„Fördern mit Fernlicht“
Landwirtschaft
Verbundprojekt stoffliche Nutzung von Nawaro gestartet
>In den letzten 20 Jahren wurden Einzelprojekte zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe geschaffen, doch den Durchbruch haben Hanf, Flachs, Sonnenblumen oder sogar Brennnesseln auf den heimischen Äckern nicht geschafft. Mit Beihilfen hält sich der Flachsanbau bei knapp 2.000 Hektar.Das BioConcept Car, mit dem Sänger Smudo Autorennen fährt, ist vielen Verbrauchern bekannt und weckt ihr Interesse an der stofflichen Nutzung. Die schützende Verkleidung wuchs einst auf dem Feld. Aber das ist noch nicht alles, wenn sich vor allem die chemische Industrie vom fossilen Erdöl als Ausgangsstoff befreien möchte. Zucker, Fasern, Öle, Stärke – Pflanzen bietet ungenutzte Möglichkeiten für Konsumgüter, Kosmetik und Industrieprodukte.
Verbund vernetzt sich
2007 hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) Verbundprojekte aufgerufen, sich an der gemeinsamen und übergreifenden Forschung für biobasierte Kunst- und Werkstoffe zu beteiligen. Am Mittwoch übergab Gert Lindemann, Parlamentarischer Staatssekretär des BMELV, die Förderbescheide in Höhe von rund 10 Millionen Euro an drei Verbundprojekte. Dr. Andreas Schütte, Geschäftsführer der FNR, beschreibt die Auswahlkriterien: Entgegen der bisherigen Einzelprojektförderung soll ein Beitrag zur Vernetzung entlang der ganzen Wertschöpfungskette geleistet werden. Von der Saatgutzüchtung bis zum Spielzeughersteller ist eine große Bandbreite an Firmen beteiligt. Sie alle bieten ein exzellentes Know How und weisen ein gutes Preis-Leistungsverhältnis für ihre Ideen auf. Mit der Übergabe der Förderbescheide sind die Verbundprojekte offiziell gestartet
Fenafa
Im Netzwerkverbund Fenafa (Forschung, Entwicklung, nachwachsende Rohstoffe, Fasern) sind 15 Projektteilnehmer integriert. Hier geht es um die geschlossene Prozesskette vom der Pflanze bis zum Produkt. Ein Formel Eins Auto besteht heute aus Kohlestofffasern, die in einer duroplastischen Matrix eingebettet sind. Vergleichbare, produktbezogene Anforderungen wollen die Experten mit ihren Faserpflanzen auch erfüllen. Die Forschung beschäftigt sich mit der Aufarbeitung der Fasern aus der Pflanze, dem Entwässerungsprozess, der Herstellung von Halbwaren wie Matten und Granulaten, sowie der gesamten Spritzgusstechnik, die aus den Halbwaren Konsum- oder Industriegüter formt. Die Grundlagen müssen später auch für die großtechnische Fertigung Gültigkeit. Koordinator ist die TU Chemnitz.
Biopolymere
Dieses Projekt, das vom Fraunhofer Institut koordiniert wird, will die natürlichen Basispolymere wie Cellulose, Stärke oder Öle besser nutzen. Aus ihnen können Materialien und Baustoffe hergestellt, ein- oder zweimal recycelt werden und kommen letztlich in die thermische Verwertung. Hier liegt der Forschungsschlüssel in der Erhöhung der thermodynamischen Stabilität der Polymere. „Weg vom Gummi, hin zu den thermoplastischen Polymeren“, heißt die Devise. Besonderes Interesse lenkt das Lignin auf sich, weil es bereits natürlicherweise vernetzt ist.
