EU: GVO-Anbau bald Länderentscheidung?
Landwirtschaft
Amflora zugelassen
Vor fast zwei Jahren schaltete BASF ganzseitige Anzeigen in europäischen Tageszeitungen und warb für „Amflora“. Seit Sommer 2007 liegt die Entscheidung über die Zulassung der gentechnisch veränderten Kartoffel bei der EU. Amflora soll der Stärkeindustrie Vorteile in der Verarbeitung bringen – gegessen werden wird sie nicht.
Am Dienstag hat die EU neben anderen Pflanzen auch die derzeit umstrittendste, die Amflora-Kartoffel zugelassen. John Dalli, Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik, erklärte: „Beim Umgang mit innovativer Technologie werde ich mich vom Prinzip der Verantwortung leiten lassen. Nach einer umfassenden und gründlichen Prüfung der fünf ausstehenden GVO-Anträge ist mir deutlich geworden, dass es keine weiteren wissenschaftlichen Fragen mehr gibt, die untersucht werden müssten. Alle wissenschaftlichen Aspekte und besonders die Sicherheitsbedenken sind bereits ausgiebig berücksichtigt worden. Eine weitere Verzögerung bei der Zulassung wäre nicht zu rechtfertigen gewesen.“
Der Kartoffel galt die höchste Aufmerksamkeit, weil deren Markergen Antiotikaresistent ist.
BÖLW fürchtet „neuen Wind“
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) fürchtet angesichts der ersten Tätigkeit des neuen EU-Kommissars, „wie er den Wind in Sachsen Gentechnik künftig wehen lassen will.“ Während die BASF sich freue, sei es ein schlechter Tag für Verbraucher, Bauern und die Lebensmittelwirtschaft. Es sei unverständlich warum ein EU-Kommissar für Gesundheit die Bedenken der Europäischen Behörde für Arzneimittelprüfung (EMEA) an der Antibiotika-Resistenz übergangen habe, so Prinz Felix zu Löwenstein, Vorstand des BÖLW. Vor allem deshalb, weil es mittlerweile konventionelle Sorten gebe, die vergleichbare Eigenschaften für die Industrie aufweisen. Da bislang lediglich 20 Hektar Anbau beantragt wurden, rechnet Löwenstein für dieses Jahr kaum noch mit einem Anbau. Aber für das nächste Jahr fürchtet der BÖLW eine Vermischung zwischen Amflora und konventionellen Kartoffeln.
Union begrüßt Zulassung
Dem gegenüber begrüßt Peter Bleser, agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion die Zulassung. Die Union habe sich immer dafür ausgesprochen, „die Entscheidung für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ausschließlich auf der Basis wissenschaftlicher Bewertungen durchzuführen.“ Es sei gut, so Bleser am Dienstag, dass die Eigenschaften der Kartoffel nun in der in der Papierherstellung und Klebstoffindustrie erfolgen könne. Gleichzeitig dürfen die Rest der Stärkegewinnung auch als Futtermittel verwendet werden.
Dr. Backhaus fordert Schutzklausel
Die 20 Hektar, die derzeit im Standortregister angemeldet sind befinden sich alle in Mecklenburg-Vorpommern. So hat Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus die Entscheidung der EU zwar zur Kenntnis genommen, doch bittet er Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, zu prüfen, „ob Deutschland eventuell von der Schutzklausel Gebrauch machen kann, um den Anbau für Deutschland zunächst auszuschließen.“ Was Dr. Backhaus fehlt, sind klare Anbauregeln. „Diese hätte die Bundesregierung im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung der Kommission längst erarbeiten müssen.“ Fehlenden Richtlinien erschwerten die Koexistenz zwischen dem Anbau von konventionellen und gentechnisch veränderten Kartoffeln. Neue Anmeldeflächen werden nach Ansicht des Ministers nicht hinzukommen, weil sie 90 Tage vor dem Anbau gemeldet werden müssen. Für den Anbau Anfang Juni sei das schon zu spät.
Jedes Land soll für sich entscheiden
Neben den Zulassungen für Amflora und verschiedenen Maissorten hat die EU-Kommission für den Sommer den nächsten Aufreger vorbereitet: Die Mitgliedsstaaten sollen künftig selbst entscheiden können, ob sie für den Anbau auf gentechnisch veränderte Pflanzen zugreifen wollen oder nicht. Frankreich, Österreich und die Niederlande hatten im vergangenen Sommer den Anstoß für dies Überlegung gegeben, die offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen ist.
Roland Krieg