Ferkel ohne Kastration?
Landwirtschaft
Welttierschutztag am 04. Oktober
Der 04. Oktober wird traditionell als Welttierschutztag begangen. Der Tag ist dem Heiligen Franziskus von Assisi gewidmet, dem Schutzpatron der Tiere und dem Begründer des Franziskaner Ordens. Der Heilige Franz hat viel zu tun. Übergewichtige Hunde und Katzen in Stadtwohnungen haben es nicht leichter als exotische Reptilien, die sich in engen Terrarien zurecht finden müssen. Werden einerseits Tiere zu Tode gekuschelt und trotzdem an der Autobahn ausgesetzt, gerät andererseits der Berufsstand der Nutztierhalter immer wieder in öffentliche Kritik. In diesem Jahr hat der Deutsche Tierschutzbund das Thema Ferkelkastration auf die Agenda gesetzt.
Dank an ehrenamtliche Helfer
„Das stetig wachsende Bewusstsein und Interesse für die Belange des Tierschutzes in der Bevölkerung hat eine spürbare Verbesserung des Tierschutzes bewirkt“, sagt Brandenburgs Agrarminister Dr. Dietmar Woidke. Daher gilt sein Dank am Welttierschutztag zunächst den vielen ehrenamtlichen Helfern, die in Tierschutzvereinen Fundtieren und herrenlosen Tieren wieder ein zu Hause geben.
Die Tierschutzvereine werden durch das Brandenburger Ministerium mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt. Bislang haben 22 Vereine zur Unterbringung von Heim- und Haustieren rund 1,05 Millionen Euro erhalten. Mit Landesmitteln werden Aktionen unterstützt, wie beispielsweise die Katzenkastration zur Reduzierung der überhand nehmenden freilebenden Katzenpopulation. Seit 1992 wurden hierfür 980.000 Euro zur Verfügung gestellt.
Das Agrarministerium klagt darüber, dass sich viele Tierhalter nicht im Klaren seien, welche Haltungsanforderungen Tiere stellen oder weil sie Tierliebe falsch verstehen. Die Tierschutzvereine bekommen das jeden Tag zu spüren.
Ferkelkastration
Mit Hilfe vieler Prominente protestiert der Deutsche Tierschutzbund in diesem Jahr besonders gegen die Ferkelkastration. In Deutschland werden in jedem Jahr rund 22 Millionen Ferkel ohne Betäubung kastriert, weil Verbraucher den so genannten Ebergeruch im Schweinefleisch ablehnen. Marketingprojekte, dieses Fleisch dem Verbraucher nahe zu bringen, haben bislang keinen Erfolg erzielt.
Dem Gesetz nach dürfen in Deutschland Ferkel bis zum siebten Lebenstag kastriert werden. Doch europaweit wird bereits länger darüber diskutiert, das Kastrieren zu vermeiden oder schmerzfrei durchzuführen. In Norwegen ist die Kastration ohne Schmerzausschaltung bereits seit fünf Jahren verboten. Die Schweiz wird 2009 folgen und niederländische Supermarktketten wollen ebenso im nächsten Jahr kein Schweinefleisch mehr anbieten, das auf herkömmliche Weise gemästet wurde. In Großbritannien, Dänemark, Irland und auf der iberischen Halbinsel gibt es eine spezielle Ebermast, bei der nicht kastrierte Schweine bei maximal 80 Kilogramm Mastgewicht geschlachtet werden. Dann ist die Wahrscheinlichkeit einer Geruchsbildung am geringsten.
Wie betäuben?
Der Deutsche Tierschutzbund fordert nun zum Welttierschutztag ein generelles Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration und verweist auf das Fleisch von Neuland. Bei Neuland bekommen die Ferkel eine Inhalationsnarkose mit Isofluran für die Dauer der Kastration und ein zusätzliches Schmerzmittel für die Zeit nach dem Aufwachen. Diese Methode wurde an der Schweizer Hochschule für Landwirtschaft Zollikofen erforscht.
Unumstritten ist die Methode nicht. Isofluran ist in Deutschland für die Betäubung von Schweinen noch nicht zugelassen und aus Kostengründen teilten sich mehrere Betriebe ein Narkosegerät. Das ist seuchenhygienisch bedenklich, sagen die Schweinehalter.
Impfen und Sexen
Andere Ansätze sind Impfungen mit speziellen Eiweißstoffen, die eine Hodenentwicklung unterbinden. Die Mittel werden in Australien und Neuseeland angewandt, sind in Europa jedoch nicht zugelassen. Hier könnten die Eber ihre wirtschaftlichen Vorteile gegenüber den kastrierten Schweinen ausspielen, weil sie schneller und wirtschaftlicher wachsen.
Ganz auf die weibliche Mastlinie umzuschwenken wäre eine weitere Alternative. Dazu müsste aber das Sperma gesext, also X- von Y-Chromosomen getrennt werden. Was bei Rindern zur Erzeugung von weiblichen Nachkommen erfolgreich ist, ist bei Schweinen noch nicht praxisreif.
Das Zuchtziel, geruchsarme Eber zu züchten scheint wenig erfolgreich, denn der Ebergeruch hat eine hohe Vererblichkeit.
Neu ist auch der Versuch eine „elektronische Nase“ am Schlachtband zu installieren, die geruchsintensives Fleisch aussortiert.
Die europäische Forschung untersucht mit dem Projekt PigCas alle Möglichkeiten, die derzeitige Praxis zu ersetzen.
Was tun?
Zumindest der Deutsche Tierschutzbund ist am 04. Oktober präsent. Über 720 Mitgliedsvereine und mehr als 500 vereinseigene Tierheime werden mit Infoständen und weiteren Aktionen gegen die betäubungslose Ferkelkastration protestieren. Wolfgang Apel, Präsident des Tierschutzbundes appelliert an die Verbraucher, entweder auf Schweinefleisch zu verzichten, oder es nur zu kaufen, wenn sie sicher seien, dass die Tiere schmerzfrei kastriert wurden.
Auch bei der „kurzen“ Ebermast müssen Kunden tiefer in die Tasche greifen, denn die Bauern verzichten auf die maximale Ausmästung. Tierschutz hat seinen Preis.
Lesestoff:
Der Tierschutzbund hat eine Seite eingerichtet: www.ferkelprotest.de
Das Europäische Forschungsprojekt finden Sie unter http://w3.rennes.inra.fr/pigcas/index.htm
Eine aktuelle Dissertation: Langhoff, Rebecca Ruth (2008): Untersuchungen über den Einsatz von Schmerzmitteln zur Reduktion kastrationsbedingter Schmerzen beim Saugferkel. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät: http://edoc.ub.uni-muenchen.de/8300/
VLE