibt. Zudem sollen die Fangquoten wieder regionalisiert werden. Der Verordnungsentwurf 2015/0133 (COD) sucht die Balance zwischen Dateneffizienz und Datensicherheit und wurde von allen Ministern für die Verhandlungen mit dem Europaparlament frei gegeben. Desweiteren wurde über den Entwurf technischer Maßnahmen zur Bewahrung der Fischbestände diskutiert. Dabei geht es um die technische Ausrüstung der Fischereifahrzeuge, der Mindestgrößen von Fischen, die wieder ins Meer geworfen werden müssen sowie die zeitlichen und räumlichen Kontrollen der Fischer und ihrer Fahrzeuge. Im Detail geht es weniger um die Änderung der technischen Vorschriften, sondern um eine Vereinfachung der Verwaltung im Rahmen der Verordnung. So soll den Unternehmen wieder mehr Eigenverantwortung zugestanden werden.
Martijn Van Dam Agrarratsvorsitzender und niederländischer Landwirtschaftsminister (li.) und EU-Agrarkommissar Phil Hogan; Foto: Europäische Kommission
Agrarmarktkrise
Seit dem EU-Agrarrat im März hat sich die Situation an den Märkten trotz einiger Maßnahmen wie Verdoppelung der Privaten Lagerhaltung keine Marktentspannung bei Milch eingestellt. Auch der Schweine- und Geflügelsektor zeigen unterschiedliche Signale, Verschiedene Länder haben zum April-Rat Mitteilungen über ihre Probleme mitgebracht.
In Litauen sind die Milchpreise für kleine Erzeuger auf acht bis zehn Cent pro Kilo gesunken. Trotz zielgerichteter Hilfe ist das Einkommen der großen Milchbauern im letzten Jahr um rund die Hälfte eingebrochen. Litauen ist daher mit den vorgeschlagenen marktorientierten Maßnahmen des EU-Hilfspakets unzufrieden und will neue Gelder mit der Möglichkeit einer nationalen Kofinanzierung. Das Land bittet um Öffnung der EU-Krisenreserve, was EU-Agrarkommissar Phil Hogan bislang strikt ablehnt.
Polen leidet durch das Embargo Russlands vor allem auf dem Obst- und Gemüsemarkt und hat Hilfe für die Entnahme von rund 220.000 Tonnen Obst und Gemüse erhalten. Dennoch hat sich die Situation kaum verbessert, weil vor allem die privaten Apfellager noch immer voll sind. Das hat den Preis auf 0,25 Euro pro Kilo sinken lassen. Gegen Ende der Lagerperiode werden die Äpfel erneut auf den Markt kommen und den Preisdruck auf die neue Ernte erhöhen. Die Kommission soll daher das Obst- und Gemüseprogramm gegen das Russland-Embargo über den Juli hinaus fortführen. Überschüssiges Obst und Gemüse könnte in Biogasanlagen genutzt werden, sofern die EU auch die Transportkosten übernähme.
Russland hat vor dem allgemeinen Embargo bereits einzelne Lebensmittel aus individuellen veterinärrechtlichen Überlegungen nicht mehr importiert. Unter anderem, weil in Osteuropa die Afrikanische Schweinepest ausgebrochen ist. Österreich hat bereits mehrfach den Antrag gestellt, dass sich ein Bann gegen Schweineprodukte lediglich auf die betroffenen Gebiete beziehen sollte. Eine entsprechende EU-Klage vor der WTO ist anhängig und der Schlussbericht soll diesen Mai oder Juni veröffentlicht werden. Die Österreicher bitten die Kommission um Informationen über den WTO-Klage-Status und die nächsten geplanten Schritte zur Öffnung des russischen Marktes für Schinken und Innereien.
Mengenregulierung
Am 23. März hat die EU-Kommission ein so genanntes Non-Paper vorgelegt, ein informeller Vorschlag. Die Mitgliedsländer könnten zeitlich begrenzte Beihilfen im Milchmarkt zahlen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Voraussetzung sei die Verringerung oder das Einfrieren der Milchproduktion zur Mengenregelung nach unten. Der niedrige Milchpreis resultiert aus den überschüssigen Mengen, die am Markt sind. Vor diesem Hintergrund begrüßt Maria Heubuch, Europagrüne im Parlament, den Vorschlag als Erkenntnis der EU, dass sie ein Milchmengenproblem hat: „Es erleichtert mich sehr, dass sie nun endlich eingestehen, dass das Angebot an die Nachfrage angepasst und weniger produziert werden muss.“ Heubuch forderte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zur gemeinsamen Umsetzung des Vorschlages mit Frankreich anzugehen.
