EU-Maßnahmepaket für sichere Lebensmittel

Landwirtschaft

 EU modernisiert den Gesundheitsschutz - Saatgutverordnung

Höhere Gesundheits- und Sicherheitsstandards bedeuten höhere Lebensmittelsicherheit. Nach diesem Credo hat die EU am Montag ein umfangreiches Maßnahmepaket vorgelegt, die Lebensmittelkette moderner und sichere zu machen und damit zu stärken. Im Wesentlichen wurden 70 Rechtsakte, in denen die Regelungen zur Lebensmittelkette verteilt sind, auf fünf Rechtsakte verschlankt. Damit verbunden soll auch ein verringerter Aufwand für Landwirte, Kontrolleure und Unternehmer sein.

Hauptelemente des Vorschlags:

Amtliche Kontrollen

- Die Kommission hat der Notwendigkeit Rechnung getragen, das Instrumentarium zu stärken, mit dem die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften vor Ort kontrollieren (durch Kontrollen, Inspektionen und Tests).

- Die jüngsten Lebensmittelskandale haben wieder einmal gezeigt, dass die von den Durchsetzungsbehörden ergriffenen Maßnahmen effizienter werden müssen, damit die Verbraucher und die ehrlichen Unternehmer vor den Gefahren bzw. wirtschaftlichen Schäden geschützt werden, die durch Verstöße gegen die Vorschriften entlang der Lebensmittelkette entstehen können.

- Die neuen Vorschriften stützen sich auf eine stärker risikobasierte Entscheidungsgrundlage, wodurch die zuständigen Behörden ihre Ressourcen stärker auf die wichtigen Aufgaben bündeln können.

- Das derzeitige Gebührensystem, mit dem die Durchführung der genannten Kontrollen gemäß dem Prinzip der Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lebensmittelkette finanziert wird, wird auf weitere Bereiche ausgedehnt, in denen bisher keine Gebühren erhoben wurden.

- Kleinstunternehmen sind von der Zahlung solcher Gebühren befreit – nicht aber von den Kontrollen–, damit ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt.

- Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Betrugskontrollen in vollem Umfang in ihre nationalen Kontrollpläne einzugliedern und dafür zu sorgen, dass die im Betrugsfall verhängten Geldbußen so hoch angesetzt sind, dass sie eine abschreckende Wirkung haben.

Tiergesundheit

- Im Rahmen des Pakets werden die EU-Rechtsvorschriften zur Tiergesundheit in einem einzigen Rechtsakt zusammengefasst, dem der Leitsatz „Vorbeugung ist die beste Medizin“ zugrunde liegt.

- Ziel sind höhere Standards und ein gemeinsamer, koordinierter Rahmen für die bessere Erkennung und effizientere Bekämpfung von Seuchen und den besseren Umgang mit Gefahren in Bezug die öffentliche Gesundheit sowie auf die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit.

- Unter diesem verbesserten System mit besseren Vorschriften für Identifizierung und Registrierung haben die für die Sicherheit der Lebensmittelkette zuständigen Akteure, wie Landwirte und Tierärzte, die Möglichkeit, rasch auf den Ausbruch von Seuchen zu reagieren und damit ihre Ausbreitung einzudämmen sowie die Auswirkungen auf den Viehbestand und die Gefahren für die Verbraucher zu minimieren.

- Außerdem wird eine Einstufung und Priorisierung der Seuchen eingeführt, bei denen ein Eingreifen auf EU-Ebene erforderlich ist. Dadurch kann stärker auf risikobasierte Kriterien zurückgegriffen werden und die Ressourcen können wirtschaftlicher eingesetzt werden.

- Die Vorschriften lassen genügend Spielraum, um die Tiergesundheitsmaßnahmen je nach Größe und Art des Betriebs (z. B. KMU, Hobby-Tierhaltungen) oder nach den lokalen Gegebenheiten auszugestalten, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Registrierung und Zulassung von Betrieben sowie die Haltung von Tieren und die Vorhaltung von Erzeugnissen.

