Eurosolar in Potsdam - Teil I
Landwirtschaft
Brandenburger Bauern als Energiewirte
Die 9. EUROSOLAR-Konferenz stellt zwei Tage lang in der Potsdamer Industrie- und Handleskammer den „Landwirt als Energie- und Rohstoffwirt“ im Fokus. Das sich aber das Thema erneuerbare Energien nicht mehr nur auf Rapsfelder und Energiemais reduzieren lässt, zeigte der gestrige Vormittag.
IPCC: Das letzte Menetekel
Die Temperaturunterschiede zwischen den Warm- und Eiszeiten der Erdgeschichte betrugen fünf Grad Celsius. Fünf Grad weniger und das skandinavische Eisschild ragt wieder bis nach Potsdam. Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) verdeutlichte mit diesem Rahmen, was das Ziel der maximalen Erderwärmung von zwei Grad bedeutet.
Die Weltklimaberichte des IPCC sind in ihrer Globalität einmalig und in ihren Auswirkungen immer noch nicht richtig verstanden. Die Besonderheit liegt in der Ausdruckskraft einer „massenhafter Datenbasis“. Die von Kritikern oft angeführten Klimaschwankungen der kleinen Eiszeit oder mittelalterlichen Warmzeit haben die Experten bereits herausgerechnet. So bliebe bei den Szenarien nur die „Wahl zwischen gefährlich und Katastrophe. Wir wollen in dieser Klimafalle nicht zugrunde gehen und kommen nur gemeinsam wieder heraus“.
„Die Weltgemeinschaft der Experten“ ist sich darüber einig, dass der tropische Regenwald am Amazonas genauso verschwinden wird wie das Grönlandeis– mit der Folge, dass der Meeresspiegel um sieben Meter ansteigt.
Der „Landwirt als Energiewirt“ ist mittlerweile in die gesamte Klimaproblematik eingebunden und die Produktionsbasis der nachwachsenden Rohstoffe leidet schließlich selbst unter den Veränderungen. Auf der Basis von 26.000 Studien ließe sich zeigen, wie und vor allem wo die pflanzlichen und tierischen Erträge zurückgehen.
Gewinner und Verlierer
Der Klimawandel lässt Kanada oder Russland höhere Erträge erwarten – aber Südafrika oder Australien stehen als große Verlierer dar. Auch innerhalb von Europa werden sich Gefälle zwischen den skandinavischen und den Mittelmeerländern auftun, weswegen Schellnhuber von einer „Globalisierung mit einer neuen Dimension“ spricht. Das werde die Weltengemeinschaft auf eine Zerreißprobe stellen. Fatal sei vor allem, dass die Länder, die für den Klimawandel hauptsächlich verantwortlich sind, am wenigsten darunter leiden müssten, und das die Länder, deren Bewohner das Thema Klimawandel noch nicht einmal kennen, die Auswirkungen am deutlichsten spüren werden. Das Brandenburg als künftiges Weinland Karriere machen kann, ist dabei nur ein schwacher Trost.
Prof. Schellnhuber meint jedoch, dass „große Unfälle noch vermieden werden können“. Mit einer „Dritten industriellen Revolution“ können 200 Mrd. Tonnen Kohlendioxid durch Energieeffizienz eingespart werden, 700 Mrd. t durch erneuerbare Energien aufgefangen werden und 400 Mrd. t sequestriert werden. Das heißt CO2 wird abgeschieden und gespeichert. Zeitraum: 2002 bis 2100.
Welche Struktur?
Dr. Hermann Scheer, Präsident von Eurosolar, widmete sich dem „unauflöslichen Widerspruch zwischen Beschleunigung und Konsens“. In zehn Jahren haben Windkraftanlagen sieben Prozent Stromanteil erwirtschaftet und würden, wenn es überall vergleichbare Genehmigungsverfahren wie in Sachsen-Anhalt gäbe, mindestens das Doppelte erreicht haben. Prof. Scheer ist den Barrieren auf der Spur, die erneuerbare Energien nicht technologisch, sondern strukturell behindern.