Mit diesem Non-Paper könnte jedes einzelne Land den Vorschlag umsetzen. Es handelt sich dabei um nationalstaatliche, also nicht um eine europaweite Mengenreduzierung. Ein Haken, denn wenn ein Milchbauer die Produktion senkt, kann der Nachbar sie erhöhen. Wenn Deutschland die Milchproduktion senkt, rücken Nachbarländer wie Polen oder Großbritannien nach. Der Preis hat seine Funktion als Marktsignal verloren und jeder deckt mit der Mehrproduktion bis zum Ende der Liquidität seine Tilgung und den Cash Flow. Das Problem der Trittbrettfahrer ist Maria Heubuch bekannt. Der Effekt trete auch bei Absprachen zwischen Landwirten und Molkereien ein. Deutschland als größter Milchproduzent sollte durchaus vorangehen. Heubuch fordert darüber hinaus eine europaweite Mengenregulierung.
EFSI
Den Agrarministern und Staatssekretären hat die Kommission die Möglichkeiten zur Nutzung des European Fund for Strategic Investments (EFSI) für den Agrarsektor vorgestellt. Der Fonds beinhaltet rund 21 Milliarden Euro, von denen zwischen zwei und neun Milliarden für die Landwirtschaft genutzt werden könnten. Als Einsatzgebiete wären Precision Farming, Bio- und Kreislaufwirtschaft, Breitbandverbindungen, Bewässerungsunterstützung sowie Zugang zu Finanzierungsinstrumenten möglich. Die Europäische Investmentbank erarbeitet Informationen für die Mitgliedsländer zur Erschließung dieser Gelder.
Mercosur-Verhandlungen [1]
Gerade erst hat EU-Handelskommissarin neuen Schwung für Verhandlungen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten angekündigt, haben namentlich Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Österreich, Rumänien, Slowenien, Ungarn und Zypern vor übereilten Verhandlungen im Agrarbereich gewarnt. Die südamerikanischen Länder sind allesamt große Agrarexporteure mit landwirtschaftlichen Unternehmungen, die wettbewerbsfähiger als die europäischen sind. Die Freigabe bestimmter Einfuhrquoten für sensible Agrarprodukte nach Europa sollte auf ihre Wirkung für den EU-Agrarbereich hin untersucht werden. Vor allem, weil sich der europäische Agrarsektor in einer Krise befindet. Die Agrarminister verlangen vor jedem offiziellen Verhandlungsschritt ein Mitspracherecht.
Lebensmittelbetrug
Wie vom Bundeslandwirtschaftsministerium angekündigt, hat die deutsche Delegation mit Staatssekretär Robert Kloos an der Spitze, einen Bericht zur Aufdeckung von Lebensmittelfälschungen vorgelegt [2]. Deutschland fordert mehr europaweite und von der Kommission kontrollierte Kontrollprogramme in den Mitgliedsstaaten. Zügig soll eine referenzzentrum für die Echtheit und Integrität der Lebensmittelkette aufgebaut werden. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Zoll und Lebensmittelkontrolleuren soll auf europäischer Ebene intensiviert werden.
Schulprogramme für Milch, Obst und Gemüse
Das neue gemeinsame EU-Programm für Schulmilch und Schulobst wird ab August 2017 in Kraft treten. Daneben haben die Minister das jährliche Budget mit 250 Millionen Euro festgelegt. Dabei entfallen 100 Millionen auf das Schulmilchprogramm. Nur die Niederlande und Ungarn votierten dagegen, Großbritannien enthielt sich.
Fischerei II
Die Kommission wurde autorisiert, das am 27. Januar 2017 auslaufende Fischfangabkommen mit Mauritius zu verlängern. Sie soll auch mit Anrainerstaaten im Arktischen Ozean über die Vermeidung illegaler Fischerei verhandeln und hat Polen als Vertreter für die EU ernannt, die Union Teil des Abkommens über die Bewahrung der Seelachs-Bestände in der Beringsee zu machen.
Grünes Licht
Der Agrarrat hat den Kommissionsvorschlägen zu REACh (Testmethoden über Hautirritationen und Toxizität) und der Sicherheit von Passagierschiffen zugestimmt, wo jetzt noch die Entscheidung des Parlaments offen ist. Zugestimmt hat der Rat dem Vorschlag des Parlamentes zur Reduzierung von Schwefel in flüssigen Treibstoffen (PE-CONS 24/15). Auch das Klimaabkommen von Paris ist notariell jetzt unterschriftsreif.
Tunesien darf jetzt auch 35.000 Tonnen Olivenöl in den Jahren 2016 und 2017 zollfrei in die EU einführen, was die Wirtschaft im Rahmen des Übergangs ders Arabischen Frühlings stützen soll.
Lesestoff:
[1] Schwung für Mercosur-Verhandlungen
Roland Krieg; Foto: Europäische Kommission