F.R.A.N.Z. kann´s
Landwirtschaft
Naturschutz kostet Geld
FRANZ geht ins zweite Jahr, seine erste Projektphase läuft bis 2019. Das Gesamtprojekt „Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft“ (F.R.A.N.Z.)“ ist auf zehn Jahre angelegt. Ziel ist Biodiversität mit 14 Maßnahmen auf zehn regional durchschnittlichen konventionellen und intensiv wirtschaftenden auf Praktikabilität und Erfolg auszuprobieren [1]. Am Montag hat Landwirt Peter Kaim in Schloß Ribbeck im Westhavelland seine FRANZ-Projekte vorgestellt, die er auf seinem Betrieb umgesetzt hat. Mit 502 mm jährlichem Niederschlag und zwischen 18 und 48 Bodenpunkten bewirtschaftet er mit acht Festangestellten und zwei Lehrlingen einen 987 ha großen Marktfruchtbetrieb und hält 150 Milchkühe. Die Biogasanlage mit 380 kW liefert Strom und Wärme für Betrieb und den Ort. Vom „Regenwurm bis zum beheiztem Wohnzimmer“ kann Peter Kaim die verschiedenen Nährstoffkreisläufe seines Betriebes Schulklassen und Interessierten vor. Zum Projekt kam Kaim durch seine Neugierde und weil er die Natur mag. Schon zu Projektstart wurden 76 verschiedene Vogelarten rund um Ribbeck gezählt. Sölle und Wald auf 30 Prozent der Kreisfläche sind eine gute Grundlage für natürlichen Artenreichtum. Greening und Ökologische Vorrangflächen gehören zur normalen Bewirtschaftung dazu.
Praxistest
Peter Kaim wird von Holger Pfeffer aus dem Deutschen Verband für Landschaftspflege im Rahmen des Projektes beraten. Maßnahmen wie Vogelfenster, extensives Getreide, Blühstreifen, Wildkräutermischungen für die Biogasanlage oder blühendes Vorgewende sollen so in den Betriebsablauf integriert werden, dass dieser nicht gestört und die Wirtschaftlichkeit nicht beeinträchtigt wird. Koordiniert wird das Projekt von Franziska Gawlik vom Deutschen Bauernverband (DBV). Die lange Projektzeit soll aussagekräftige Ergebnisse für die Politikberatung bringen und nach drei bis vier Jahren erste Trends übermitteln. Wichtig ist für sie die Umsetzung der Maßnahmen auf Betriebsebene und der einzelnen Flächen als integrierter Ansatz Landwirtschaft und Naturschutz so eng wie möglich miteinander zu verbinden. Einmal im Jahr treffen sich die zehn Betriebe zum Gedankenaustausch in Berlin.
Im Frühjahr 2017 wurden bereits auf 3,1 Prozent der Betriebsflächen 110 Einzelmaßnahmen umgesetzt. In diesem Jahr sind es bereits über fünf Prozent der Flächen und vereinzelt ist die Zielmarke von zehn Prozent bereits erreicht. Keine der Maßnahmen wird von Agrar- und Umweltmaßnahmen extra vergütet.
Im innerbetrieblichen Ablauf integrieren
Peter Kaim liegt also im Soll und freut sich über die Teilnahme am Projekt FRANZ: „Es ist bunt geworden.“ Damit meint er nicht nur die neuen Feldkulturen rund um seinen Hof, sondern auch die Arbeitsorganisation. Neue Aufgaben sind zu erledigen, einiges wurde zwischen dem ersten und zweiten Frühjahr, wie beispielsweise Arbeitsbreiten bei Blühstreifen, verändert ausprobiert. Zumindest hat Peter Kaim für das Projekt keine neuen Maschinen kaufen müssen. Saat und Ernte neuer Kulturen können mit der bisherigen Hoftechnik erledigt werden.
