Fischereiverordnung oder FFH?
Landwirtschaft
Grundnetzfischerei in Meeresschutzgebieten
Die Flora-Flora-Habitat-Richtlinie der EU verpflichtet seit 1992 die EU-Mitgliedsländer zur Erhaltung der natürlichen Grundlagen. Aus dem Zusammenschluss mit der Vorgelschutzrichtlinie der EU aus dem Jahr 1979 wurde das Schutzgebietsnetz Natura 2000, das sich auch auf Meeresgebiete erstreckt. Der Meeresschutz hat in der EU ebenfalls entwickelnde Tradition mit der 2008 geschaffenen Meeresstrategie-Rahmenrichtline (MSRL). Die Bundesregierung hat letztere im Jahr 2015 umgesetzt, doch für die Naturschutzorganisationen in einem „enttäuschenden“ Maß. Es gab nur wenige verbindliche und sehr viel vage Maßnahmen.
Hintergrund des Problems ist die „extraktive Nutzung“ von Meeresgebieten. Darunter fallen nicht nur der Fischfang, sondern auch der Abbau von Sand und Kies sowie die Förderung von Erdöl und Gas. Nutzung und Schutz von Ressourcen sind ein klassischer Zielkonflikt, der ausbalanciert werden muss. Rechtlich gesehen, heißt das: Fällt der Fischfang in Meeresschutzgebieten in den Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) oder in den Bereich der Umweltpolitik? Im letzteren Falle wird die Entscheidung deutliche Auswirkungen auf die Fischerei haben. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch auf die Fischereifahrzeuge anderer Mitgliedsstaaten. Und damit, so hieß es im Schlussantrag des Generalanwaltes, dürfe ausschließlich die EU-Kommission definieren, was Bestandserhaltungsmaßnahmen sind. Ein Mitgliedsland dürfe keine Maßnahme, wie ein Fischereiverbot erlassen, das Auswirkungen auf andere Mitgliedsländer hat.
Im Jahr 2007 hat Deutschland die Natura 2000-Gebiete in der Nord- und Ostsee in der so genannten Außenwirtschaftszone (AWZ) bestätigen lassen, aber erst 2017 eine entsprechende Schutzgebietsverordnung erlassen. Damit hat die Bundesregierung nicht nur die EU-Frist von sechs Jahren zwischen Notifizierung und Verordnung überschritten, sondern sich rechtlich dazu verbindlich verpflichtet, den Erhaltungszustand von Schutzgütern nicht zu verschlechtern. Namentlich geht es um Schweinswale, Seevögel, Riffe und Sandbänke. Den schlechten Erhaltungszustand hat das Bundesamt für Naturschutz in dem FFH-Bericht 2013 „Zur Lage der Natur“ bescheinigt. Die atlantischen Lebensräume schneiden überdurchschnittlich schlecht ab:
In Vertretung einer Allianz aus Naturschutzverbänden hat der Deutsche Naturschutzring (DNR) 2016 Klage beim Verwaltungsgericht Köln gegen das BfN eingelegt, weil Fischereiverordnung und FFH-Richtlinie einander im Widerspruch stehen. Deutschland müsse aus Sicht der Umweltverbände vor allem die Grundnetz- und Stellnetzfischerei in den ausgewiesenen Schutzzonen solange verbieten, die eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erhebliche Beeinträchtigungen ausschließt. Der Europäische Gerichtshof hat im Rahmen einer Vorabentscheidung die Klage im September 2017 übernommen und am Mittwoch das Urteil gesprochen:
Demnach darf Deutschland wegen der Beteiligung von Fischereifahrzeugen unter anderer Flagge von Unionsländern nur in Absprache mit denen Fischereieinschränkungen erlassen. Deswegen waren Beobachter aus Spanien, Polen und Portugal beim Prozess dabei. Das heißt, die Naturschutzregeln müssen innerhalb des Fischereirechtes geregelt werden. Dem DNR reicht das natürlich nicht, denn ausgerechnet die Fischerei mit ihren Eingriffen in die Natur muss ihre Eignung für den Schutz von Schutzgebieten nicht nachweisen, beklagt der DNR das Urteil. Für den Meeresumweltschutz bedeute dies ein aufwendiges und abstimmungsintensives Verfahren und damit eine hohe Hürde.
Lesestoff:
AZ: ECLI:EU:C:2018:433
Roland Krieg