Würden die Energiebereitstellungskosten der fossilen Energien mitbetrachtet, dann läge die Energieeffizienz viel niedriger als angegeben. 60 Prozent des weltweiten Erdöls stammten nur aus 40 Quellen, bei Erdgas sind es noch weniger und Steinkohle wird nur in fünf Ländern in bedeutendem Maßstab produziert. Windrotor und Solarzelle, sowie nachwachsende Rohstoffe auf dem Feld, haben demgegenüber den Vorteil, dass sie dort produziert werden können, wo ihre Energie gebraucht wird. Die Art der Energiequelle entscheidet über die Bereitstellungskosten und die Energiekonzerne kommen bei Prof. Scheer allesamt nicht gut weg.
Als hätten nur Schreibmaschinenfirmen die Erlaubnis gehabt, Computer zu entwickeln, gebärdeten sich die Mineralölfirmen als Gralshüter der erneuerbaren Energien.
Die Beschleunigung des neuen Energiesektors sei Ergebnis von Energiepionieren gewesen, während die Konsens-Barrieren Biodieselbesteuerung und Beimischungszwang den Markt zum Abbruch zwingen. Mit der neuen Biodieselsteuer liegt der Preis bereits über dem der konventionellen Kraftstoffe und die Mineralölkonzerne nehmen sich für die Beimischung den billigsten Biosprit, den sie weltweit beziehen können. „Das ist ein Desaster der falschen Politik“ und Scheer kündigte als Bundestagsmitglied eine Initiative an, diese beiden Gesetze wieder rückgängig zu machen. Er fordert garantierten Netzzugang für erneuerbare Energien, garantierte Einspeisevergütung sowie Investitionssicherheit. „Die Übertragung zentraler Märkte für fossile Energien auf erneuerbare Energien ist ein falscher Weg.“
Gutes und Schlechtes in Brandenburg
Die agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen und Mitglied bei Eurosolar, Cornelia Behm, sieht das Agrarland Brandenburg auf dem richtigen Weg. 30 Prozent des Stroms kommt mittlerweile aus erneuerbaren Energien und Bergbaufolgelandschaften werden mittlerweile mit schnellwachsenden Energiegehölzen rekultiviert. Allerdings sieht auch sie die Biodieselbesteuerung und den Beimischungszwang als Grund für die ersten Insolvenzen der Biodieselbranche.
Zwar steckte Agrarminister Dr. Dietmar Woidke in einem Stau auf der Autobahn, ließ aber seinen Vortrag verlesen. Brandenburg habe bereits vor dem Stern-Bericht und den IPCC-Klimaberichten die richtigen Weichen gestellt und liegt mit 106 kW Windkraft je Quadratkilometer auf dem zweiten Platz. Woidke forderte eine Reiserichtlinie für den Landtag, eine energiesparende Dienstwagenflotte und Solarzellen auf jedes öffentliche Dach.
Deutlich allerdings wurde sein Vortrag beim Thema Braunkohle. Er wehrte sich gegen die Bezeichnung „Dreckschleuder der Nation“ für das Kraftwerk Jänschwalde. Zwar müsse Jänschwalde vom Netz, aber bis es soweit ist, sollte die Effizienz von 30 Prozent noch mit neuer Technik erhöht werden. Dadurch werde der CO2-Ausstoß minimiert.
Pionierland Brandenburg
Schellnhuber wünschte sich für Brandenburg eine Pionierrolle für weltweite Technik und Konzepte bei erneuerbaren Energien, denn die neuen Bundesländer sind nach seinen Studien von der kommenden Trockenheit in Deutschland am stärksten betroffen. Immerhin weist das Land viele Forschungsinstitute auf, die wie das ATB und das ZALF vor kurzem auf wieder auf sich aufmerksam machten.
Lesestoff:
Den Veranstalter können Sie im Internet unter www.eurosolar.de besuchen. Alle Vorträge der zweitägigen Konferenz können auf CD erworben werden.
Die zur Zeit sehr gefragten Klimaforscher aus Potsdam sind unter www.pik-potsdam.de zu erreichen.
Morgen berichtet der zweite Teil über die mögliche Produktivitätssteigerung der Biomassenutzung.
Roland Krieg