Fairer Handel mit Marokko/Westsahara

Landwirtschaft

EU sucht nach technischen Lösungen im Abkommen mit Marokko

Wer Waren nach Marokko verkauft, der sollte aufpassen, dass auf den Lieferscheinen die „richtigen Grenzen“ abgebildet sind. Wer zwischen Marokko und der Westsahara einen Trennungsstrich zieht, muss mit einer Ablehnung der Ware rechnen. Umgekehrt werden Tomaten und Fisch aus der Westsahara als marokkanisch ausgegeben. Für Marokko ist das ein hochsensibles Thema, das am Dienstagnachmittag auf der Agenda des Agrarausschuss der EU stand. Der Europäische Gerichtshof hatte im Dezember 2016 das Assoziationsabkommen und die Handelsliberalisierung für ungültig für das Gebiet der Westsahara erklärt.

Geschichte

Ein großes Wüstengebiet mit reichen Fischbeständen vor der Atlantikküste südlich von Marokko wurde 1884 auf der Berliner Kongo-Konferenz den Spaniern als Kolonie zugeteilt. Zwei Jahre bevor das Territorium verschiedener Saharauis-Ethnien 1958 als Spanisch-Sahara dem spanischen Hoheitsgebiet zugeschlagen wurde, erhob Marokko einen geschichtlichen Anspruch auf die Region. Die regionale Freiheitsbewegung gründete 1973 die „Front populaire pour la libération de la saguia-el-hamra et du rio de oro“, die Front Polisario als militante Bewegung für einen eigenen Staat. Ein Jahr später teilte Spanien den Vereinten Nationen die Durchführung eines Referendums für die Selbstbestimmung mit. Der Weg war schon 1966 mit der UNO-Resolution 2229 (XXI) „Die Frage der Gebiete Ifni und Spanisch-Sahara“ eingeleitet worden. Die allgemeine Dekolonialisierung begann sechs Jahre vorher. Das Besondere an der Region Westsahara ist die Aufnahme in die UN-Liste der „Hoheitsgebeite ohne Selbstbestimmung“. Seit dem ist die „Frage offen“. 1975 erklärte der König von Marokko die Westsahara als Staatsgebiet seines Königreiches. Ein Jahr später verzichtete Mauretanien auf Gebietsansprüche der Westsahara und Spanien teilte der UN mit, nicht mehr international für das Territorium verantwortlich zu sein. Die Front Polisario und das Königreich Marokko hatten mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen, was mit immer neuen UN-Resolutionen und dem Wunsch nach einem Referendum in eine politische Stagnation seit nahezu zehn Jahren überging.

Was ist bedeutender für die EU?

Marokko gilt als Tor zu Afrika nimmt eine wichtige Rolle im Mittelmeerraum ein. 1996 hat die EU mit dem Königreich Marokko das Europa-Mittelmeer-Abkommen unterzeichnet. In diesem Assoziierungsabkommen werden in acht Kapiteln unter anderem der freie Warenverkehr, das Niederlassungsrecht oder der freie Kapitalverkehr vereinbart. 2012 folgte ein Liberalisierungsabkommen für Fischerei- und Agrarprodukte, die mit einem präferierten Zollsatz in die EU exportiert werden dürfen. Dagegen hat die Polisario geklagt, weil die Westsahara nicht mit dem Königreich Marokko gleich gestellt werden dürfe und vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Recht bekommen. Die Abkommen haben seitdem keine sichere Rechtsgrundlage mehr. Der EU-Rat dürfe nach Ansicht des EuGH keine Abkommen mit einem umstrittenen Gebiet verabschieden und keines, das zu Lasten dessen Bevölkerung gehe. Der Rat hatte Berufung eingelegt und verloren. Und die Eu stellt sich die Frage, was tun?

Das Problem ist nicht neu. Der französische Agrarpolitiker Jose Bové (Grüne) war Ende der 1990er Jahre im EU-Handelsausschuss als Berichterstatter tätig und hatte schon damals auf die Unmöglichkeit eines Abkommens mit Marokko hingewiesen, solange die „Westsahara-Frage“ ungelöst bleibt. Für Bové steht noch immer Spanien, also ein Teil der EU, als frühere Kolonie in der Verantwortung, den Status der Westsahara mit einem Referendum unter Aufsicht der UN einzuleiten.

Die EU verhandelt heute in einer zweiten Sitzung mit dem Königreich um die Fortführung der Abkommen, doch gehe es derzeit nur um technische und nicht politische Angelegenheiten. Bové mahnt ein Drei-Parteien-Gespräch unter Einbezug der Westsahara als Beteiligte an. Das ist allerdings von der EU nicht vorgesehen. Doch ob die Polisario der richtige Ansprechpartner ist, bleibt unklar. Die spanische Sozialdemokratin Clara Eugenia Aguilera Garcia sieht die UN in der Verantwortung, weil der Agrarausschuss der EU das Problem nicht lösen könne.

Etikettierung als Lösung?

Die EU will es allen Recht machen. Sie will Marokko nicht vor den Kopf stoßen, den Status der Westsahara nicht vor Klärung durch die UNO festlegen, Spanien nicht zwingen, alte Hüte zu tragen und ihre Interessen wahren. Marokko ist im Rahmen der Migrationspolitik der EU ein wichtiger Stützpfeiler in Nordafrika geworden.

Die Zeit aber drängt, denn aktuell steht der Handel mit Marokko nicht auf juristischen Füßen. Die Abkommen und damit die Präferenzzölle gelten für das Königreich Marokko, während für Ware aus der Westsahara die alten Zollsätze gelten müssen. Wer also wie viel Zoll beim Export in die EU zahlen muss, ist daher rechtlich unsicher. Aus der Westsahara kommen Phosphate, Melonen, Sardinen und Tomaten. Clara Garcia fordert die Kommission auf, mit einer Etikettierung auf den wirklichen Ursprung Marokko oder Westsahara die Waren kenntlich zu machen. Bei Tomaten könnte das gehen, denn im Hauptzielhafen im katalanischen Perpignan vereinen nach Bové drei französische Importeure 75 Prozent der aus Marokko gehandelten Tomaten. Im Rahmen der Rückverfolgbarkeit könnten die Firmen mit Sitz in der EU gezwungen werden, ihre Quellen offen zu legen.

Die Westsahara-Frage der Saharauis löst ein Etikett aber nicht.

Roland Krieg

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