Export stärkt die Landwirtschaft
Landwirtschaft
Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung
Nicht mehr jährlich, sondern alle vier Jahre wird der Agrarbericht der Bundesregierung vorgelegt. Am Mittwoch zog Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner eine positive Bilanz für den Zeitraum 2007 bis 2011. Mit dem neuen Intervall will die Bundesregierung die mittelfristigen Trends abbilden.
Gute Preise, wenig Einkommen
„Weltweit ist eine steigende Nachfrage nach
Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen zu verzeichnen“, sagte die
Ministerin. Vor überhöhten Erwartungen warnte sie jedoch, weil es nach wie vor
zu starken Schwankungen bei den Erzeugerpreisen gebe und Futtermittel sowie Öl
im Preis ansteigen: „Damit wird am Ende der Einkommenseffekt nicht so hoch
ausfallen wie wir und das wünschen.“
Im Dezember beschrieb Bauernpräsident Gerd
Sonnleitner bei der Vorstellung des Situationsberichtes die Lage poetischer: „Die
Landwirtschaft kommt aus einem dunklen Keller, hat die Tür auf der obersten
Kellertreppe aufgestoßen und blickt seit längerer Zeit einmal wieder in die
Sonne, ohne allerdings deren volle Wärme zu spüren“.
Der Agrarbericht stellt unterschiedliche
Einkommen je nach Produktionsrichtung fest: So mussten Ackerbaubetriebe im
letzten Jahr wegen der gesunkenen Getreidepreise Einbußen bis zu 25 Prozent
hinnehmen, bei den Milchbauern habe sich die Situation in den letzten Jahren verbessert
und liege über dem EU-Durchschnitt.
Betriebs- und Beschäftigungsverluste
Ilse Aigner bewertete bei der Vorlage des Berichts die Verlangsamung des Strukturwandels positiv. Der jährliche Rückgang betrage weniger als zwei Prozent. Hingegen hat die Landwirtschaftliche Zählung des Statistischen Bundesamtes bereits zur Grünen Woche auf die drängendere Gefahr verwiesen, dass viele Höfe keinen Nachfolger haben. Nur für ein Drittel der Höfe mit einem Betriebsinhaber von über 45 Jahren ist die Betriebsfolge bereits geregelt.
Starker Export
Eine positive Entwicklung hingegen verzeichne
der Export von Agrargütern. Nach der Finanzkrise habe er seinen langfristigen
Wachstumstrend fortgesetzt. Jeder vierte Euro wird auf Auslandsmärkten
verdient. Das soll auch so bleiben, denn, so der Bericht, mit der Entkopplung
der Direktzahlungen von der Produktion haben sich die Bauern „früher und
vollständiger als in anderen EU-Ländern am Markt orientieren müssen.“ Da die
Absatzmärkte in der EU begrenzt seien, müssten die Exportpotenziale in Ländern
außerhalb der EU besser ausgeschöpft werden. Das soll vor allem mit
hochwertigen Erzeugnissen der Ernährungswirtschaft, Landmaschinen und
Betriebsmitteln deutscher Herkunft umgesetzt werden. Die Landtechnik erzielt
sogar drei Viertel ihres Umsatzes auf Auslandsmärkten. Mit der Fortführung und
Intensivierung des Agrarexportes sollen in der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft
Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden.
Ein
wichtiges Exportprodukt sind Molkereiprodukte. Deutschland ist mit fast 28 Millionen
Tonnen innerhalb der EU der größte Milchproduzent und nach den USA, Indien,
China und Russland der fünftgrößte in der Welt. Die Milchquote habe die
Milchproduktion in den letzten Jahrzehnten beschränkt, so der Agrarbericht,
während die Weltkuhmilchproduktion um rund 20 Prozent auf 580 Millionen Tonnen
angestiegen ist: „Insofern bieten sich mit dem für 2015 beschlossenen Ausstieg
der EU aus der Milchquotenregelung neue Möglichkeiten für deutsche Produzenten.
Derzeit
spielt die EU eine große Rolle auf dem internationalen Milchmarkt. Sie hat
einen Anteil von 44 Prozent am Welthandel mit Käse, bei Molkepulver sind es sogar
50 Prozent.
Nachhaltige Landwirtschaft
Die Bundesregierung folgt dem Leitbild der nachhaltigen Landwirtschaft und will damit die Grundlage für eine leistungsfähige Ernährungswirtschaft und den ländlichen Raum bilden. Der Agrarbericht orientiert sich an der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und will beispielsweise den Ökolandbau auf einen Anteil von 20 Prozent bringen und den Stickstoffüberschuss auf 80 Kilogramm je Hektar und Jahr begrenzen. Daher sei „insbesondere der ökologische Landbau“ eine Zielsetzung. Gefördert wird der Ökolandbau mit 137 Millionen Euro über die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) und über das Bundesprogramm ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) mit 16 Millionen Euro.
