Folgt der Zuckermarkt dem Milchmarkt?
Landwirtschaft
Rübenbauern vor ungewisser Zukunft
Ende März ist die Milchquote in der EU gefallen. Die Rübenbauern hingegen dürfen noch bis September 2017 die Quote genießen. Dann aber fällt diese auch. Die Zukunft ist ungewiss.
Die Rübenbauern in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise wissen gar nicht, wer nach der Quote überhaupt noch Zucker liefern darf. Sie fürchten, dass sich die Zuckerfabriken auf ihre Aktionärsbauern konzentrieren. Zwei Drittel der Rübenbauern in MV stünden ohne Quote und Vertrag ab 2017 vor dem Aus.
Die Zuckerpreise sind in den vergangenen Monaten schon dramatisch von 750 auf 433 Euro je Tonne gefallen. Das gute Rübenjahr 2014 und hohe Lagerbestände gelten als Auslöser. Italien forderte von der Kommission Gelder für einen Restrukturierungsfonds, den die EU bislang aber nicht einrichten will. Auf dem Zuckermarkt gibt es keine Intervention, sondern eventuell Zuschüsse für die private Lagerhaltung. Bei einem Überschuss darf die EU nach Regeln der Welthandelsorganisation WTO lediglich 1,3 Millionen Tonnen Nicht-Quotenzucker exportieren. Deutschland beklagt, dass immer noch zehn EU-Länder bei Zucker gekoppelte Direktzahlungen aufrechterhalten. Im EU-Durchschnitt erhalten die Rübenbauern 349 Euro je Hektar. Das halte die Verlagerung der Zuckerrübenproduktion auf die günstigsten Standorte, wie nach der Zuckermarktreform 2006 vorgesehen, noch immer auf.

Fällt die Quote stehen die Rübenbauern im Wettbewerb mit Ländern wie Brasilien oder Indien. Die aktuelle Situation blockiert die notwendige Anpassung, sagte Dr. Hans-Jörg Gebhard kürzlich auf der Jahrestagung der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ) in Berlin. „Die EU-Kommission hat durch die ungerechtfertigten Marktmaßnahmen der vergangenen Jahre ganz wesentlich zum Entstehen der aktuellen Probleme am Markt beigetragen. Es ist nicht akzeptabel, dass sie sich jetzt zurücklehnt und die Zuckerwirtschaft mit den Problemen alleine lässt“, schimpfte Gebhard. „Darüber hinaus sehen wir die zunehmenden Einfuhren im Rahmen von Freihandelsabkommen mit großer Sorge. Wenn die Kommission den Fortbestand der europäischen Rübenzuckererzeugung und damit tausende von Arbeitsplätzen nicht aufs Spiel setzen will, muss sie aufhören, Zuckereinfuhren als beliebig verfügbare Verhandlungsmasse zu betrachten.“

In der Tat ist die Kommission recht ratlos. In der letzten Woche war Kommissionsvertreter Jean-Jacques Jaffrelot im EU-Agrarausschuss. Im letzten Jahr war die Ernte mit 19,4 Millionen Tonnen Zucker sehr ertragreich. Es gibt aber nur eine Quote für 13,5 Millionen Tonnen. Daher gelte es, Absatzmärkte für sechs Millionen Tonnen Zucker zu finden. Daher müssen weitere Mengen auf das nächste Jahr übertragen werden, weswegen sich die Situation in den kommenden Jahren nur wenig entlaste. Zudem sei die Rübenproduktion ein Opfer ihrer Produktivität. Es werde immer mehr Zucker je Hektar erzeugt. Ein Rückgang der Anbaufläche um drei Millionen Hektar seit den 1980er Jahren und stagnierender Konsum in der EU lasse kaum eine Entspannung der Mehrerzeugung erwarten. Der Markt hat bereits große Einschnitte hinter sich. Die Zahl der Zuckerfabriken in der EU ist von 183 auf 102 gefallen, die Zahl der Beschäftigten von 48.000 auf 28.000. Einzig der sinkende Zuckerpreis in der EU verschlechtere den Zuckerexporteuren die Attraktivität des EU-Marktes.
Wie es mit der Privaten Lagerhaltung weitergeht, werde derzeit mit dem Parlament diskutiert, sagte Jaffrelot. Derzeit stellt die EU eine Expertengruppe zusammen, die mit einem Bericht für Transparenz sorgen will. Doch die Daten sind schwer zu erhalten. In manchen Ländern gibt es nur eine Zuckerfabrik und die rückt die Daten als Betriebsgeheimnis eingestuft nicht heraus.
Für die EU sei die aktuelle Situation nicht vorhersehbar gewesen, sagte Jaffrelot. Geld für den Zuckermarkt hieße angesichts der angespannten Haushaltslage immer, dieses einem anderen Sektor zu entziehen. Da sei wenig Spielraum. Indien werde aber den Export kaum steigern können, weil die Zuckerrohrbauern kaum bis gar nicht bezahlt würden. Auch Brasilien sieht Jaffrelot nicht mit neuen Zuckerkontingenten auf dem Weltmarkt: Die Währung werde seit Jahren kontinuierlich abgewertet. Der Kommissionsvertreter vertröstet die Parlamentarier: Nur dieses Jahr sei schwierig.
Roland Krieg