Feldhase und Feldhamster ein Feld der Heimat geben
Landwirtschaft
Landwirtschaft und Naturschutz haben unterschiedliche Geschwindigkeiten
Wie sieht ein 48-ha Feld Getreide am effektivsten aus? 24 Meter breit und 20 km lang. Einmal den Mähdrescher mit 24 Meter Arbeitsbreite starten und nach 20 km Fahrt abstellen. Wie sieht ein 48-ha Feld für den Naturschutz am effektivsten aus? Verwinkelt, ein kleines Wäldchen und zwischen Sandkuppe und Kleingewässer eine Trockenmauer.
Um Landwirtschaft und Naturschutz miteinander zu verbinden wurde zuletzt das so genannte Greening in die Agrarpolitik eingeführt, weil die bisherigen Umweltmaßnahmen aus der zweiten Säule nur wenig Verbesserung brachten. Denn: „Alle Indikatoren weisen darauf hin, dass es um den Zustand der Biodiversität schlecht oder sogar sehr schlecht bestellt ist.“ Das sagte Dr. Johannes Merck aus dem Vorstand der Michael-Otto-Stiftung am Mittwoch in Berlin. Die prominente Unternehmer-Stiftung hat sich dem Naturschutz verpflichtet. Es gehe nicht mehr darum, immer mit dem Finger auf jemand anderen zu zeigen: „Wir wissen es gemeinsam: Wir müssen handeln!“. Oder: „Wir reden nicht mehr über die Richtung, wir reden über die Geschwindigkeit!“. Das sagte Dr. Harald Schwager, Vorstandsmitglied der BASF SE. Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens aus dem Bundesumweltministerium stellte fest: „Das Ziel 20 Prozent Ökolandbau erhöht schon die Biodiversität.“ Am Mittwoch ging es in Berlin also um den „Rest“.
Landwirtschaft und Umwelt
Merck und Schwager sind zwei Akteure eines neuen Netzwerkes, das mit einem Expertendialog „Mehr Biodiversität in die Agrarlandschaft“ bringen will. Zusammen mit Naturschutzorganisationen soll endlich eine für Landwirtschaft und Naturschutz gemeinsame Agrobiodiversitätsstrategie vorangebracht werden. Am Vortag trafen sich 50 Landwirte und diskutierten in acht Arbeitsgruppen über Greening und Agrar-Umwelt-Maßnahmen (AUM). Die Tagung war Start eines neuen Konzeptes und gleichzeitig Fortsetzung des zu Jahresbeginn aufgelegten F.R.A.N.Z.-Projektes [1].
Landwirte sitzen wie andere Unternehmen per se auf der Anklagebank, beklagte Merck die Richtung der Umweltdiskussionen. Es gehe vielmehr darum, die vorhandenen Spielräume für mehr Biodiversität zu nutzen, denn „irgendetwas geht immer.“ Die Aufgabe der Politik sei es, das „Mehr“ an Umwelt ohne wirtschaftlichen Schaden umzusetzen.
Jede Maßnahme müsse in die betrieblichen Abläufe passen, forderte Eberhard Hartelt, Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Die Bereitschaft der Bauern ist groß und wachse. Doch Greeningstreifen seien schwer zu kontrollieren und leicht zu sanktionieren. Das behindert das Anlegen. „Wir brauchen einen Neustart bei den Kontrollen“, so Hartelt und legte einige Forderungen vor: So soll die Digitalisierung bei den Vor-Ort-Kontrollen genutzt und teilflächige Anlagen per App einfacher erfasst werden können. Er spricht sich für einen Ausbau und eine Intensivierung der Beratung aus. Die Kontrollen sollten auf das Ergebnis umgestellt werden, weil das einfacher als eine Prozesskontrolle sei.
„Den Artenschwund hinzunehmen, ist nicht tolerabel“, sagte Staatssekretär Aeikens. Aber auch: „Gute Einzelprojekte sind keine gesamte Lösung des Problems.“ Der Ackerbau habe sich mit engen Fruchtfolgen in die Bredouille gebracht und sucht nach flächendeckenden Lösungen. Der Wissenschaftliche Beirat werde im Sommer sein Gutachten dazu vorstellen.
„Für den Naturschutz spielt die Frage nach der Landwirtschaft eine essentielle Rolle“, ergänzt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. „Wenn wir die Frage nach der Biodiversität in der Landwirtschaft nicht lösen, lösen wir sie überhaupt nicht.“ Das mache die Leidenschaft aus, mit der beide Seiten diskutieren. Rund 80 Prozent der Biomasse an Insekten sind verloren gegangen, erläuterte Florian Schöne, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzringes. Da brechen regional ganze Nahrungsketten zusammen. Es sei viel preiswerter einen Zustand zu erhalten, als ein Ökosystem wieder herzustellen. Schöne weiß auch, dass es ohne die Landwirte nicht geht, den „galoppierenden Artenschwund“ aufzuhalten. Man müsse aber „mit Geduld und Dialog die Landwirte mitnehmen.“
Die Workshop-Ergebnisse
Acht Berichterstatter haben die Ergebnisse des Workshops zusammengefasst und dabei große Übereinstimmungen für die Richtung gefunden, was wirkt, was hindert und wie es weiter gehen soll.
