Finnland entscheidet sich auch für den „4. Weg“
Landwirtschaft
Schweinehaltung in Finnland
Mit unendlicher Natur und Wald auf 75 Prozent der Landesfläche drängt sich Finnland in der nordöstlichsten Ecke der EU nicht als klassisches Agrarland auf. Im kommenden Januar wird das Land der Finnen Partnerland der Internationalen Grünen Woche Berlin. Das Land in dem Landwirtschaft komplett oberhalb des 60 nördlichen Breitengrades betrieben wird und mit einer Vegetationszeit von 180 Tagen auskommen muss, wird den „Genuss aus der Wildnis“ in Berlin präsentieren.
Der Blick auf die Schweineproduktion ist aber vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen in Deutschland sehr interessant. Der Schweinesektor hat stark bluten müssen. Gab es 1995 noch 6.249 Sauen haltende und Mastbetriebe, sind es heute nur 607 Betriebe mit weniger als 2.000 Tieren pro Betrieb. Die nationale Herdengröße umfasst rund 1,1 Millionen Schweine, davon 85.000 Sauen, 536.000 Mastschweine und 494.000 Ferkel im Jahr 2017. Ein intensives risikoorientiertes Kontrollsystem hat die Zahl der Tierwohlverstöße im letzten Jahr auf drei reduziert. Drei Viertel der Schweine haltenden Betriebe erhalten Tierwohlprämien. Nördlicher als in Finnland wird nirgendwo Landwirtschat betreiben. Der Anteil von Prämien für benachteiligte Flächen verdoppelt die Flächenprämien der ersten Säule. Auf etwa 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2017. Dazu hat Finnland 344 Millionen Euro Umweltprämie und 331 Millionen staatliche Förderung ausgezahlt. Auf den Schweinesektor entfielen davon zwei Prozent.
Mit „Sikava“ fahren die Finnen ein eigenes Monitoringsystem für die Schweineproduktion. „Sauber, sicher, nachhaltig“ sind die drei Fundamente der finnischen Tierproduktion insgesamt, berichtet Leena Suojala, Veterinärin vom finnischen Bauernverband MTK auf einer Pressereise gegenüber der Herd-und-Hof.de. Seit 2003 werden den Ferkeln die Schwänze nicht mehr kupiert, mit 0,9 Quadratmeter haben die finnischen Mastschweine mehr als, als die europäischen Artgenossen. Finnland ist frei von der Atemwegserkrankung PRRS und weist salmonellenfreie Schweinebestände. Antibiotika dürfen im ganzen Nutzviehbereich nur im Krankheitsfall angewandt werden.
Das reicht den Finnen nicht. Landwirtschaftsminister Jari Leppä stellte Mitte September in Helsinki das neue Tierschutzprogramm vor, das im nächsten Jahr in Kraft treten soll. Kastenstände für Sauen müssen generell nach 15 Jahren dem neuesten technischen Fortschritt für mehr Tierwohl weichen. Der Vergleich zur Diskussion über die Ferkelkastration: Aktuell müssen die Ferkel mit Immunokastration nach Wünschen des Handels wegen der Rückverfolgbarkeit separat geschlachtet und verarbeitet werden. Im Rahmen eines verpflichtenden Schmerzmanagements wird Finnland sich wie Dänemark und Schweden mit dem neuen Gesetz im nächsten Jahr für den „4. Weg der Lokalanästhesie“ durch die Landwirte entscheiden. Ganz ohne Schmerz geht es nicht, ergänzt Leena Suojala.
Der Virus der Afrikanischen Schweinepest hat mit seinem Auffinden am 14. September in Belgien Deutschland einfach übersprungen. Das berüchtigte Wurstbutterbrot bedroht auch Finnland mehr als der Wechsel der Wildschweine über die lange gemeinsame Grenze mit Russland. Es gibt einen regen Fährverkehr nach Estland, wo die Lebenshaltungskosten für Finnen niedriger sind als zu Hause. Ähnlich nahe liegt St. Petersburg, aus dem viele Wochenendtouristen in das Land kommen. Das Beispiel Belgien hat gezeigt, dass doppelte Zäune für im Freiland gehaltene Schweine, verstärkte Jagd auf Wildschweine und strenge Kontrollen an See- und Flughäfen, wie es Finnland seit Jahren macht, keine Garantie gegen die ASP.
Roland Krieg