EU-Agrarrat März in Brüssel

Landwirtschaft

GAP: Noch immer große Unterschiede zwischen den Ländern

Am Montag hat Landwirtschaftsminister Petre Daea eine Art Halbzeitbilanz des rumänischen Ratsvorsitzes beim Agrarrat in Brüssel vorgelegt. Die Unterschiede zur Kommission und innerhalb der Mitgliedsländer sind groß. So groß, dass unabhängig vom EU-Etat, der erst im Herbst dieses Jahres feststeht, der Franzose Didier Guillaume über Unmöglichkeit einer schnellen Einigung über das Gesamtpaket sprach. Das betrifft Punkte bei den Vorschlägen über die GAP-Strategie, die Horizontale Verordnung als auch die zur Änderung der Gemeinsamen Marktordnung (GMO).

In der Bilanz steht, dass die Ausbildung für Junglandwirte sowie die Definition für „echte Landwirte“ freiwillig definiert werden sollen. Das Betriebsnachhaltigkeitsinstrument für Nährstoffe solle nur mit einer Übergangsfrist eingesetzt werden und die Berücksichtigung von Arbeitskräften bei der Kappung sei ebenfalls den einzelnen Ländern überantwortet. Außerdem soll die Liste der benachteiligten Gebiete verändert, d. h. vergrößert werden.

Im Paket für die horizontale Verordnung dürfe die Kommission auch delegierte Rechtsakte für einzelne Sektoren erlassen und die Kommission soll im Rahmen der Finanzdisziplin die Schwelle von 2.000 Euro zum Schutz für Kleinbetriebe wieder einführen.

Wie gemeinsam wird die GAP?

Doch so weit will Agrar-Kommissar Phil Hogan gar nicht gehen. Diese Punkte sprächen für ihn zu sehr in Richtung Renationalisierung der  Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die neue GAP muss eine wirkliche Entbürokratisierung bringen. Die Wiedereinführung der Finanzschwelle von 2.000 Euro erhöhe jedoch den Verwaltungsaufwand.

Didier Guillaume nutze die Chance für eine generelle Adresse. Die EU stehe am Scheideweg. Frieden, Demokratie und Solidarität werden jüngst hinterfragt. Auch die Landwirtschaftsminister müssten ihrer europäischen Verantwortung gerecht werden und das Gemeinsame der GAP verteidigen.

Aber: „Es sind dicke Bretter, die noch zu bohren sind“, sagte die deutsche Ministerin Julia Klöckner. Es gebe noch intensiven Beratungsbedarf, weil der Haushalt erst im Herbst feststeht und die Ausgestaltung der grünen Architektur beeinflusst. Unklare Begriffe zu Junglandwirten, „echte Landwirten“ oder auch Dauergrünland behindern den Fortgang. Klöckner folgt Hogan und forderte einheitliche Begriffe. Klöckner will auch keine Änderung der Liste benachteiligter Gebiete. Auf der anderen Seite sei die deutsche Agrarpolitik mit den Instrumenten der Kappung und Degression von Direktzahlungen nicht einverstanden und fordert eine nationale Option. Die Produktionsverhältnisse in der EU und Deutschland sind sehr heterogen. Für Deutschland sei das nicht der richtige Weg. „Denn viele Großbetriebe im Osten unseres Landes sind von mehreren Familien getragen, diesen gewachsenen Strukturen müssen wir Rechnung tragen. Die Mitgliedsstaaten brauchen daher Flexibilität, auch um sicherzustellen, dass Mittel im Rahmen einer Degression in den Regionen verbleiben können.“

Grüne Architektur

Die Niederländerin Marjolijn Sonnema aus dem Agrarministerium stellte das Abschlusspapier zur grünen Architektur vor, das 150 Kommissionsmitglieder sowie Landwirte und NGO aus 25 EU-Ländern diesen Februar im niederländischen Leeuwarden formuliert haben. Die GAP müsse eine sozial-verträgliche und umweltgerechte Landwirtschaft umsetzen, um öffentliche Güter bereitzustellen, dem Klimawandel zu begegnen und das Artensterben zu verhindern. Die verschiedenen Umweltziele zwischen der ersten und zweiten Säule müssen sich ergänzen. Was die Kommission vorgelegt hat, sei zu wenig.  Sonnema verweist auf das mittlerweile auch in Deutschland geprüfte niederländische Modell, das nicht mehr ein einzelner Landwirt eine Maßnahme ergreift, sondern eine ganze Gruppe Umwelt- und Klimamaßnahmen in einer ganzen Region umsetzen. Nur so wirken die Maßnahmen am Ende auch. Dazu müsse die GAP starke Maßnahmen vorlegen, die auch gemessen werden können. Zusätzlich brauchen die Landwirte einen Bonus für den Einkommensverlust.

Gekoppelte Zahlungen

Tschechien hat ein „non-paper“ vorgelegt, das von Bulgarien, Kroatien, Lettland, der Slowakei, Slowenien und Ungarn mitgetragen wird. Sie fordern den Erhalt der gekoppelten Zahlungen für Sektoren, die ohne diese nationalen Zusatzgelder gefährdet seien. Die Mitgliedsländer sollten mehr Flexibilität für die Anwendung erhalten, ohne dass es international zu Marktverzerrungen komme. Die Zahlung soll sogar deutlich angehoben werden. Die Länder fordern 23 Prozent plus zwei Prozent für Eiweißpflanzen.

