Farmer John auf Europa-Tournee

Landwirtschaft

Leben, Kunst und Bio-Hof in Illinois

Die amerikanische Landwirtschaft steht meist im Zusammenhang mit dem Anbau gentechnisch veränderter Organismen, endlosen Getreidefeldern über die gigantische Mähdrescher in einer Staubwolke versetzt die Ernte erledigen und der Getreidebörse in Chicago, deren Handelspreise das Weltgeschehen bestimmen. Es gibt aber auch ein anderes Amerika.

Bio boomt auch jenseits des Atlantik
Vor zwei Jahren konnte die Organic Trade Association in den USA ihr 20-jähriges Bestehen feiern. Über 1.600 Mitglieder repräsentieren die ganze amerikanische Vielfalt des Biolandbaus und Handels. In der jüngeren Vergangenheit wuchs der Biomarkt mit über 20 Prozent jährlich und wird, wenn auch langsamer, weiter wachsen. In der zum Jubiläum veröffentlichen Dokumentation wird bis 2025 in jedem US-Haushalt mindestens ein ökologisches Produkt regelmäßig eingekauft werden. Bioprodukte werde es an allen Ecken geben und damit die Anbaufläche ausdehnen. Dafür brauche man die Unterstützung der amerikanischen Regierung, damit immer mehr Farmen auf ökologischen Landbau umstellen. Reibungsfrei ist das Wachstum allerdings nicht und der Film „Mit Mistgabel und Federboa“ zeigt ab dem 13. September intime Einblicke in das Landleben von Farmer John, der seinem Hof letztlich über den Bioanbau zum Erfolg geführt hat.

Von Super-8 bis Profidokumentation
Was den Film von herkömmlichen Zelluloids aus der Branche unterscheidet, ist die im Vordergrund stehende Lebensgeschichte von John Peterson.
Der Vater ist früh verstorben und John übernahm die Hofarbeit. Bevor er zur schule ging hatte er bereits 20 Kühe gemolken und gefüttert. Die Arbeit hat ihn bis heute nicht losgelassen und übte auf die Kommilitonen des Colleges eine eigene Faszination auf. Da John seiner künstlerischen Ader in der Bildhauerei, für Theater und Bild freien Raum ließ, bildete sich schnell eine Hippie-Kommune in Caledonia bei Chicago aus.

Einstieg des konventionellen Handels
Am Bio-Boom will mittlerweile auch Wal-Mart teilhaben, der weltgrößte Einzelhändler, der in Deutschland sein Marktengagement aufgegeben hat. Wal-Mart Chef Lee Scott will mit nur geringerem Preisaufschlag Bioprodukte „nicht nur der wohlhabende Klientel“ zugänglich machen. Ronnie Cummins vom Verband der Bio-Produkte-Verbraucher sieht das Engagement skeptisch: Anstatt kleinen Bauern zu helfen, industrialisiere Wal-Mart die Produktion. Whole Foods, größte Biokette in den USA hat jetzt strengere Regeln eingeführt: Jeder Laden muss bei mindestens vier ortsansässigen Bauern Produkte kaufen.
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Seit den 1950er Jahren hat seine Mutter sein Landleben filmisch festgehalten, was im Nachhinein ein geniale Idee gewesen ist. Regisseur Taggert Siegel übernahm eine professionelle Dokumentation des Farmlebens in den 1980er Jahren, als es mit Johns Farm bergab ging. Investitionen in Maschinen standen ausbleibende Einnahmen gegenüber und von den rund 90 Hektar musste John Peterson 85 verkaufen. Die alten Filme, die Kurzdokumentationen und eine Fortsetzung machen den autobiographischen reiz des Films aus.

Farmer John PetersonMit CSA zum Erfolg
Allen Widrigkeiten zum Trotz zeigt der Film eindringlich, wie die Liebe zum Boden und zur Landwirtschaft John Peterson weiter machen lässt. Diesmal im Biomarkt. Nach weiteren Fehlschlägen in der Vermarktung rettet ihn eine Community Supported Agriculture (CSA) aus Chicago, die den später getauften Angelic Organics Hof wieder belebt. John fand seine Leidenschaft zum Boden und zur Natur in den Schriften Rudolf Steiners und betreibt den Hof biologisch-dynamisch weiter. Und nicht nur das. In der CSA werden ganze Familien Hofteilhaber und bezahlen die Produkte bereits vor der Aussaat. John kann den Betriebsablauf sicher planen und die Gemeinschaft kennt ihren Bauern und die Herkunft der Produkte. Eine Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft, die auch tatkräftig beim Bau einer Scheune mithilft und wieder Trubel auf die Farm bringt.