Systembiotechnologie
Oft reicht Chemikern für ihre Produkte der Zucker aus der Pflanze. Doch das Gewächs bietet mehr. Unter der Koordination der Phytowelt Green Technologies wollen die Projektpartner die Pflanze als Gesamtkomponente nutzen. Die Systembiologie will die Enzyme der Pflanze zu Partnern der Chemie machen. So werden beispielsweise in der Medizin Steroidhormone aus Phytosterolen der Sojabohne durch einen einzelnen Fermentationsschritt hergestellt. Vorbild Kautschuk: Was die Natur dort geschaffen hat, findet bis heute keine synthetische Entsprechung. Am Ende werden die Pflanze und ihre Produkte eine neue Wertsteigerung erfahren haben.
„Fördern mit Fernlicht“
Derzeit werden Pflanzenrohstoffe noch zu 85 Prozent als Energieträger verwendet. Angesichts des Potenzials viel zu schade. Als Ziel wünscht sich Gert Lindemann eine paritätische stoffliche Nutzung, auch wenn die Menschen noch lange auf Pellets, Hackschnitzel und Scheitholz zur Feuerung zurückgreifen müssen. Die derzeitige Produktpalette ist noch lange nicht ausgereizt. Mit Erhöhung der thermodynamischen Stabilität der Polymere kommen ständig neue Anwendungen hinzu. Dr. Schütte: „Fördern mit Fernlicht!“ Das gilt auch für den Forschungsstandort Deutschland, der über die Ergebnisse der Verbundprojekte neue High Tech für den Export bereit halten wird.
Vorteile für die Landwirtschaft
Die Wertschöpfungskette schließt die Landwirtschaft eindeutig mit ein. Eine neue Gefahr durch starke Marktimpulse oder Chance für den „unternehmerisch gestalteten Betrieb“ für die Zeit nach 2013, dem Ende der Förderperiode? Gert Lindemann sieht die stoffliche Nutzung als Bereicherung. Derzeit ist es so, dass die landwirtschaftlichen Betriebe bei den Industriepflanzen noch nicht einmal kostendeckend arbeiten, sagte er zu Herd-und-Hof.de. Deckungsbeiträge in Höhe des Kostenniveaus wären schon ein betrieblicher Durchbruch und ein Kostendruck auf die Lebensmittelproduktion nicht zu erwarten. Vielmehr ist die stoffliche Nutzung ein weiteres wirtschaftliches Standbein für die Betriebe, das ihnen angesichts der volatilen Rohstoffmärkte die Risiken in Bereichen der Milch oder Getreide eher abfedern helfen könnte. Der künftige landwirtschaftliche Betrieb wird auf ein Gesamtpaket ausgerichtet sein, bei dem die stoffliche Nutzung der Feldkulturen einen Teil bilden werden. Diese Verwertung könne sogar helfen, Überschüsse auf anderen Märkten abzubauen, weil sie betriebliche Inputs aus anderen Bereichen abziehen vermag. Dr. Schütte ergänzt, dass die Industriepflanzen als neue Kulturen die Biodiversität auf den Betrieben erhöhen.
Produkte
Die Väter kennen das BioConcept Car, die Kinder Bauer Hubert. Verbraucher werden die Produkte der Verbundforschung kennen lernen. Das ist alleine schon ein Anliegen der Produktentwickler. Doch statt aller Theorie, werden die komplexen Zusammenhänge den Kunden am besten als Produkt vorgestellt. Sobald die ersten „greifbar“ sind, gibt es auch eine Öffentlichkeitsarbeit.
Lesestoff:
Details zu den Projekten und Partnern finden Sie auf www.fnr.de unter „Projekte & Förderungen“. Geben Sie in der Suche die folgenden Förderkennzeichen ein:
Fenafa: 22026907, 22023508 bis 22025708
Biopolymere: 22028607, 22025808 - 22026208, 22026408 – 22027108
Systembiotechnologie: Da das Projekt noch nicht begonnen hat, ist es noch nicht auf der Internetseite eingestellt.
Roland Krieg (Fotos: Concept Car: roRo; Verbundpartner: BMELV/Woerner)