Das ist für ihn Mindeststandard. Kaim würde noch mehr ausprobieren, aber der Naturschutz hat einen Haken: „Er kostet Geld.“ Langfristig müsse sich ein ökonomisches System etablieren. „Es muss bezahlbar sein. Naturschutz kostet Geld.“
Wert geben
FRANZ legt damit den Finger in die fragile Schnittstelle. Im Interview mit Herd-und-Hof.de sagt Brandenburgs Landesbauernpräsident Hendrik Wendorff über das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Naturschutz: „Derzeit haben wir immer nur die Diskussion rechte Tasche, linke Tasche. Ich würde mir eine ehrliche Diskussion über gesellschaftliche Ansprüche wünschen, und das damit verbinden, erst einmal in den vorhandenen Topf mehr hineinzugeben und danach über die Verteilung des Topfes nachzudenken. Ich bin nicht dafür, das Geld in den Naturschutz zu geben und es zuvor von der Einkommenssicherung der Landwirte wegzunehmen. Das findet bei den Landwirten keine Akzeptanz.“
Auch daran wird sich FRANZ messen lassen müssen: Wie setzt die Politik die Ökonomie der Ökologie um? Die Ökonomie der Ökosysteme und Biodiversität (TEEB) gibt der Natur einen Wert, wie beispielsweise die Bestäubungsleistung oder sauberes Wasser [2]. Doch in Politik umgesetzt ist die neue Ökonomie auch nach zehn Jahren noch nicht. Ein neuer TEEB-Bericht speziell zur Landwirtschaft und Ernährung ist in Arbeit. Muss sich das Bild vom Landwirt ändern, das Selbstverständnis und der Blick der Gesellschaft auf die Bauern? Wendorff: „Ursächlich arbeitet der Landwirt für die Nahrungssicherung. Wir dürfen uns nicht durch das Überangebot verleiten lassen. Nahrungsmittel sind unbegrenzt verfügbar und erschwinglich. Dafür sage ich erst einmal Danke schön. Darüber hinaus dürfen wir nicht vergessen, dass die wachsende Weltbevölkerung nicht so günstige Produktionsbedingungen haben wie wir. Deshalb sollten wir die Nahrungssicherheit nicht aus dem Fokus verlieren.“ Darüber hinaus solle der wachsende Anspruch der Gesellschaft bedient werden.
Weiter denken
Landwirt Peter Kaim nutzte die Tagung, um Dampf abzulassen. Die bisherigen Greening-Vorgaben sind zu starr an Termine für Aussaat und Ernte gebunden. Schon alleine witterungsbedingt müssen sie flexibler werden. Feldgehölze sind ein wahrer Schatz für die Biodiversität – aber wenn Landwirte sie anlegen, dann müssen sie sich mit den Landesämtern auseinandersetzen, wann wie viel zurückgeschnitten wird. Und bei Verfehlungen drohen Sanktionen im Einkommensbereich.
Jetzt gibt Brüssel mit dem geplanten Delivery Model den Mitgliedsländern technischen und politischen Spielraum, Landwirtschaft regionaler und Agrar- und Umweltauflagen passgenauer zu gestalten. Landesbauernpräsident Hendrik Wendorff: „Ehrlich, ich habe das neue Modell bis heute noch nicht richtig verstanden. Es kann in seiner Komplexität zu einem Regionalitätsbegriff führen, den wir nicht wollen. Es müssen weiterhin eigene Programme in Brüssel genehmigt werden. Das ist eher eine Scheinregionalität. Ich glaube, es ist derzeit in Europa wichtiger, auf ein gemeinsames Europa und eine gemeinsame Agrarpolitik zu setzen.“
F.R.A.N.Z. kann´s
Die mehrjährige Wildblütenmischung wird mit 120 kg N nach der Mahd im August gedüngt. Dazu werden Gärreste eingeschlitzt. 30 Prozent des Bestandes bleiben in der sechsjährigen Nutzung als „grüne Brücke“ für die Tiere stehen. Die Mischung bringt den Bakterien Spurenelemente in die Biogasanlage. Andere Anlagenfahrer müssn dazu Nährstoffe hinzukaufen. In der Mischung sind unter anderem die Wegwarte, Weißer und Gelber Steinklee, die Färberkamille, insgesamt 25 Sorten vorhanden.
Beim Weideland kann ein Altgrasstreifen beispielsweise der Rohrdommel neuen Lebensraum geben. Nach der ersten Mahd dient der Streifen der Wiederbesiedlung durch Kleintiere. Auch hier bleibt im Herbst eine grüne Brücke bis ins nächste Jahr stehen.
Um dem Mais die Plantagenwirkung zu nehmen, drillt Kaim einen 36 Meter breiten Leindotterstreifen auf den Schlag. Zur Hälfte mit einem Erbsengemenge, die andere Hälfte in Reinsaat. Eine Firma für Naturfarben reinigt das Gemenge verwendet das Leindotteröl und verkauft den Erbsenbestandteil als Futter. Bei solchen selteneren Kulturen muss die Vermarktung im Vorfeld geklärt sein, betont Kaim.
Die Biodiversitäts-Beispiele auf dem Betrieb von Peter Kaim zeigen eine überraschende Vielfalt. Er wird Maßnahmen auch nach Projektende weiterführen. Möglicherweise aber nur ein bis zwei Maßnahmen, die in den wirtschaftlichen Betriebsablauf herein passen – es sei denn, bis dahin hat die Politik den Dreh für die Ökonomie der Ökologie herausgefunden.
Lesestoff:
[1] FRANZ bringt mehr Biodiversität auf die Betriebe: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mit-franz-mehr-biodiversitaet-in-der-landwirtschaft.html
Thünen-Studie F.R.A.N.Z.: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/f-r-a-n-z-ist-da.html
[2] Den Wert der Natur in die Mitte der Gesellschaft stellen: https://herd-und-hof.de/handel-/schlussbericht-teeb.html
Roland Krieg; Fotos: roRo