EU-Agrarrat in Luxemburg

Landwirtschaft

Fischerei und Landwirtschaft im Klimawandel

Der Agrarrat der EU beschäftigte sich in Luxemburg am 22. Oktober mit zwei wichtigen Themen. Der Rat will die Fischfangquoten für die Ostsee im Jahr 2016 festlegen und die Rolle der Landwirtschaft vor dem Pariser Klimagipfel beleuchten.

Fischerei

Mit der neuen Fischereipolitik der EU sind drei Schlüsselbegriffe in den Vordergrund gerückt. Mit der Fangquote in Tonnen oder Anzahl Fische, wie bei Lachsen, wird die Gesamtmenge des erlaubten Fangs festgelegt. Dieser richtet sich jetzt nach der maximal nachhaltigen Fangquote (maximim sustainable yield, MSY), die auf der Basis der Gesunderhaltung eines Bestandes erfolgt. Sie soll die erlaubte Fangmenge repräsentieren, die ohne Gefährdung des Bestandes möglich ist. Beifang unerwünschter Zielarten dürfen nicht mehr zurück ins Meer geworfen werden.

Da die Bestandsdichte auch von anderen Fischarten abhängig ist, stellt die EU beginnend mit der Ostsee artenübergreifende Mehrjahrespläne für den Fischfang auf, die zuletzt um weitere Arten ergänzt wurden [1].

Die Gespräche über neue Fangquoten mit den Mitgliedsstaaten fanden bereits im Sommer im Rahmen der „Baltfish“ statt und basieren auf Empfehlungen des Rates für internationale Meereskunde (ICES) in Dänemark. Sorgen bereitet Fischerei-Kommissar Karmenu Vella der Kabeljaubestand in der westlichen Ostsee, dessen Fangquote um 20 Prozent gekürzt wurde. Er hofft, teilte er am Abend in der Pressekonferenz mit, dass die Maßnahme für eine Erholung ausreiche. In dem Zusammenhang werden die Ostseeanrainer auch die private Fischerei anschauen, welche Auswirkungen diese auf die einzelnen Bestände hat. Vella drohte, dass die EU nicht zögern würde, auch hier Maßnahmen zu ergreifen. Für den westlichen Kabeljau wurde die Schonzeit für die Laichzeit verlängert.

Das russische Importembargo betrifft auch Fischereiprodukte, was zu einer nicht Erfüllung von Fangquoten geführt habe. Diese dürfen auf das Jahr 2016 übertragen werden.

Die Fangmenge soll gewichtsmäßig um rund 15 Prozent auf 570.000 Tonnen sinken, was der Fischerei einen Wertverlust von 256 Millionen Euro einbringen wird. Dabei ist der gute östliche Dorschbestand nicht berücksichtigt. Die Fischereiminister gehen davon aus, dass sich tatsächlich nur wenig ändert, weil die Fangquoten im Jahr 2014 nicht voll ausgeschöpft wurden und das im nächsten Jahr auch so bleibe.

Gespräche mit Norwegen sind Teil der Beratungen über neue Fangquoten. Diese Gespräche finden im November und Dezember statt und fallen mit der Annahme der neuen Fangquoten für 2016 zusammen. Dabei geht es um die gemeinsame Bewirtschaftung von sieben Beständen im Skagerrak und der Nordsee. Ebenso sollen die gegenseitigen Fanginteressen ausbalanciert werden. Seitens der EU geht es um die arktischen Dorschbestände vor Norwegen. Diese Gespräche finden seit 1980 statt und im Jahr 2010 haben sich beide Parteien auf eine gemeinsame Bewirtschaftung der Makrele für die nächsten zehn Jahre geeinigt.

Ein klares „Ja“ zu den Mehrjahresplänen erwartete Ulrike Rodust von der Europa-SPD: „Mit veralteten Ritualen, wie dem jährlichen Quotengeschacher, lässt sich zukunftsfähige Fischerei in Europa nicht gestalten.“ Ein entsprechender Abschluss im Trilog mit dem Rat hätte im Sommer vorliegen können.

Landwirtschaft und Klima

Die Landwirtschaft trägt am Klimawandel mit zehn Prozent Anteil an den Treibhausgasen bei, ist aber gleichzeitig auch Teil der Lösung, weil durch das Pflanzenwachstum Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnommen wird.

Im Fokus stehen nach einem Papier der Luxemburgischen Ratspräsidentschaft Kohlendioxid aus der Verwendung fossiler Treibstoffe und Mineraldünger, Methanemissionen aus der Wiederkäuerhaltung und Lachgas aus der Nutzung organischer Dünger. Den Emissionen gegenüberzustellen sind Grünland, Feuchtgebiete und Wälder als bedeutende Senken für Treibhausgase. Daher sollen diese nicht weiter in Ackerland umgewandelt werden.

