Europaparlament stimmt Opt out zu
Landwirtschaft
Regierungen entscheiden jetzt über GVO-Anbau
Mehr als vier Jahre konnte sich die EU nicht zum Thema Anbau von gentechnischen Pflanzen einigen. Am Dienstag stimmte das Europaparlament mit 480 zu 159 Stimmen bei 58 Enthaltungen für die neue Regelung, dass die Länder eigene Verbote und Zulassungen erteilen dürfen. Berichterstatterin Frédérique Ries aus Belgien (Liberale) kommentiert: „Diese Regelung gibt den Ländern mehr Optionen, wenn sie den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf ihrem Staatsgebiet verhindern wollen.“ Die Regelung werde aber die Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern nicht verstummen lassen. Wenn EU-Präsident Jean-Claude Juncker seine formelle Zustimmung gibnt, tritt die Regelung bereits im Frühjahr 2015 in Kraft.
Die Regelung erlaubt den Mitgliedsländern, den Anbau aus selbstgewählten politischen Umweltaspekten heraus zu verhindern. So können Raumplanungen und sozio-kulturelle Argumente den Anbau verhindern. Verboten werden dürfen auch ganze Gruppen von gentechnisch veränderten Pflanzen.
Zwar haben die Saatgutfirmen die Möglichkeit, dem Bann zu widersprechen, aber die Regierung muss sich nicht daran halten. Im Vorfeld muss das Verbot nicht mit den Konzernen abgestimmt werden.
Wer sich für den Anbau entscheidet, muss entsprechende Koexistenzregeln einhalten, um die Ausbreitung der Pflanzen zu verhindern.
Derzeit ist die Maissorte Mon 810 die einzige GV-Pflanze, die in der EU angebaut wird.
Susanne Melior von den europäischen Sozialdemokraten hätte zwar ein europaweites Anbauverbot bevorzugt, um einen Flickenteppich zu vermeiden, gibt aber zu, dass nach vier Jahren Stillstand ein Kompromiss gefunden wurde, der zumindest in Deutschland ein rechtssicheres Anbauverbot zulässt. Sie bezieht sich auf die Mehrheit der Kunden, die keine grüne Gentechnik auf ihrem Teller haben wollen.
Skeptisch ist Maria Heubuch von den europäischen Grünen. Was sich gut anhört „könnte sich als trojanisches Pferd entpuppen und Gentechnik-Anbauzulassungen erleichtern.“ Sie glaubt, die EU will durch das Opt out die GVO-Zulassung beschleunigen. Ihr Kollege Martin Häusling fürchtet die Gefahr der Ausbreitung von GV-Pflanzen durch den Transport quer durch die EU. Häusling besteht weiter auf einer kompletten Neuregelung der Zulassungspraxis.
Die Ökobranche in Deutschland ist sich einig: Sie erwarten von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, dass er das Verbot umgehend durchsetzt. Der Branche entstehen hohe Kosten, um Verunreinigungen in gentechnikfreien Produkten zu vermeiden. „Unternehmen, die ohne Gentechnik produzieren und diesen Markt bedienen wollen, ist nicht zuzumuten, dass sie die zeche dafür zahlen sollen, dass andere Gentechnik nutzen“, sagte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). In dem „Schadensbericht Gentechnik“ wird die Verunreinigung nicht zugelassener gentechnisch veränderter Sorten mit einem weltweiten Schaden in Höhe von 5,4 Milliarden US-Dollar angegeben.
Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, bleibt gegenüber Schmidt skeptisch. Die Bundesregierung habe sich bislang nicht eindeutig gegen den Anbau ausgesprichen und verspreche nur weitere „Prüfanträge“. „Der Ball rollt also Richtung Berlin. Doch die Bundesregierung lässt sich trotz eindeutigem Beschluss des gesamten Bundestags nicht in die Karten blicken. Die Linksfraktion fordert wie viele Agrar- und Umweltverbände eine bundeseinheitliche Regelung. Ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in den Bundesländern ist nicht sachgerecht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung dies offen lässt.“
roRo, VLE