Fipronil: Die ersten deutschen Betriebe sind gesperrt

Landwirtschaft

Ganz Europa sucht nach Fipronil

Das mit dem verbotenen Insektizid Fipronil vermischte Reinigungsmittel Dega-16 haben auch Betriebe in Deutschland verwendet. In den Niederlanden sind aktuell 180 Betriebe gesperrt, die mindestens 4.150 Euro Verlust am Tag einfahren, berichten niederländische Medien. Der Schaden für Eiererzeuger und Supermärkte, die Ware ausräumen, geht in die Millionen.

Jetzt geht die Suche erst richtig los

Eins vorweg: Am Donnerstagabend bestätigte Monika Lahrssen-Wiederholt, Abteilungsleiterin für die Sicherheit in der Nahrungskette beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), im Bundeslandwirtschaftsministerium die bisherige Risikoeinschätzung des Instituts [1]. Es sind keine neuen Gefährdungsrisiken hinzugekommen.

Ganz Anderes musste Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt berichten. Die Betriebe werden identifiziert, deren Ware aus den Regalen genommen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit koordiniert die deutsche Vorgehensweise und hält Kontakt zu den Nachbarn in Belgien und den Niederlanden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium aktualisiert die Informationen für Verbraucher auf seiner Webseite und das Portal www.lebensmittelwarnung.de versendet die aktuellen Warnhinweise. Überprüft werde auch der Warenweg für die Flüssigeiverarbeitung, betonte Bundesminister Christian Schmidt.

Geheimtipp der Branche

Das Puzzle bei Eiern geht seinen normalen Gang im Krisenfall. Doch offen sind alle anderen Fragen, wer, wann, welches Produkt wie lange und wo gepanscht hat. Das Mittel Dega-16 ist ein pflanzliches Reinigungsmittel aus Eukalyptusöl und Menthol. Bislang ist bekannt, dass es verbotenerweise mit Fipronil vermischt wurde und weiterhin als Dega-16 in den Handel gelangte.

Das Mittel wurde ab Mai 2016 von ChickFriend eingesetzt. Es soll schon im März 2016 auf einer Fachmesse in Venray für Geflügel und Schweine gegen die Rote Vogelmilbe angeboten worden sein. Erfolgreich. So erfolgreich, dass es sich schnell in der Branche herumsprach und Betriebe ab Juni 2016 nach dieser Anwendung gezielt nachfragten. Ob das als pflanzliche und legale Mittel schon damals mit Fipronil versetzt war, ist unklar, lässt sich wissenschaftlich aber vermuten. Wieso sollte sich der hartnäckige Blutsauger ausgerechnet durch Eukalyptusöl und Minze vertreiben lassen?

Nach Schadstoffen haben jedoch weder die Belgier noch die Niederländer gesucht – und daher Fipronil auch nicht gefunden. Die niederländische Tageszeitung Volkskrant berichtet, dass die Kontrollen auf Fipronil erst stattfanden, als die Justiz bereits einem Verdacht gegen ChickFriend nachging.

Wie lange schon?

Umso so mehr drängt die Frage, wie lange mit Fipronil gepanschtes Dega-16 im Umlauf war und wie lange schon Eier mit Fipronil verzehrt wurden? Hennen reichern das oral aus ihrem Gefieder aufgenommene Fipronil im Fettgewebe an und geben es über einen langen Zeitraum über die Eier in die Nahrungskette.

Schmidt steht mit seinen Amtskollegen in Belgien und den Niederlanden im Austausch, weil die Lebensmittelbehörden, und vor allem die niederländische, unter starkem Druck stehen, Versäumnisse gestehen zu müssen. Der 1995 in Deutschland von der Wirtschaft gegründete Verein zur Herkunftssicherung und Rückverfolgbarkeit von Eiern (KAT) ruft seine Mitglieder auf, sich zu melden, wenn das Mittel DEGA-16 genutzt wurde. Eier aus den bislang vier bekannten Betrieben sind vom Markt genommen worden.

Das allerdings ist nur die halbe Wahrheit. Schmidt konnte am Donnerstagabend nicht ausschließen, ob Fipronil auch in anderen Mitteln hineingemischt und verkauft wurde. Dabei gerät vor allem die homöopathische Tiermedizin in Verruf, deren Produkte keine wissenschaftliche Zulassung durchlaufen müssen wie Waren aus der Schulmedizin. Die Regelung für Naturheilmittel in der Tiermedizin ist in Deutschland alles andere als einheitlich [2].

Das Wundermittel könnte auch „vom Lkw herunter“ verkauft worden sein – es war ja rein pflanzlich. Deshalb haben es auch Biobetriebe verwendet.

Schuldfrage

Daher stellt sich die Schuldfrage in großem Maßstab. Möglicherweise sind nicht nur der Panscher und sein kriminelles Netzwerk schuldig im Sinne von Haftstrafe und Entschädigung. Das könnte auch auf die Betriebe zukommen, wenn sich noch herausstellt, unter welchen Bedingungen die Betriebsleiter das Mittel gekauft und eingesetzt haben. Erst dann will Schmidt die Frage beantworten, ob die gesperrten Betriebe für die Verluste auch entschädigt werden. Die Niederländer hingegen haben die Frage bereits beantwortet: Es gibt keine Entschädigung.

Dafür hat der niederländische Bauernverband am Donnerstag einen Musterbrief veröffentlicht, der von betroffenen Betrieben personalisiert werden kann. Darin fordern sie Schadenersatz von den beiden Geschäftsführern von ChickFriend für den Verlust durch die Fipronil-Krise.

Handelsfrage

Rund 400 Millionen Eier exportieren die Niederlande jährlich nach Deutschland. Am Donnerstag haben Rewe und sein Discounter Penny angekündigt, keine niederländischen Eier mehr zu verkaufen. Die niederländische Vereinigung der Legehennenhalter kritisiert die Einseitigkeit der Entscheidung, weil auch deutsche Betriebe gepanschtes Dega-16 verwendet haben.

Lesestoff:

http://www.bmel.de/DE/Tier/Tiergesundheit/_texte/Fipronil.html

[1] Fipronil https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/fipronil-als-naturheilmittel-verkauft.html

[2] Homöopathie statt Antibiotika: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/homoeopathie-statt-antibiotika.html

Roland Krieg

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