Ein Problem für die Tarierung der Landwirtschaft ist die Berechnungsbasis. Soll die Landwirtschaft als Ganzes betrachtet, eine Hoftorbilanz oder eine Lebenszyklusanalyse von Produkten wie Fleisch, Milch oder Getreide erstellt werden? Defizite bestehen, weil fossiler Spritvebrauch meist im Energiesektor verrechnet wird oder der Senkeneffekt der Landwirtschaft nicht betrachtet wird. Das hat Luxemburg ausführlich aufgelistet:

Die EU28 hat im Jahr 2012 insgesamt 4.544 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittiert, ohne Emissionen aus Landnutzungsänderungen (LULUCF) zu berechnen. Der Agrarsektor hat an der Gesamtmenge rund 469 Millionen Tonnen CO2-Äquvalente beigetragen, wobei die Änderungen aus der Landnutzung rund 89 Millionen Tonnen betragen.

Im gleichen Jahr haben die Wälder 451,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre gespeichert. Der größte Teil wurde in bestehende Wälder eingebunden, etwa 54 Millionen Tonnen in Neuaufforstungen. Der Landnutzungsfaktor beträgt nach Angaben der Ratspräsidentschaft 304 Millionen Tonnen CO2, so dass die Nettoemissionen der EU auf 4.241 Millionen Tonnen Kohlendoxidäquivalente gesunken ist.

Um genauere Zahlen zu erhalten, müssen die Bilanzen besser erfasst werden. Auf europäischer Ebene versucht es das Integrated Carbon Observation System Research Infrastructure Network (ICOS-RI) [2].

Drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen fallen dem Abfallsektor zu. Die Landwirtschaft kann durch die Methanisierung organischer Abfälle diese Menge auffangen und in wertvolles Methan umwandeln. Beim Methan kann sich Ratspräsident Fernand Etgen konkrete Vorgaben vorstellen, ohne dass er sie in der Pressekonferenz näher erläutern wollte.

Vergleichbares werde er Landwirtschaft auch durch den Ersatz fossiler Rohstoffe im Sektor der Bioökonomie gelingen. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) seien auseichend Maßnahmen in den beiden Säulen festgelegt.

Einstimmigkeit gab es aber nur bezüglich der Überschrift in Richtung Klimaabkommen. Einige Mitgliedsländer wollen die Bodenbearbeitung verbessern, andere die Düngerbehandlung und wiederum andere sehen lediglich regionale Schwerpunkte durch die Heterogenität der EU-Landwirtschaft. Der Aufwand solle auf keinen Fall den erzielbaren Nutzen übersteigen. Fernand Etgen will die Themen für den Umweltrat zusammenfassen.

Grünerer Pflanzenschutz

Die Niederlande hat eine Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die bis zum 2. Quartal 2016 den Pflanzenschutz grüner machen soll. Die Fortschritte der einzelnen Mitgliedsländer gehen den Nachbarn nicht schnell genug vorwärts. Deshalb soll die Gruppe Maßnahmen zur breiten Verwendung des integrierten Pflanzenschutzes vorschlagen, Alternativmethoden zum chemischen Pflanzenschutz ausarbeiten und einen Rahmen für Substanzen aufstellen, die weniger Risikoreich sind. Die Mehrheit unterstützte den Vorschlag.

Antibiotikaresistenzen

Agrarstaatssekretär Robert Kloos hat im Kreis der Agrarminister die deutsche Minimierungsstrategie zur Antibiotikaresistenz vorgestellt, die Gegenstand auf dem G7-Gesundheitsministergipfel in Berlin Anfang des Monats war.

Visegrad-Gruppe

Die Visegrad-Gruppe [3] hat sich für eine schnelle Implementierung des Administrative Assistance and Cooperation Systems (AACS) ausgesprochen, das als Frühwarnsystem gegen Betrug im Lebensmittelsektor aufgebaut werden soll. Betrug könne nur durch grenzübergreifende Inforamationen bekämpft werden. Die AACS-Datenbank soll das ermöglichen.

Die europäische Landwirtschaft können international nur wettbewerbsfähig sein und bleiben, bewahre sie den guten Zustand ihrer Böden. Die Visegrad-Gruppe will wegen der regionalen Verschlechterung der Bodenzustände Best-Practise-Beispiele und Förderungen über verschiedene Fonds vorschlagen.