Landleben live
Neben der Dokumentation des Landlebens ist die Autobiographie John Petersons Gegenstand des Films, der am 13. September in die Kinos kommt. Zur Europapremiere in Berlin kam John Peterson mit Sängerin Leslie Littlefield herüber und hielten passend in einem alten Kino eine knappe Pressekonferenz. Ein passender Ort, denn das Kino beherbergt jetzt den Biosupermarkt von Frank Lüske. Bis ende September reist John Peterson durch Deutschland, Österreich und der Schweiz, um jeweils die Premiere vorzustellen. Peterson freut sich auf eine interessante Reise, bei der er auch viele landwirtschaftliche Betriebe besichtigen will. Bislang haben ihn die großen Scheunen in Brandenburg am meisten fasziniert, sagte er. Der Film zeige hauptsächlich Teile seines gesamten Lebens, aber auch sozioökonomischen Aspekte seiner Arbeit.

Flächenkonkurrenz in den USA
US-Präsident George W. Bush will den Treibstoffverbrauch in den nächsten zehn Jahren um 20 Prozent reduzieren und setzt auf Ethanol, welches mittlerweile in rund 120 Anlagen aus etwa einem Fünftel der Maisernte gewonnen wird. Die Nachfrage wirkt direkt auf den Maispreis und indirekt auf den von Weizen und Soja, weil deren Anbaufläche verringert wird. Der Biomarkt muss sich auch zwischen diesen Märkten behaupten.
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So unterschiedlich sind Risken und Chancen des Biomarktes auf beiden Seiten des Atlantiks nicht. So konnte Herd-und-Hof.de John Peterson zumindest noch befragen, wie er den Einstieg des konventionellen Handels in den Biomarkt bewertet. Zwar kaufen in den USA Verbraucher in Discountern ebenso ökologische Produkte und jede Ökofläche helfe der Umwelt. Aber es ist nicht die ganze Idee, sagt Peterson. Der Ökolandbau ist nur ein Teil der gesamten Betrachtung von der Erde. Die ökologische Idee beruht auf Regionalität und der Beziehung der Menschen zu ihrer Erde. Der Einstieg des konventionellen Handels lindert zwar die Probleme, füllt aber die Idee nicht ganz aus.

BioFach America
Am 27. September öffnet in Baltimore der transatlantische Ableger der Nürnberger BioFach-Messe. 890.000 Hektar Ökolandbau in den USA reichen bei weitem nicht aus, den steigenden Bedarf zu decken. Die Wachstumsprognosen lauten: Plus 31 Prozent bei Fleisch- und Wurstwaren, 15 Prozent Wachstum bei Molkereiprodukten, Snacks und Convenience (13 %), Brot und Cerealien (12%) und Getränke legen rund zehn Prozent zu. Dreißig Prozent des Bedarfs können nicht aus heimischer Produktion gedeckt werden. Vor allem bei Schweinfleisch existiert nach Marktuntersuchungen eine Lücke von 60 Prozent.
Das Landwirtschaftsministerium fördert den Ökolandbau mit 6,1 Millionen US-Dollar, was aber nach Aussage von OTA-Geschäftsführerin Caren Wilcox nicht ausreicht: „Die Vorschläge des Ministeriums sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber die biologisch wirtschaftenden Bauern brauchen mehr Hilfe, um dem Bedürfnissen des heimischen Marktes und des Weltmarktes gerecht zu werden.“

Lesestoff:
Wo der Film „Mit Mistgabel und Federboa“ läuft und vor allem wo Sie Farmer John erleben können, finden Sie unter www.farmer-john-film.de
Mehr über den amerikanischen Biohandel gibt es unter www.ota.com

Roland Krieg; Foto: Kinostar

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