EU-Deal: Green Mind-Setting
Landwirtschaft
Green Deal fokussiert kaum etwas Neues
Am Mittwochmorgen musste der Deutsche Bauernverband den Kabinettsbeschluss zum Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie hinnehmen. Am Nachmittag kam es für den DBV noch schlimmer. Die EU-Kommission hatte in Brüssel mit der Biodiversitätsstrategie und der Farm-to-Fork-Strategy (F2F) Herzstücke des Green Deals vorgestellt. „Das ist ein Generalangriff auf die europäische Landwirtschaft“, kommentierte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Ein Blick auf die deutsche Agrarpolitik aber zeigt, dass kaum etwas Neues vorgestellt wurde und viele Ideen bereits vom DBV mitgetragen werden. Das Aufplustern ist kaum mehr als ein Geleit demonstrierender Landwirte.
Europas Resilienz
Unter dem Begriff der Resilienz hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Green Deal vorgeschlagen, der vor dem Hintergrund der Pandemie auf die Ernährungsversorgung neuen Schwung bekommt. Die Landwirtschaft soll regionaler und weniger abhängig vom Ausland werden, lokale Strukturen gelten als weniger anfällig als internationale Lieferketten. Die deutschen Landwirte haben der Pandemie standhalten können. Zusammen mit der Ernährungsindustrie und dem Lebensmittelhandel konnten alle durch Hamsterkäufe verursachten Regallücken geschlossen werden.
In diesem Sinne fokussiert die Biodiversitätsstrategie eine Sicherung von Feldvögeln und bestäubenden Insekten, reduziert die Umwelt und beseitigt monostrukturelle Landschaften, die anfälliger für Erosion und Trockenheit sind.
F2F stellt die Landbewirtschaftung auf eine nachhaltige Stufe und formuliert inklusive Fischerei konkrete Ziele, wie die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln um 50 Prozent und Ausbau des Ökolandbaus auf 25 Prozent.
Vizepräsident Frans Timmermans sagte bei der Vorstellung: „Die Corona-Krise hat uns alle gezeigt, wie verwundbar wir sind und wie wichtig es ist, eine Balance zwischen menschlichem Handeln und er Natur herzustellen.“ EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakidis stellt das Ernährungssystem, wie die Europäer sich ernähren, in den Fokus der Nachhaltigkeit. Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius betont, wie essentiell die Natur für das menschliche Wohl ist.
Aber: Auch im Detail von F2F steht kaum wirklich etwas, was der DBV nicht schon unterschrieben hat [1].
Wie nah sind Brüssel und Berlin in der Agrarpolitik?
Deutschland hat schon das Ziel ausgegeben, bis 2030 den Anteil des Ökolandbaus auf 20 ausbauen zu wollen. Das ist im Industrieland Deutschland schon sehr ehrgeizig. Innerhalb der EU sind die anvisierten 25 Prozent leichter zu erreichen. Nicht nur wegen der Einfachheit, Grünland schnell umzustellen, sondern auch die großen Flächen in Rumänien und Bulgarien bieten ein großes Umstellungspotenzial.
Die Ackerbaustrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist politisch breiter aufgestellt, als die der reinen Ackerbauern. Mit dem Herausarbeiten von Zielkonflikten aber bieten sich auch den zweifelnden Ackerbauern Lösungen an. Ähnlich verhält es sich mit der Nutzviehhaltungsstrategie, die vom DBV sogar ausdrücklich gelobt wurde.
Pflanzenschutzmittel: Die Zahl der Wirkstoffe wird weniger. Low Risk-Produkte sollen vermehrt erforscht und eingesetzt werden. Dazu gehört auch eine ehrliche Einschätzung aller Seiten über den Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft. Die Risiken von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft haben sich in den vergangenen Jahren um 20 Prozent verringert, heißt es bei F2F. Bis 2030 soll der Einsatz um 50 Prozent verringert werden. Sowohl insgesamt, als auch bei den Mitteln mit hohem Risiko. Die sind von der EU sowieso schon als Substitutionskandidaten benannt. F2F hat am Ende doch konkrete Zahlen genannt. Unrealistisch ist das aber nicht. Denn direkt im Anschluss wird auf die chemische Schaderregerbekämpfung nicht verzichtet. Die Bestimmungen des integrierten Pflanzenschutzes sollen verbessert und verstärkt kommuniziert werden. Der IPS läuft in Deutschland seit Jahrzehnten seiner Umsetzung hinterher [2]. Landwirte kaufen in den letzten Jahren mehr Bodenbearbeitungsgeräte und die Fachberatung setzt den chemischen Pflanzenschutz immer wieder an das Ende der Bekämpfungskette. Im ersten Jahr ohne Neonicotinoide kamen die Rübenbauern sehr gut zurecht. Die Witterung und viele Nützlinge haben manchen Insektizideinsatz eingespart. In diesem Jahr hat sich das geändert, weil fehlender Niederschlag in der Trockenheit die Saatgutbeize nicht aufgelöst hat.