Phil Hogan will an den aktuellen Sätzen (10 + 2) nichts verändern. Die Kopplung sei für einige Sektoren zwar wichtig, gefährde aber durchaus den Binnenmarkt. Neue Sektoren will er nicht aufnehmen. Julia Klöckner fordert, „dass wettbewerbsverzerrende gekoppelte Direktzahlungen zurückgefahren werden – speziell im Bereich der Ackerkulturen. Wir wollen hin zu einer Marktorientierung, weshalb es solche Zahlungen nur geben kann, wenn sie mit einer Produktionsbegrenzung einhergehen. Generell sind sie nicht umsonst nur unter bestimmten und sehr eng gefassten Bedingungen zulässig.“ Die Niederländerin Sonnema schlug vor, Alternativen für gekoppelte Zahlungen zu finden.

Kleine Küstenfischerei

Slowenien hat südlich von Triest einen Zugang zur Adria. 90 Prozent der Fischer haben Boote, die kleiner als 12 Meter lang sind. Meist fischen sie nur ein bis zwei Stunden, gelegentlich einen ganzen Tag. Im Rahmen des nächsten Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) will Slowenien die Erneuerung der Fischereifahrzeuge fördern, ohne die Fangkapazitäten zu erhöhen. An der Küste sei der ganze Lebensstil durch die kleine Küstenfischerei geprägt und gefährdet. Zusammen mit der neuen Kollegin Jenny Nilsson aus Schweden kann Julia Klöckner das zwar unterstützen. Aber Maßnahmen, die geeignet sind, Fangflotten auszuweiten lehnten beide ab. Neue Fischereifahrzeuge hätten immer zu einer höheren Fangkapazität geführt. Das Thema stehe bei der Welthandelsorganisation WTO ganz oben. Ebenso stehe Ziel 14 der UN-Agenda für 2030 für eine nachhaltige Fischerei. Die Maßnahme 14.6 fordert sogar ein Auslaufen der Flottenförderung bis zum Jahr 2020.

Patente

Die Niederländer blickten skeptisch auf eine der jüngsten Entscheidungen des Technischen Beratergruppe des Europäischen Patentamtes zur Patentierbarkeit von Pflanzen aus natürlichen Züchtungsprozessen. Sowohl der Rat, die Kommission als auch das Europaparlament haben 2016 diese Form der Patente bereits abgelehnt. Auch Julia Klöckner unterstrich: „Deutlich gemacht habe ich erneut, dass wir Patente auf Pflanzen und Tiere ablehnen, die mit biologischen Verfahren gewonnen wurden. Hier positionieren wir uns sehr klar. Eine stete Weiterzüchtung von Sorten und Rassen ist Grundlage der Landwirtschaft und darf im Sinne der Ernährungssicherung auch durch Patente nur so wenig wie möglich eingeschränkt werden. Dafür setzen wir uns ein.“

Fleisch aus der Ukraine

Die polnische Delegation hat ihre Sorgen um den europäischen Fleischmarkt vorgetragen. Das Land ist ein großer Erzeuger und Verbraucher von Fleisch. Im Jahr 2017 hat Polen mit 2,344 Millionen Tonnen das meiste Geflügelfleisch in der EU produziert. Bei Schweinefleisch steht Warschau mit neun Prozent Anteil auf dem vierten Rang. 39.000 Angestellte sind im Geflügelbereich aktiv. Davon 22.000 im Schlacht- und Verarbeitungsgewerbe, 12.000 in der Erzeugung und nahezu 2.000 in der Futtermittelindustrie. Um die Geflügelindustrie in ganz Europa zu schützen hat die EU einen Zollschutz für Geflügelfleisch aus der Ukraine aufgelegt. Die Sätze gelten aber nicht für Fleischstücke, die nicht standardisiert sind. Im Zuge des Freihandelsabkommens mit der Ukraine ist der Import dieser Fleischteile in die EU stark angewachsen und führe zu Marktverwerfungen in Polen.

Für Polen ist Großbritannien ein bevorzugtes Absatzgebiet für Schweinefleisch. Die Einführung von britischen Zöllen bei einem Brexit ohne Abkommen treffe die polnischen Erzeuger härter als das Einfuhrembargo Russlands im Jahr 2014.

Polen fordert die Kommission auf, keine weiteren Zugeständnisse bei den Verhandlungen der EU mit dem südamerikanischen Handelsverbund Mercosur zu machen. Außerhalb des Fleischmarktes gelte das auch für die weiteren Gespräche mit dem Mercosur, aber auch mit Australien und Neuseeland. Die EU solle auf die Möglichkeit drängen, Schutzzölle erheben zu dürfen. Speziell mit der Ukraine soll die EU den Geflügelfleischmarkt neu verhandeln.

„Keine Kürzung für den ländlichen Raum“

In Brüssel hat die gemeinsame Dachorganisation für europäische Bauern und Genossenschaften Copa Cogeca mit anderen Organisationen ein Forderungspapier zusammengestellt, das vor Kürzungen der Gelder im ländlichen Raum warnt. Das sei nicht nur ein falsches Signal an die Regionen, sondern stelle viele von ihnen vor eine Existenzfrage. Um das Land nachhaltig zu fördern müssen die Fonds kohärent und mit den Wissenschaftsprogrammen Horizon Europe verbunden werden. Digitalisierung, Infrastruktur und Ausbildung müssen auf demselben Plan stehen, wie Biodiversität, Kohlenstoffspeicherung, Ressourceneffizienz sowie auch Inklusion junger Unternehmer.

Roland Krieg

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