Die Bewertung
Franz-Josef Holzenkamp, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der CDU/CSU-Fraktion sieht in dem Bericht einen politischen Erfolg. Die „an den Werten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion orientierte Agrarpolitik“ wirke positiv auf die landwirtschaftliche Produktion und könne den künftigen Herausforderungen begegnen. Die Bundesregierung habe die Bauern nicht mit populistischen und unrealistischen Forderungen wie Marktabschottungen und Marktregulierungen verunsichert, sondern mit einer guten Marktvorbereitung durch die Krise geführt. Das soll weitergeführt werden: „Dazu setzen wir einerseits auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe, andererseits auf neue und innovative Technologien“, so Holzenkamp weiter.
Verfehlte Politik
Cornelia Behm, Sprecherin für Ländliche
Entwicklung der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen sieht in dem Bericht
das Ergebnis einer „verfehlten Politik“: „Die Landwirtschaft baut Arbeitsplätze
ab, die Höfe sterben weiter.“ Während der Berichtsjahre ist die Zahl der
Betriebe von 321.000 auf 300.000 gesunken, die Zahl der Beschäftigten nimmt
jährlich um 2,2 Prozent ab.
In der Kritik steht bei den Grünen die
Agrarförderung. Die gewährten Direktzahlungen machen 52 Prozent des Einkommens
der Landwirte aus, so Behm. Sie plädiert für einen Umbau der Förderung auf eine
bäuerliche, standortangepasste und ökologische Landwirtschaft.
Mit den Versprechen und Aussagen im
Agrarbericht wird dieser ein Lackmustest für die Ministerin: „Wir sind
gespannt, wie konstruktiv Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner das von
EU-Agrarkommissar vorgeschlagene „Greening“ der Direktzahlungen unterstützen
wird.“
Auf die Neugestaltung pocht auch Hans
Hohenester, Präsidiumsvorsitzender des Anbauverbandes Naturland. Der
Öko-Landbau müsse als „Leitbild für eine zukunftsfähige und moderne
Landwirtschaft“ verankert werden. Den festgelegten Zielen zum Trotz sind
Schleswig-Holstein und teilweise Brandenburg aus der Öko-Förderung
ausgestiegen, so Hohenester weiter. Die Bundesländer sollten die „Verantwortung
übernehmen und entsprechend der gesamtgesellschaftlichen Diskussion nachhaltige
Wirtschaftsformen“ fördern.
Einseitige Sicht
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM)
wirft dem Bericht eine einseitige Betrachtung und der Stimmungslage eine zu
positive Beschreibung vor. Nicht nur, dass 52 Prozent der Einkommen aus
Direktzahlungen stammen, sei ein Fehler der Politik, auch die Nichtbeachtung
der Betriebskosten ergebe eine Schieflage. „Die Betriebsmittelpreise sind
exorbitant gestiegen: Für Futter, Saatgut und Getreide mussten laut
Statistischem Bundesamt im April 2011 71,6 Prozent mehr bezahlt werden als im
April 2010. Bei Mineralölpreisen war eine Preissteigerung von 16,2 Prozent zu
verzeichnen“, kommentiert BDM-Vorsitzender Romuald Schaber. Die
Trinkmilchpreise stiegen für die Erzeuger jedoch nur um vier Cent je Liter und
fiel mit acht Prozent eher moderat aus.
Gerade angesichts knapper Staatshaushalte
müsse die Bundesregierung „ganz schnell“ Voraussetzungen schaffen, dass die
Milchbauern ihr Einkommen stärker über das Produkt Milch erzielen können. Die
Bundesregierung solle daher nicht die Feststellungen des Bundeskartellamtes
ignorieren, dass es ein Marktmachtgefälle zu Ungunsten der Milcherzeuger gibt.
Lesestoff:
Den Agrarbericht 2011 können Sie auf der
Seite des BMELV einsehen: www.bmelv.de/agrarbericht
Den Bericht über den jährlichen
Situationsbericht des Bauernverbandes finden Sie hier
Hier geht es zur landwirtschaftlichen
Zählung