Düngeverordnung: Hier hat die Branche Jahrzehntelang Neuerungen verschlafen. Die Bundesländer müssen im Rahmen der Dünge-Verordnung 2020 noch bis Jahresende ihre Messnetze verbessern. Der Unmut der Landwirte hangelt sich an „alten Wirtschaftsweisen“ entlang. Im F2F verspricht auch die Kommission Besserung. Sie wird „gemeinsam mit den Mitgliedstaaten einen Plan für integriertes Nährstoffmanagement entwickeln, mit dem die Nährstoffbelastung an der Quelle bekämpft und Nachhaltigkeit des Tierhaltungssektors verbessert werden soll“: Hier greifen Ackerbau und die künftigen Sterne-Ställe des BMEL ineinander [3]. Der Blick in die Stallbaupraxis zeigt Lösungen. Es fehlt nur an politischer Klarheit, in was Landwirte investieren können.
Die deutsche Landwirtschaft kritisiert, dass die Politik die Senkenfunktion der Agrar- und Forstwirtschaft nicht anerkennt. Die F2F bietet genau hier ein „neues Geschäftsmodell“ an. Die Mitgliedsstaatenkönnen Senkenvorschriften für die GAP-Zahlungen auf der Grundlage des gebundenen Kohlendioxids gestalten, heißt es in der Fußnotenerklärung auf Seite sechs. Selbst private Unternehmen könnten solche Zertifikate für Land- und Forstwirte erwerben.
Kooperativer Naturschutz: Die Niederlande gelten derzeit als Vorreiter des kooperativen Naturschutzes, der nicht mehr auf Einzelbetrieben stattfindet. Dort wird er vermehrt als ineffektiv und kontraproduktiv eingeschätzt. Selbst der DBV setzt auf die neuen Konzepte und kann mit seinen Blühstreifen, Lerchenfenstern und Hecken an der Vernetzung mitarbeiten.
Digitalisierung: Das neueste Steckenpferd des DBV hat auch Eingang in in F2F gefunden. Dort wird sie nicht nur als verbesserte Leistung für den Umweltschutz, sondern auch als Sicherung für ein angemessenes Einkommen benannt. Und mit dem Hinweis auf neue Züchtungstechnolgien ist F2F alles andere als weltfremd.
Fazit
F2F im Green Deal fasst zusammen, was die europäischen Wähler wünschen. Wovon sie reden und was sie zum Teil auch priorisieren. Berlin ist mit seiner aktuellen Agrarpolitik ziemlich nahe an Brüssels Ideen. Die sind nicht über Nacht entstanden und hätten in der bäuerlichen Praxis weiter sein können. F2F ist weniger ein Generalangriff auf die Landwirtschaft, sondern der Fokus eines für alle Bürger verständlichen Leitbilds, das realistisch ist. Die 16 DBV-Punkte als Reaktion auf F2F müssen als Chancen-Papier verstanden werden.
Lesestoff:
[1] Die deutsche Version von F2F finden Sie unter https://ec.europa.eu/info/files/communication-farm-fork-strategy-fair-healthy-and-environmentally-friendly-food-system_de
Die 16 Abwehrpunkte gegen den europäischen Generalangriff finden Sie unter https://www.bauernverband.de/presse-medien/pressemitteilungen/pressemitteilung/das-ist-ein-generalangriff-auf-die-europaeische-landwirtschaft
[2] DLG-Feldtage 2018 https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-zeit-schlaegt-fuer-den-integrierten-pflanzenschutz.html
[3] Der Zwei-Sterne-Stall der Zukunft: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-zwei-sterne-stall-der-zukunft.html
Roland Krieg
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