EU-Kommission korrigiert Biotreibstoffziele nach unten

Landwirtschaft

EU-Vorschlag zur Klimabilanz von Biotreibstoffen

Der am Mittwoch vorgelegte Vorschlag der EU zur Verbesserung der Klimabilanz von Biokraftstoffen hatte schon im Vorfeld Unbehagen in der Branche ausgelöst [1]. Der Vorschlag hat die Zweifler nicht überrascht.

Was soll sich ändern?

Die EU hat für die Energiewende für das Jahr 2020 bei Biokraftstoffen das Ziel von 10 Prozent Anteil am Kraftstoffmarkt festgelegt. Der Vorschlag der EU-Kommission will dieses Ziel halbieren. Das soll zur Entwicklung von Kraftstoffen der zweiten Generation führen wie Biomass to Liquid (BtL) [2], die dann aus biogenen Reststoffen erzeugt werden. In die Klimabilanz von Treibstoffen sollen auch indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) einberechnet werden. Die EU begründet das mit der Erfahrung aus der Expansion von Biokraftstoffen: Der Anbau von Pflanzen für die Kraftstoffgewinnung verdrängt Futter- und Nahrungsanbau auf Flächen, die zuvor nicht landwirtschaftlich genutzt worden sind. Wie zum Beispiel gerodeten Regenwald. Dadurch würden die Biokraftstoffe genauso viele Emissionen erzeugen, wie fossile Treibstoffe.
Geändert werden sollen die Richtlinien über erneuerbare Energien und über die Kraftstoffqualität, damit die folgenden Ziele erreicht werden:

- Erhöhung der Mindestschwellenwerte für die Treibhausgasreduktion bei neuen Anlagen auf 60 %, um die Effizienz der Verfahren zur Biokraftstoffherstellung zu verbessern und weitere Investitionen in Anlagen mit schlechterer Treibhausgasbilanz unattraktiv zu machen

- Einbeziehung von ILUC-Faktoren in die Berichterstattung der Kraftstofflieferanten und Mitgliedstaaten über die Reduzierung von Treibhausgasemissionen bei Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen

- Begrenzung der Menge der aus Nahrungsmittelpflanzen hergestellten Biokraftstoffe und flüssigen Biobrennstoffe, die bei der Erreichung des Ziels der EU berücksichtigt werden kann, den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrsektor bis 2020 auf 10 % zu steigern, auf das gegenwärtige Verbrauchsniveau (5 %) bis 2020, während das Gesamtziel für den Anteil der erneuerbaren Energien und für die Verringerung der CO2-Intensität bestehen bleibt

- Schaffung von Marktanreizen für Biokraftstoffe ohne oder mit nur geringen Emissionen aufgrund indirekter Landnutzungsänderungen, und insbesondere für die 2. und 3. Generation von Biokraftstoffen, deren Ausgangsstoffe nicht zu einem zusätzlichen Flächenbedarf führen, einschließlich Algen, Stroh und verschiedene Abfallarten, da diese effektiver zur Erreichung des Ziels der Richtlinie über erneuerbare Energien beitragen werden, den Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrssektor auf 10 Prozent zu steigern.

Am Ende sollen Biokraftstoffe gefördert werden, die nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion stehen. Der Vorschlag der EU lässt die nationalen Förderziele zunächst unberührt. Doch spätestens ab 2020 sollen nur noch die Biokraftstoffe gefördert werden, die gewünscht sind.

ILUC

Die indirekten Landnutzungsänderungen sollen einbezogen werden. Es gibt auch Zahlen im entsprechenden Bericht der EU KOM(2010)811. Darin heißt es aber auch: Die geschätzten Landnutzungsänderungen können niemals bewiesen werden, da indirekte Landnutzungsänderung in Phänomen ist, dass weder direkt beobachtet noch gemessen werden kann. Sie sind eine Projektion vergangener Trends, die nicht unbedingt eintreffen muss [3].

Reaktionen

Der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert von der EU-Kommission einen stetigen Kurs der Biokraftstoffpolitik und hält den Anteil von zehn Prozent für das Jahr 2020 weiterhin für realistisch. Innerhalb der EU stagniere die Nachfrage nach Agrarprodukten und mache Flächen frei. Der DBV wehrt sich ebenfalls gegen die „Schuldfrage“, dass Biokraftstoffe allein ein Hungertreiber sind. Außerdem fallen bei der Produktion von Biokraftstoffen wertvolle Futtermittel an, die den Import umstrittener Eiweißfuttermittel substituieren können.

Der europäische Bauern- und Genossenschaftsverband Copa-Cogeca erinnert daran, dass einige Mitgliedsländer bereits Pläne für die Zeit nach 2020 gemacht haben, einen noch höheren Anteil an Biokraftstoffen zu erreichen. Der EU-Kommissionsvorschlag werde diese Pläne „brutal“ beenden und der Biokraftstoffindustrie die Dynamik nehmen. Das gefährde Arbeitsplätze auf dem Land. Generalsekretär Pekka Pesonen fürchtet den Zusammenbruch der Zuckerrübenindustrie, die sich auf die Bereitstellung von Ethanol aufgestellt habe. Der Verband der Ölsaatenindustrie sieht den Rapsanbau gefährdet. Es werde nur der kleinere Teil für die Biodieselproduktion genutzt. 60 Prozent der Ernte sind das so genannte Ölschrot, das im Trog landet.

Dietrich Klein, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft, prophezeit nach der Reduzierung der Biokraftstoffquote „mehr fossiles Benzin und Treibhausgase“. Es seien weder genügend Abfälle noch Reststoffe für die BtL-Technologie vorhanden, die zudem noch nicht marktfähig sei.

Am Abend hat Copa-Cogeca zusammen mit europäischen Biokraftstoffverbänden nachgelegt. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, dass die europäischen Bauern von einer guten Entwicklung abgekoppelt werden und durch den Verzicht auf neue Kraftstoffpflanzen auf Diversifizierungen der Betriebe verzichten müssten.

Kritik gab es auch von Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen), Landwirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz. Der Vorschlag entspreche nicht den Forderungen der Umwelt- und Landwirtschaftsverbände, sondern sei ein Zeichen von Planlosigkeit in der Biosprit-Strategie. Zum einen bleibe der Beimischungszwang ein Irrweg und verschärfe weltweit die Konkurrenz um Anbauflächen für Nahrungsmittel. Günstiger für die Umwelt sei die Konzentration auf rein pflanzliche Treib- und Schmierstoffe für umweltsensible Bereiche wie Landwirtschaft und Wasserschutzgebiete. Wenn der Raps aus der Produktionskette falle, risse die EU „Löcher in die Futtermittelkette“.

Lesestoff:

[1] Unbehagen vor dem Vorschlag

[2] BtL-Kongress

[3] EU-Bericht zu ILUC: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:0811:FIN:DE:PDF

Heute erscheint die Studie des Umweltforschungszentrum Halle zum Thema: Gibt es überschüssige Flächen für Bioenergie?

Roland Krieg

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