Frank Schumacher mit einem Betrieb in Ost-Holstein berichtet, dass die Landwirte mehrjährigen Streifenanbau, Sommerungen in der Fruchtfolge, Untersaaten im Mais, Feldlerchenfenster und Rohbodenhabitate als besonders ökologisch einschätzen. Auch, wenn die Raubtiere schnell wissen, wo die Feldlerchenfenster angelegt werden und leichte Beute finden.
Aus ökonomischer Sicht sind Randstreifen optimal, berichtet Marco Gemballa, der einen Franz-Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern bewirtschaftet. Zwischenfruchtanbau können im Betrieb leicht umgesetzt werden, kosten keine Fläche und Lerchenfenster mindern den Ertrag nur minimal. Außerdem können Betriebe sie freiwillig anlegen.
Heinrich Plaas-Beisemann bewirtschaftet 100 ha Ackerbau im Kreis Unna und betreut 100 Pensionspferde. Die Arbeitsgruppe „Praktikabilität“ sprach sich ebenfalls für den mehrjährigen Streifenanbau und für Zwischenfrüchte aus. Brachen sind gut für Grenzertragsstandorte. Plaas-Beisemann sagte: „Auf dem Feld geht alles.“ Aber die Verwaltung und Kontrolle sei abschreckend.
Jürgen Maurer aus der Region Hohenlohe mit einer vielfältigen Landwirtschaft wünscht sich mehr Beratung, gegenseitige Hilfe bei der Umsetzung von Maßnahmen und Hilfe von Industrie und Verbänden. Dazu sollte Biodiversität in die Berufsausbildung aufgenommen werden, die Anträge müssen rechtssicher sein und die freie und Offizinalberatung sollen dem Betrieb ein ökologisches und ökonomisches Gesamtoptimum aufzeigen können.
Die „Erfahrungsgruppe“ konnte überwiegend positives berichten, wie Thomas Gäbert aufzeigte. Sein Betrieb ist eine Genossenschaft mit 4.000 ha rund 20 Kilometer vor Berlin und im FarmNetz der BASF integriert. Das Greening befördert das Image der Landwirte, sensibilisiert die Berufsgruppe und setzt die regionale Vielfalt um. Negative Erfahrungen haben die Landwirte mit der Bürokratie, dem Komplex „Kontrollen und Sanktionen“, dem drohenden Verlust des Ackerlandstatus. Außerdem sind Greening und Agrar-Umwelt-Maßnahmen nicht frei kombinierbar, obwohl sich ein besserer ökologischer Zustand erstellen ließe.
Jörg Claus führt einen Betrieb in der Magdeburger Börde. Für die Entwicklung des Greening sollten regionale Agrarstrukturen und Naturräumen stärker berücksichtigt werden. Produktionsintegrierende Maßnahmen müssten Vorrang genießen und die Fehlertoleranz müsste erhöht werden.
Johannes Müller baut im südlichen Rheinland-Pfalz Speisemöhren, Zuckerrüben und Getreide an. Sein Bericht beschreibt die Hindernisse beim Greening: Praxisfremde Auflagen, was alle Arten von Ernte- und Aussaatterminen betrifft, Angst vor überzogenen Kontrollen und Sanktionen sowie die Furcht, den Status des Ackerlands zu verlieren.
Holger Hennies aus dem Raum östlich von Hannover berichtete aus der letzten Arbeitsgruppe über die Hindernisse bei den Agrar-Umwelt-Maßnahmen: praxisfremde Vorgaben, steigendes Kontrollrisiko, fehlende finanzielle Anreize. Er fordert die Einbeziehung landwirtschaftlicher Kompetenz in ergebnisorientierte Maßnahmen und spricht sich für einen „Betriebszweig Naturschutz“ aus.
In der Summe ist das Greening ein Erfolg, der noch erfolgreicher werden könnte, wenn die Verwaltung die Flexibilität biologischer Systeme anerkennen und das Metermaß einmal zur Seite legen würde. Interessanterweise kommt die EU-Kommission zu vergleichbaren Ergebnissen [2].
