EU-Umweltrat: Opt-in für GVO-Opt-out
Landwirtschaft
Mehrheit spricht sich für individuelle GVO-Ausnahmen aus
2008 gab es die erste Idee. 2010 den ersten Vorschlag
der Kommission und das Europäische Parlament votierte 2011 ebenfalls dafür: Die
einzelnen Mitgliedsländer der EU könnten individuelle Ausnahmen für die
Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen erlassen. Die so genannte „Opt-out“
– Regel.
Basis ist der griechische Vorschlag, der die EU-weite
Zulassung unverändert vorsieht und bei der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit EFSA belässt, den Ländern aber nicht nur wegen
gesundheitlicher Bedenken – wie es derzeit geregelt ist – sondern auch aus
Gründen sozio-ökonomischer Natur aus der Zulassung einen Ausstieg bietet. Wenn
also ein Land die Schönheit der Landschaft durch den Anbau gentechnisch veränderter
Pflanzen gefährdet sieht, kann es mit dem Unternehmen vereinbaren, die
Zulassung für dieses Land auszusparen, oder es am Ende verbieten. Dieser Vorschlag
der griechischen Ratspräsidentschaft am Montag im EU-Umweltministerrat eine
große Mehrheit.
Momentum nutzen
Die Zeit ist günstig. Die Zulassung der Maissorte 1507 hat
mehr als 12 Jahre gedauert und zeigt die Zerrissenheit der EU. Es gibt weder
ein klares „Ja“ noch ein klares „Nein“. Der griechische Vorschlag scheint zu
punkten. EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg formulierte es so: Der Bus ist an
die Haltestelle vorgefahren und die Mitgliedsländer brauchen nur noch
einzusteigen. Es sei unnötig, einen neuen Bus zu erfinden. Der Vorschlag
scheint aus der Sackgasse der politischen Diskussion zu führen, wie es mehrere
Länder wie Spanien oder Großbritannien formulierten. Selbst die deutsche
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks kann sich für die Opt-out-Formel
erwärmen. Sie sagte, Deutschland habe bislang zu den Blockieren dieses Kompromisses
gehört, schlage aber eine Überprüfung der Regel vor und kann sich sogar
vorstellen, dass in der Bundesregierung eine Mehrheit für das individuelle „Nein“
möglich sei.
Auch Frankreich hatte einen Vorschlag vorgelegt, der
ein zweistufiges Zulassungsverfahren vorsieht: Einmal auf Ebene der EU und dann
bei den einzelnen Ländern. Dafür sprach sich außer den Franzosen aber niemand
mehr wirklich aus.
So günstig wie jetzt war noch kein Moment für eine
europäische Einigung bei diesem brisanten Thema. Bereits im Juni könnte der Vorschlag
abschließend angenommen werden.
Widerstand in Deutschland ist zäh
Barbara Hendricks wird es zu Hause nicht leicht haben. Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin in der Fraktion Die Linke, kommentierte: „„Zuerst muss ein Moratorium für alle Anbauzulassungen von Genpflanzen her, bis es ein qualifiziertes Zulassungsverfahren gibt. Nur so kann vorbeugender Verbraucherschutz glaubhaft gestärkt werden. Nationale Anbauverbote wären nur eine Notbremse, die auf einem gemeinsamen Markt mit mobilen Pollen kaum funktioniert und somit das trojanische Pferd für den Verbraucherschutz.“
Auch Harald Ebner, Sprecher für Agrogentechnik bei Bündnis 90/Die Grünen, ist unzufrieden: „Die jetzt diskutierten nationalen Gentechnik-Anbauverbote („Opt-out“) sind ein vergiftetes Angebot, das ein Gentech-Chaos in Europa erzeugen würde anstatt Gentechnik wirksam zu verhindern. Dass Staaten, die keine Genpflanzen auf ihren Äckern wollen, mit den Gentech-Konzernen darüber verhandeln sollen, ist wirklich ein Unding. Was hat das mit Demokratie zu tun?“
Roland Krieg