Floras Schätze

Landwirtschaft

Die Erfassung der Grünen Welt

Heute kommt niemand mehr um den Schutz der Biodiversität herum. In jedem guten Politikpapier, selbst auf Ebene der EU steht das Greening im Vordergrund: Die Agrarpolitik, selbst die ganze Wirtschaft soll ergrünen. Doch die florale Basis der Natur ist nicht immer gegenwärtig, schon gar nicht die ganze Arbeit, die hinter der Erfassung der grünen Welt steht.
Berliner und ihre Gäste haben jedoch ab dem 27. April fast ein Jahr Zeit im Botanischen Museum Floras Schätze und die Arbeit ihrer Diener, die im Dienste der botanischen Wissenschaft Orchideen, Kräuter und Nutzpflanzen beschreiben, auffinden und systematisieren, kennen zu lernen.
Taxologen sind der botanische Teil des Netzwerkes zur Erfassung der Mannigfaltigkeit, erklärt Prof. Dr. H. Walter Lack, Abteilungsleiter des Museums und der Bibliothek. Sie können sich modellhaft mit ihr beschäftigen oder mit einem bestimmten Gebiet in der Welt. Dann ziehen sie los mit Karte und Botanisertrommel, in der die neuen Pflanzen verschwinden, um zu Hause gepresst, beschrieben und katalogisiert zu werden. Dennoch besteht die meiste Arbeit mit Recherche und Vergleichen am Schreibtisch.

Die Ausstellung der weißen Flecken und kostbaren Schätze

Nur für Europa ist die Florenwelt vollständig erfasst, erklärte Prof. Lack. Die für Australien ist gerade in Arbeit, doch es sind noch viele Lücken auf der Weltkarte vorhanden. So gibt es für Bolivien, den Tschad, Niger und Myanmar zwar „nackte Listen“, die vorgefundene Pflanzen auflisten, aber nicht beschreiben. Andere Regionen sind noch gar nicht erfasst.
Die Ausstellung möchte die Arbeit aufzeigen, die notwendig ist, um die Flora zu erfassen. So ist erst vor wenigen Monaten der letzte Band für China (auf dem Foto die alte Flora in Chinesisch) vollendet worden. Die Sammlung zeigt auch das Florenwerk für Afghanistan, das mit Hilfe des Auswärtigen Amtes und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD in englischer und der heimischen Sprache Dari erstellt wurde. Das Vorwort hat die Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) geschrieben. Das russische Florenwerk wurde selbst im blockierten Petersburg von einem Botaniker fortgeführt.
Wie aufwendig die Arbeit für ein Florenwerk ist, demonstriert Dr. Thomas Raus virtuell an einer Mitmachstation im Museum (auf dem Foto erläutert von Ausstellungsleiterin Kathrin Grotz). Er erzählt anhand eines einzelnen Floraeintrages für die Gebirgsflora Griechenlands die Arbeit von der Namens- und Merkmalsrecherche bis zur Standortkartierung.

Inventur

Es ist die Inventur der Natur, die das Botanische Museum sichtbar macht. Die Ausstellung zeigt den Besuchern aber auch, wozu sie gemacht wird. Nur wer weiß, was vorhanden ist, kann herausfinden was sich verändert. Die „Roten Listen“ basieren auf der Basisarbeit der Botaniker, erklärt Dr. Cornelia Löhre, wissenschaftliche Koordinatorin. Welche Auswirkungen der Klimawandel hat, wird durch die zeitliche Zuordnung der Funde erst sichtbar.
Der Dreh- und Angelpunkt des Inventars ist der wissenschaftliche Name, mit dem eine Pflanze universal eindeutig bestimmt werden kann. Den Grundstein legte Jean-Baptiste de Monet mit seiner französischen Flora im Jahr 1778. Er stellte die unterschiedlichen Merkmale in einer Abfolge von Bildern dar, so dass die Leser schnell über diesen Bestimmungsschlüssel zum wissenschaftlichen Namen gelangten.
Mit Hilfe des Inventars sind beispielsweise florale Entwicklungen in Berlin nachvollziehbar. Die erste Flora verfasste Carl Ludwig Willdenow im Jahre 1787. Zwischen 1860 und 1920, dem sprunghaften Anstieg der Bevölkerung, verschwanden mehr als hundert heimische Arten durch Überbauung und Versiegelung. Auf der anderen Seite können Botaniker das lebendige Bild nachzeichnen, dass der internationale Handelsplatz Berlin viele neue Pflanzen in das Stadtgebiet gebracht hat, die sich von den Bahnhöfen aus verbreitet haben. Ende der 1980er Jahre haben die Botaniker belegt, dass der sinkende Grundwasserspiegel die Sumpf-Wolfsmilch vertrieben hat.
In den letzten Jahren hat sich Peru erfolgreich gegen die Biopiraterie gewandt und Patentanträge von Pharmakonzernen unterbinden können. Peru1) weist durch seine geografische Lage eine sehr große Biodiversität auf, die mittlerweile in den Fokus der Industrie gerückt ist. Diese bedient sich auch der Florenwerke, um verwandte und neue Arten aufzuspüren, die möglicherweise medizinische Lösungen für Krankheiten bereit halten.
Auch die moderne Agrarforschung kommt nicht ohne die Inventur der Natur aus. So hat vor Jahren das Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung Resistenzmechanismen in alten Gerstensorten2) gefunden, die den modernen Sorten gegen Mehltau hilfreich sein können. Prof. Lack erläutert gegenüber Herd-und-Hof.de, dass vor allem die Trockengebieten der Sahelzone noch viele Überraschungen aufweisen können. Während die Züchtung bislang auf hohe Erträge ausgerichtet war, gewinnt die Ertragssicherung heute an Bedeutung.

Florenpfad im Garten

Kinder finden in der Ausstellung eine Lernecke, in der sie spielerisch die verschiedenen Ahornarten kennen lernen können. Und nach der Ausstellung mit vielen Mitmachstationen zeigt der Florenpfad im Botanischen Garten mit 15 Stationen von der Iberischen Halbinsel über die Alpen bis in die Tropen der Neuen Welt den Pflanzenreichtum.

Lesestoff:

Floras Schätze. Die Erfassung der Grünen Welt. Sonderausstellung im Botanischen Museum und Florenpfad im Botanischen Garten Berlin-dahlem. Königin-Luise-Straße 6 – 8 in 14195 Berlin. Bis zum 24. Februar 2013. Im Museum täglich zwischen 10:00 und 18:00 Uhr, Florenpfad von 09:00 bis zur Dämmerung. www.botanischer-garten-berlin.de

1) Peru verbietet Biopiraterie

2) MPI sucht nach Resistenzen in alten Gerstensorten

Roland Krieg (Text und Fotos)

Zurück