Gentechnikfreies Europa

Slowenien stellte die im Sommer auch mit deutscher Beteiligung diskutierte gentechnikfreie Landwirtschaft in Europa vor. Die nationale Opt-out-Möglichkeit wurde als demokratischer Willen begrüßt und die gentechnikfreie Bewirtschaftung als Sicherung der Biodiversität und Willensausdruck der Bevölkerung dargestellt. Für die entsprechende Abschlusserklärung fanden sich Luxemburg und Deutschland nicht bereit, zu unterzeichnen. Der Rat plädiert für eine Kennzeichnung GVO-freier Produkte.

Dagegen scheint der Vorschlag, zugelassene gentechnisch veränderte Organismen in Futter- und Lebensmitteln ebenfalls national verbieten zu lassen, vom Tisch zu sein. Diese Einschätzung teilt auch Dr. Hermann-Josef Baaken, Sprecher des Deutschen Verbandes Tiernahrung (DVT). Eine Studie europäischer Agrarverbände hat die Mehrkosten mit 44 bis 176 Euro je Tonne Futter angegeben, falls die EU auf gentechnisch verändertes Futter verzichten wollte [4].

Züchtungsverfahren

Mittlerweile gibt es mehr neuartige Verfahren als im aktuellen Gentechnikgesetz aufgelistet sind. Gentechnikgegner wollen ein möglichst umfangreiches Register, was als Gentechnik eingestuft wird. „Landwirtschaftsminister Christian Schmidt muss in Brüssel auf eine korrekte Umsetzung des Gentechnikrechts dringen, das den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Wirtschaftliche Interessen sind nicht Gegenstand des Gesetzes und haben bei dieser Frage nichts zu suchen“, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des BÖLW mit Blick auf die Vorlage, die Deutschland in die Debatte einbringen wird. Schmidt will die Debatte ökonomisch angehen, von Löwenstein plädiert für das Vorsorgeprinzip für eine Einteilung.

Die Klarstellung neuer Züchtungsverfahren fand Anklang bei den Ministern. Doch nicht alle Züchtungsmethoden sollen in einer Neufassung als gentechnikrelevant aufgenommen werden.

Rats-Zustimmung zu Kommissionsvorschlägen

In vier Bereichen hat der Agrarrat den Kommissionsvorschlägen zugestimmt. Zum einen geht es um die mikrobiologische Kontrolle von Lebendmuscheln für den menschlichen Verzehr auf Bakterien wie beispielsweise E.coli. Die Regelungen in der Verordnung 854/2004 bleiben bestehen und muss noch vom Parlament abgesegnet werden.

Das gleiche gilt für die Festlegung von Rückstandswerten von Pflanzenschutzmitteln mit Wirkstoffen wie Abamectin oder Propamocarb in den Anhängen der Verordnung 396/2005 nach Einschätzung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA. Auch die von der Kommission vorgeschlagenen neuen Funktionsgruppen von Futterzusätzen nach Verordnung 1831/2003 fand Zustimmung im Rat. Ebenso unterstützt der Rat die Kommission das Aroma p-mentha-1,8-dien-7-al von der Liste der erlaubten Substanzen zu streichen. Die EFSA hatte in diesem Sommer die Substanz als gentoxisch eingestuft.

Weitere Themen

Der Rat hat die Kommission autorisiert, mit der Republik Gabun ein neues Fischereiabkommen auszuhandeln.

Lesestoff:

[1] Abstimmung im EU-Parlament zum artenübergreifenden Mehrjahresplan

Mehr nachhaltiger Fischfang in der Ostsee

[2] https://www.icos-ri.eu

[3] Im ungarischen Visegrad schlossen sich Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei 1991 für den Integrationsprozess nach Westeuropa zusammen und wurden durch die Teilung in Tschechien und der Slowakei zur V4-Gruppe. Die Aufnahme in die EU im Jahr 2004 sowie in die Nato oder WTO hat bislang nicht zur Auflösung der V4-Gruppe geführt. Sie vertritt bislang recht leise osteuropäische Interessen für die Zeit nach dem Sozialismus. Österreich verfolgt eine subregionale Politik mit diesen Nachbarn, weil der Donauraum einen einheitlichen und gemeinsamen Wirtschaftsraum darstellt. Das Visegrad-Mitglied Polen ist gleichzeitig Teil des Weimarer Dreiecks mit Deutschland und Frankreich und findet über die V4-Partner Unterstützung bei Einreichung seiner osteuropäischen Interessen. Umgekehrt können die V4 über Polen auch Einfluss auf zwei Industrienationen des Westens nehmen. Der erweiterten Visegrad-Gruppe, die sich hier am 26. August traf gehören auch Bulgarien, Österreich, Rumänien und Slowenien an (V4+4)

[4] Studie Kosten durch Importverbot von gentechnisch verändertem Futter: www.fefac.eu/news.aspx?CategoryID=2063&EntryID=21095

Roland Krieg

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