Faire Lieferketten im In- und Ausland
Landwirtschaft
Missstände nur freiwillig beseitigen
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales kam in der Regierungsbefragung am Mittwoch nicht um die Unannehmlichkeit herum, die Blockierer in der Koalition für gerechte Arbeitsbedingungen in der nationalen Fleischindustrie (Arbeitsschutzkontrollgesetz) und für internationalen Lieferketten (Lieferkettengesetz) namhaft zu machen. Der Sozialdemokrat Hubertus Heil steht seit Ende 2019 zusammen mit Bundesentwicklungsminister Gerd Müller an der Spitze eines verpflichtenden Lieferkettengesetzes, das nach den Katastrophen in asiatischen Textilunternehmen und nach Vereinbarung im Koalitionsvertrag verpflichtend eingeführt werden soll - sofern die Unternehmen nicht ausreichend ihren Sorgfaltspflichten nachkommen. Zwei Befragungen haben gezeigt, wie wenig die Unternehmen alleine nur bemüht sind, faire Lieferketten aufzubauen.
Werkverträge und Lieferketten
Die Arbeits- und Wohnbedingungen n der Fleischindustrie waren für Werksvertrags- und Leiharbeiter schon seit Jahren vor der Pandemie bekannt – und alle schauten weg. Das Brennglas Pandemie hat schnell die Versäumnisse der Vergangenheit aufgearbeitet und wurde im Bundeskabinett für geeignet empfunden, die Missstände zu beseitigen.
Allein: Einzelne empfinden nach nachträglicher externer Überlegung die Missstände als weniger gravierend und blockieren die eigenen Befassungen. Beim Lieferkettengesetz sind es die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, denen die Sanktionspflicht bei unfairen Lieferketten ein Dorn im Auge ist. So wartet der Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) seit März auf das Lieferkettengesetz von Heil und Müller, das von Merkel und Altmaier bislang erfolgreich verschoben wurde.
Warten auf das Lieferkettengesetz
„Mein Ziel ist nach wie vor, ein wirksames Lieferkettengesetz zu schaffen“, sagte Heil im Bundestag. Das Gesetz soll nicht nur für das Schaufenster sein, sondern auch rechtliche Folgen bei Missachtung haben. Es gebe nicht nur zahlreiche Unternehmen die ein verpflichtendes Gesetz auch gegen unfaire Wettbewerbsnachteile durch Wettbewerber haben wollen, die sich ohne Sorgfaltspflichten wirtschaftliche Vorteile verschaffen. Zuletzt habe auch die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) sich für ein verpflichtendes Gesetz ausgesprochen. „Es ist ein breites gesellschaftliches Thema“, unterstreicht Heil. Andere Möglichkeiten für faire Lieferketten dürften nicht als Ausrede dienen, in Deutschland wie in anderen Nationen auch, eines umzusetzen. Ganz oben stehen für Hubertus Heil die faire Ausarbeitung fairer Handelsabkommen, sowie ein europäisches Lieferkettengesetz, das als Idee von EU-Justizkommissar Didier Reynders auf die Agenda gebracht wurde. Dann sind faire Menschenrechts-, Arbeits- und Gesundheitsbedingungen über die Agenda 2030 auch in Form der Entwicklungszusammenarbeit zu adressieren. Das von der Koalition geplante Lieferkettengesetz sei eine gute Ergänzung.
Warten auf das Verbot von Werksverträgen
Der andere Blockierer heißt Max Straubinger von der CSU. „Wir wollen die Missstände beseitigen, da sind wir uns alle einig“, sagte er am Mittwoch. Vollzeit- Werksvertrags- und Leiharbeiter sollen die gleichen Einkommens- und Gesundheitsrechte erhalten. Doch nach der Kabinettsbefassung gehört er zu denjenigen, die das für den 01. Januar geplante Verbot von Werks- und Leihverträgen bislang erfolgreich verschoben haben. Kommt das Arbeitsschutzkontrollgesetzt nicht in der nächste Woche in den Bundestag sei der Termin nicht mehr zu halten, warnte Heil. Über Straubinger wehrt sich die Branche und befürchtet nicht genug flexible Arbeitsspitzen während der Grillsaison zu haben. Hubertus Heil lästerte, das nach der Grillsaison dann die Weihnachtszeit als Ausrede gegen das neue Gesetz genutzt werde. Solche Arbeitsspitzen kommen nicht über Nacht und alle anderen Branchen zeigten beispielsweise mit Arbeitszeitkonten wie sie mit flexiblen Saisonverläufen des Arbeitsaufkommens umgehen könnten. Grundlage ist eine digitale Arbeitszeiterfassung, die unleserliche und pauschalisierte Stundenzettel, die den Kontrolleuren vorgelegt werden, ersetzen soll. „Es geht um klare Verhältnisse und die Vermeidung von Ausweichreaktionen“, sagte Heil. Er hatte die Branche schon zuvor als einfallsreich beschrieben, Vorgaben für faire Arbeitsbedingungen zu umgehen. Wer sich jetzt nachträglich gegen die Kabinettsbefassung stelle, „höre auf die Sirenen der Lobby“, mahnt Heil: „Schaffen wir ein Gesetz, dass nicht von findigen Leuten ausgetrickst werden kann!“ das Parlament habe Erfahrungen mit der Fleischindustrie, die Schlupflöcher bislang in die Gesetze bringt und kaum Arbeitsverbesserungen. Deren Geschäftsmodell „gehört im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und eines fairen Europas grundlegend reformiert. Werkverträge sollen nicht unter neuem Namen wieder zugelassen werden. Warten und Zögern ist eine Schande für Deutschland.“ Heil würde sich zusätzlich über einen bindenden Tarifvertrag freuen und betont, dass die handwerklichen Betriebe mit bis zu 49 Mitarbeitern von dem Verbot ausgenommen sind.
Roland Krieg
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