EU will mehr Kohärenz in der Entwicklungspolitik

Landwirtschaft

Was bringt der Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik?

Entgegen der oft geäußerten Kritik, die EU müsse mehr Entwicklungspolitik betreiben, bewegt sich das Wirtschafts- und Politikbündnis aus 28 Mitgliedsstaaten, doch auf einem guten Weg. Das zeigte der Diskussionsabend der Gesellschaft für Internationale Entwicklung (GIZ) am Mittwochabend in Berlin. Der stellvertretende Direktor der EU-Generaldirektion für Internationale Zusammenarbeit, Klaus Rudischhauser, diskutierte mit der kritischen Grünenpolitikern Bärbel Höhn aus dem Deutschen Bundestag vor mit dem Fachpublikum.

Im Herbst 2016 hat die EU-Kommission nach 2005 einen Vorschlag vorgestellt, der die Entwicklungszusammenarbeit auf ein neues Fundament stellen soll. Der mit den Ministerpräsidenten der Mitgliedsländer und dem Europäischen Parlament noch abzustimmende Vorschlag ruht auf den fünf P-Kriterien People, Planet, Prosperity, Peace und Partnership. Das mehr politische Papier aus dem Jahr 2005 setzte auf die Millenniumsentwicklungsziele und auf einen gemeinsamen, aber unverbindlichen Rahmen. Dennoch haben sich die nationalen Entwicklungsziele der einzelnen Länder bis auf Kleinigkeiten angenähert, sagte Rudischhauser. Auch finanziell spielt die EU eine große Rolle. Sie stellt rund 55 Prozent der globalen Entwicklungshilfe, von denen 20 Prozent aus den EU-Institutionen selbst stammen.

Jetzt sollen die Länderziele besser und verbindlich auf die Entwicklungspolitik der EU abgestimmt werden. Mit den Themen Klimawandel und Migration sind zudem neue Herausforderungen hinzugekommen. So mussten neue Ziele definiert werden, ohne die alten nicht zu verlieren. Deshalb orientiert sich der Rahmen an die Agenda 2030 der Vereinten Nationen, den Sustainable Development Goals. Wichtig ist nach Rudischhausen die Kohärenz zwischen den einzelnen Politikbereichen und verweist auf das im letzten Jahr vorgestellte EU-Papier zur gemeinsamen Außenpolitik. Dort spielt die Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls eine große Rolle.

Rudischhausen beklagt die nicht ausreichende mediale Aufmerksamkeit der europäischen Politik. Die Hilfe für die afrikanischen Truppen im Kampf gegen die al-Shabaab-Miliz in Somalia werde nirgendwo erwähnt. Da die EU keine militärische Hilfe leisten darf, bewege sich an der möglichen Grenze. Sie unterstützt die afrikanischen Truppen mit einem Tagesgeld für die Ernährung. In der Region um den Tschad-See geht sie noch einen Schritt weiter und finanziert Fahrzeuge im Kampf gegen die Boko Haram. Diese militante Religionsgruppe rücke dort und neuerdings im Nachbarland Kamerun in die Lücken der Entwicklungshilfe vor. Die Miliz zahle den jungen Männern einen Sold, wo es sonst keine Verdienstmöglichkeiten gibt.

Während das für den EU-Politiker eine Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen auf der Welt ist, kritisiert Bärbel Höhn die Rückschritte der EU. Die Staatengemeinschaft sei zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um nach außen auf internationalen Konferenzen mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen. Der Klimavertrag in Paris wurde von den USA und China nach vorne gebracht, während der Vorläufer Kyoto-Protokoll noch hauptsächlich auf die EU zurückging. Für Höhn verlasse die europäische Entwicklungspolitik die Kernbereiche Umwelt und Klima, die Hunger und Armut verursachen und verstärken. Geld für das Militär und gegen Migration sei eine nachsorgende Reparatur und keine vorsorgende Vermeidung von Fluchtgründen.

Das Kommissionspapier schreibe zwar von Kohärenz zwischen den Politikbereichen, doch habe das wenig mit der Realität zu tun. Die hoch subventionierte Agrarwirtschaft behindere eine faire Marktbeteiligung der Südländer und die Handelsverträge beförderten nur die europäischen Exporte.

Rudischhauser sieht das differenzierter. Die asymmetrischen Handelsbedingungen für die Länder Afrikas, wie das Everything-but-Arms-Prinzip, bleiben auch bei gesenkten Zollsätzen erhalten. Die Gründe für die Unterentwicklung der Regionen liegen an der fehlenden Industrialisierung und dem fehlendem innerafrikanischen Handel. Die Länder könnten eine eigene wettbewerbsfähige Industrie aufbauen. Doch finanzierten sie sich meist über Zolleinnahmen und nicht über Unternehmensabgaben. Immerhin, so Rudischhausen, will die Afrikanische Union den ganzen Kontinent zu einer Freihandelszone machen.

In dem neuen Konzept soll sich auch die neue Entwicklungspolitik widerspiegeln. Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass Pilotprojekte für wenige hundert Kleinbauern keine großskaligen Effekte hervorgebracht haben. Daher setzt die EU weiterhin auf privates Kapital und große Konzerne, die allerdings für die kleinen und mittleren Landwirte und Unternehmen ausgerichtete Projekte umsetzen müssen. Gearbeitet werden muss auch an der Veränderung der Politischen Rahmenbedingungen gegen Landgrabbing und für Zugang zu Ressourcen vor Ort.

Gefragt wurde Rudischhausen über neue Wachstumsmodelle in der Entwicklungshilfe. Die Ressourcenknappheit lasse ein Wirtschaften wie bisher nicht mehr zu. Doch auch hier hatte Rudischhausen eine kohärente Antwort parat. Innerhalb den nächsten beiden Jahre wird die EU ihre Wachstumsziele bis 2020 auf eine nachhaltige Wirtschaft bis 2030 umformulieren, was sich in der Entwicklungspolitik ebenso abbilde. Zudem kommen die Projekte in den Ländern schneller voran, die selbst an der Entwicklung des ländlichen Raums und der Erlangung der Ernährungssouveränität arbeiten.

Der „Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik“ soll diesen Mai mit Rat und Parlament abgeschlossen und auf den Europäischen Entwicklungstagen 2017 ab dem 08. Juni unterschrieben werden.

Roland Krieg

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