Europaparlament lehnt Saatgutgesetz ab
Landwirtschaft
Europaparlament: Zu wenig Spielraum im Saatgutgesetz
Mit 650 zu 15 Stimmen hat das Europaparlament am Dienstag die Saatgut-Verordnung der Kommission eindeutig abgelehnt. „Die heutige Abstimmung zeigt, wie tief die Unzufriedenheit des Parlaments über den Kommissionsvorschlag sitzt, der die Kernziele wie zum Beispiel die Vereinfachung der Vorschriften oder die Förderung von Innovation verfehlt hat. Viele Abgeordnete sind besorgt darüber, dass hier 12 Richtlinien in eine einzige unmittelbar geltende Verordnung gegossen werden sollen, ohne Spielraum für die Mitgliedstaaten, die neuen Regeln an ihre eigenen Bedürfnisse anzupassen“, sagte der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses Paolo de Castro, Sozialdemokrat aus Italien.
Landsmann und Berichterstatter Sergio Paolo Francesco Silvestris von den Christdemokraten bemängelte die hohe Anzahl an delegierten Rechtsakten. Sie würden „der Kommission unverhältnismäßig weitreichende Befugnisse in bestimmten Bereichen verleihen, die so sensibel sind, dass sie bereits in den Rechtsvorschriften klar definiert werden sollten“.
Martin Häusling von den Europa-Grünen ist zufrieden: „Der Vorschlag der EU-Kommission zur Saatgutverordnung würde es Landwirten und Kleingärtnern in Zukunft extrem erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen, ihr eigenes Pflanzenmaterial weiter frei zu nutzen. Anstatt das Saatgut zu verwenden, das sie auf ihren eigenen Äckern mit der Ernte gewinnen oder von regionalen Tauschbörsen beziehen, müssten Landwirte und Hobbygärtner neues und vereinheitlichtes Saatgut kaufen.“ Bedenklich sei, dass das Marktpotenzial der alternativen Züchter und des Ökolandbaus deutlich eingeschränkt sei und alte Landsorten würden vom Markt verschwinden.
Harald Ebner, Sprecher für Agrogentechnik bei Bündnis 90/Die Grünen: „Die Zurückweisung des Verordnungsvorschlags ist ein Erfolg für Landwirte, kleinere Züchter und Erhaltungszucht-Initiativen und nicht zuletzt für die Verbraucher, deren Auswahl nicht durch bürokratische Regeln gemindert wird. Aber auch ohne neue Verordnung gehen der Strukturwandel in der Züchtungsbranche und der dramatische Verlust an genetischer Vielfalt ungebremst weiter. Deshalb ist es zu wenig, wenn Erhaltungszucht oder Öko-Züchtung nur toleriert, aber nicht aktiv gefördert werden.“ Die Bundesregierung sei nun über den Rat gefordert „in die Vielfalt von Nutzpflanzen zu investieren“.
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft stellte vier Forderungen auf, die in einer Neufassung berücksichtigt werden müssen:
- Sorten, welche für den Öko-Landbau gezüchtet sind, müssen unter Öko-Bedingungen und auf passenden Standorten geprüft werden.
- Sorten, die sich durch ein weniger einheitliches Erscheinungsbild auszeichnen, müssen zugelassen werden können.
- Informationen zur Züchtungsmethode der Sorten müssen allgemein verfügbar sein.
- Der Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt bei Nutztieren und -Pflanzen sind ein wichtiges öffentliches Ziel sowie eine die Verpflichtung der Staaten über internationale Verträge. Daher muss die wissenschaftliche und praktische Kompetenz zur Prüfung von Sorten in öffentlicher Hand und vor Ort erhalten bleiben und darf nicht privatisiert werden.
Ansonsten sei „eine Liberalisierung des Saatgutmarktes, in dem das staatliche Zulassungswesen als freiwilliges Qualitätssystem fungiert, zu bevorzugen“, unterstreicht BÖLW-Vorsitzender Dr. Felix Prinz zu Löwenstein.
Die Kommission hat ihren Vorschlag nicht zurückgenommen. Dieser ging jetzt an den Rat. Sollte er zu dem gleichen Ergebnis kommen, ist das Gesetzgebungsverfahren beendet. Der Rat kann den Vorschlag aber auch abändern, was zu einer zweiten Lesung im Parlament führen wird. Das Parlament kann dann den Vorschlag endgültig ablehnen oder Verhandlungen mit dem Rat für einen Kompromiss beginnen.
Roland Krieg