- Insgesamt gesehen müssen die Vorschriften so flexibel und solide sein, dass die EU im Falle gravierender Klimaveränderungen effiziente Maßnahmen ergreifen kann, d. h. sie müssen die Instrumente vorsehen, die wir benötigen, um neu auftretenden Risiken begegnen und uns dem wissenschaftlichen Fortschritt sowie internationalen Standards rasch anpassen zu können.

Pflanzenschutz

- Der Sektor der Pflanzenerzeugung in der EU erwirtschaftet jährlich 205 Mrd. EUR. Ohne die Vorschriften zum Pflanzenschutz würde die Branche schwere wirtschaftliche Einbußen erleiden.

- Die land- und forstwirtschaftlichen Flächen sowie die sonstigen Grünflächen der EU sind von Pflanzenschädlingen und ‑krankheiten bedroht. Infolge der Globalisierung des Handels und des Klimawandels werden immer mehr neue Schädlingsarten eingeschleppt.

- Um die Ansiedlung neuer Schädlinge in der EU zu verhindern und den Pflanzenbausektor und die Forstwirtschaft zu schützen, schlägt die Kommission vor, die bisherige Pflanzenschutzregelung zu erweitern.

- So heben die Vorschriften stärker auf den mit höherem Risiko behafteten Handel mit Drittländern und eine bessere Rückverfolgbarkeit des Pflanzenmaterials auf dem Binnenmarkt ab.

- Die Überwachung wird ausgebaut und es sind Maßnahmen zur frühzeitigen Tilgung bei Auftreten neuer Schädlingsarten sowie zur finanziellen Entschädigung der Unternehmer vorgesehen, deren Pflanzen solchen Quarantäneschädlingen zum Opfer fallen.

Pflanzenvermehrungsmaterial (einschließlich Saatgut)

60 % des Auftragswerts der weltweiten Ausfuhren an Saatgut entfallen auf die EU.

- Das Paket enthält vereinfachte und flexiblere Vorschriften für die Bereitstellung von Saatgut und anderem Pflanzenvermehrungsmaterial auf dem Markt, die dazu dienen, Produktivität, Anpassungsfähigkeit und Vielfalt des Pflanzenbausektors und der Wälder in Europa zu erhalten und damit den Handel mit den daraus gewonnenen Erzeugnissen zu fördern.

Durch das breite Spektrum an Pflanzenvermehrungsmaterial und die verbesserten Testvorschriften wird die biologische Vielfalt erhalten und es wird eine Züchtung gefördert, die im Einklang mit den Grundsätzen der nachhaltigen Landwirtschaft steht.

- Ausgenommen von den EU-Vorschriften ist der Einsatz von Saatgut zu privaten Zwecken. So können Hobbygärtner weiterhin jede Art von Pflanzenvermehrungsmaterial erwerben und ihr Saatgut in kleinen Mengen auf dem Markt bereitstellen. Ebenfalls keine Anwendung finden die vorgeschlagenen Vorschriften auf Saatgut, das zwischen Personen ausgetauscht wird, die keine Unternehmer sind (z. B. Hobbygärtner).

- Mit der neuen Verordnung soll eine größere Auswahl für die Nutzer geschaffen werden, u. a. durch neue verbesserte und getestete Sorten, Material, das nicht der Definition einer Sorte entspricht (heterogenes Material), herkömmliche Sorten und für Nischenmärkte bestimmtes Material.

- Die Vorschriften fallen jedoch den Anforderungen an eine bessere Rechtsetzung entsprechend je nach Typ des Materials, Erzeugungsbedingungen und Unternehmensgröße unterschiedlich aus. So gelten für althergebrachte Sorten und heterogenes Material lediglich abgeschwächte Registrierungsvorschriften. Solche Kategorien sind von Tests und anderen rechtlichen Auflagen ausgenommen.

- Weniger strenge Auflagen gelten ferner für Mikrounternehmen: Diese können Pflanzenvermehrungsmaterial jedes Typs als „für Nischenmärkte bestimmtes Material“ ohne Registrierung auf den Markt bringen.