Ein Thema, das nicht genannt wurde, ist der Personalschwund in der Agrarverwaltung [3]. Das sei in der Tat ein großes Problem, bestätigte Dr. Ralf-Peter Weber, Staatsminister im Landwirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt, gegenüber Herd-und-Hof.de. Der Sparzwang könne aber aktuell durch höhere Steuereinnahmen aufgeweicht werden und es sind bereits 120 neue Stellen in Aussicht gestellt. Clemens Neumann aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium sieht den Engpass dennoch als künftigen Risikofaktor. Derzeit gehe der Personalnotstand auf Kosten der Offizinalberatung. Aber sobald die Nutztierhaltungsstrategie des Bundes umgesetzt werden muss, gibt es neue Anforderungen an die Agrarverwaltungen, für die sie derzeit nicht gerüstet sind. Das Problem liegt bei den Rechnungshöfen der Länder, ergänzt Eberhard Hartelt. Die verrechnen das Personal noch immer mit der Zahl der vorhandenen Betriebe und nicht mit der wachsenden Aufgabenmenge.
Und kann die freie Beratung aus der Agrarindustrie die Offizinalberatung so ersetzen, dass auch die ökologischen Mehrwerte berücksichtigt werden? Ja, sagt BASF-Vorstand Dr. Harald Schwager zu Herd-und-Hof.de. Zumal eine Beratung für ein Produkt auch nicht ökonomisch im Sinne der Unternehmen ist. Für die Resistenzstrategien werden auch wegen des notwendigen Wirkstoffwechsels Produkte anderer Firmen empfohlen und gerade in der Fachpresse enden die ausführlichen Artikel zum Thema Pflanzenschutz immer mit dem Hinweis, auch die ackerbaulichen Maßnahmen wie Erweiterung der Fruchtfolgen oder Einsetzen des Pfluges zu nutzen.
GAP 2020
Damit die Ergebnisse dieser ersten und die der weiteren Konferenzen flächendeckenden Einsatz in der gesamten EU finden, müssen die Ideen Eingang in die GAP finden, die ab 2020 neu definiert werden wird. Im Gegensatz zum bisherigen Teil, gehen die Meinungen über die Politik weit auseinander.
Dr. Aeikens will das Zwei-Säulen-Modell behalten, weil die Direktzahlungen gerade in Krisenzeiten ihr Einkommens- und Liquiditätspotenzial ausspielen können. Schon heute stehen die Gelder der zweiten Säule nicht nur der Landwirtschaft zur Verfügung. Das würde eine Umschichtung auch nicht erzwingen und den Streit um die Verteilung eher anfachen. Das sieht der DBV genauso. Für Hartelt sind die Direktzahlungen eine tragende Einkommenssicherung. Er weiß aber auch, dass nur ein Ausgleich für Naturschutzmaßnahmen nicht ausreiche. Da müsse monetär nachgebessert werden.
Jochen Flasbarth geht die GAP 2020 strategisch an. Der Agrarbereich erhält derzeit rund 40 Prozent des EU-Budgets, das durch den Brexit künftig kleiner wird. Technologie, Bildung und Infrastruktur für den Binnenmarkt werben um die knapper werdenden Ressourcen. Da sei es gut, wenn die Landwirte den Naturschutz als Partner sehen: „Der Naturschutz steht der Landwirtschaft zur Seite, die Mittel für die Landwirtschaft zu erhalten.“ Deshalb müsse die Politik aus dem Zwei-Säulen-Modell aussteigen und die Richtung öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen einschlagen. Für Florian Schöne müsse sich der Landwirt zu einem „Ökosystemdienstleister“ weiterentwickeln.
Für einen Flächeneffekt müssen die AUM an die Direktzahlungen gekoppelt werden, fordert Staatssekretär Weber. Seit dem Greening hat sich der Eiweißanbau in Sachsen-Anhalt verdreifacht und eine neue Wertschöpfungskette etabliert. Daher müsse es kein Ordnungsrecht für die Ökologisierung in den weiten Agrarlandschaften geben. Ein gezielter Einsatz bei den „Hot Spots“ wie FFH-Gebieten wäre ausreichend. Die Vielzahl an einzelnen Programmen habe zwar einzelnen Spezies wie dem Feldhamster geholfen, aber eben keinen flächigen Wandel hervorgebracht. So sind Streuobstwiesen zwar beliebte Fördermaßnahmen, aber wenn der Apfel „nur nachhaltig auf die Erde fällt“, helfe das nicht. Die Landwirte können mit der Etablierung von Wertschöpfungsketten den Naturschutz in die Fläche bringen. Da müssten noch mehr Innovationen und Ideen her.
Lesestoff:
https://www.netzwerk-laendlicher-raum.de/biodiversitaet
[1] Verbundprojekt Franz mit BMEL und BMUB: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mit-franz-mehr-biodiversitaet-in-der-landwirtschaft.html
[2] Zwischenbericht Ökologische Vorrangfläche: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/zwischenbericht-oekologische-vorrangflaeche.html
[3] Personalnotstand im Agrarsektor: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/bauern-in-sachsen-anhalt-sind-ungehalten.html
Roland Krieg