- Mikrounternehmen brauchen zudem grundsätzlich keine Registrierungsgebühren zahlen.

Schlanke Regeln für sichere Lebensmittel

EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg fasst das umfangreiche Paket mit den Worten „Schlanke Regeln für sichere Lebensmittel“ zusammen. Ein Teil gehe auf den Pferdefleischskandal zurück und soll den Verbrauchern da Vertrauen in die Lebensmittelkette wiedergeben.
Dazu gehört, dass Betrüger ihre Betrugsgewinne wieder verlieren. Die Kommission kann Tests im Betrugsfall veranlassen und nicht mehr nur empfehlen. Offizielle Kontrollen werden künftig generell unangemeldet stattfinden.
Bezug auf die letzten Lebensmittelskandale stellt auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner her. „Die Skandale der letzten Zeit haben uns vor Augen geführt, dass wir die Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen in der gesamten EU verbessern müssen.“ Die Effizienz von Kontrollen dürfe sich nicht an der Kassenlage der Länder ausrichten. Deshalb sollten die kontrollierten Unternehmen „über angemessene Gebühren“ an den amtlichen Kontrollen beteiligen.

Die nächsten Schritte

Rat und Parlament werden die Vorschläge beraten. Die EU-Kommission geht davon aus, dass das Paket 2016 in Kraft gesetzt werden kann.

Saatgutverordnung

Eine der spektakulärsten Pakte ist das über das Saatgut. Im Vorfeld wurde um die Biodiversität gefürchtet [1].Tonio Borg unterstrich, dass die Regeln für die Betriebe mit alten Pflanzensorten nicht gelten. Die Regeln zielen auf den professionellen Bereich. Die in der EU angebauten Nutzpflanzen haben einen Wert von 205 Milliarden Euro im Jahr. Diesen Bestand gelte es vor eingewanderten Schädlingen und dem Klimawandel zu schützen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zeigte sich in einer ersten Stellungnahme zufrieden mit der Regelung. „Ich werde mich in der weiteren Diskussion dafür einsetzen, dass Hobbygärtner von den Regelungen ausgenommen bleiben und es auch für Kleinbetriebe Ausnahmen gibt.“ Nach Aigner sollen aber auch genetisch breiter angelegte Pflanzensorten aus ökologischen Zuchtprogrammen leichter auf den Markt kommen.
Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) sieht in dem Regelwerk eine Unterstreichung des europäischen Sortenrechts. „Man sieht Saatgut seine Ertragsfähigkeit, Krankheitsresistenz und Qualität nicht an“, erklärt Dr. Carl-Stephan Schäfer, Geschäftsführer des BDP. So dürfen weiterhin nur geprüfte Sorten verkauft werden. Die ersten EU-Saatgutregeln resultieren aus den 1960er Jahren. Die künftigen Regeln werden in die Lebensmittel- und Kontrollverordnung 882/2004 einbezogen. Damit wird sichergestellt, dass in sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten die Saatgutbehörden nach gleichen verlässlichen Standards arbeiten.
Kritik gibt es von Bündnis 90/Die Grünen. Harald Ebner, Sprecher für Agro-Gentechnik sieht in dem Regelwerk keine Förderung für Biodiversität: „Es genügt nicht, das Thema „genetische Vielfalt“ nur über Ausnahmeregelungen abzuhandeln.“ Die Sortenvielfalt müsse gefördert und dürfe nicht nur toleriert werden. Ebner fürchtet, dass der Begriff „historische Sorten“ die bisherigen Spielräume von kleinen Züchtern, der Öko-Züchtung und nicht-kommerzialisierten Züchtungsinitiativen einschränke. Ebner will die kommenden Diskussionen nutzen, die Spielräume größer zu machen.

Lesestoff:

[1] Schon Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer kam im April von den GAP-Trilog-Verhandlungen aus Brüssel zurück und gab Entwarnung, dass die Regeln nicht für die Betriebe zur Erhaltung alterPflanzensorten gelten

Roland Krieg; VLE

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