Forschen gegen die Alternanz bei Äpfeln
Landwirtschaft
Apfelbäume mit dauerhaft guten Erträgen in Sicht
Der Begriff Alternanz bezeichnet den Wechsel zwischen einem starken und einem schwachen Apfeljahr. Das Phänomen tritt auch bei Oliven, Avocados und Mangos auf. Es betrifft die Apfelbäume im Hausgarten als auch die Bäume des gewerblichen Obstanbaus. Alternanz ist nicht nur auf die gemäßigten Breiten beschränkt, macht sich auch in den Tropen bemerkbar. Für die Fruchtindustrie ist das durchaus ein Problem. Es betrifft nicht nur einen einzelnen Baum, sondern kann auch gleichzeitig in einer ganzen Region auftreten. In den ertragsstarken Jahren tragen die Bäume viele Blüten, bekommen viele Früchte, bilden aber nur wenige Knospenansätze für das Folgejahr aus. Dann blüht der Baum weniger, trägt nur wenige Früchte, legt aber viele neue Blüten für das Folgejahr an.
Ertragsmessungen zeigen, dass die Alternanz erheblich schwanken kann. Prof. Dr. Norbert Jens Wünsche von der Universität Hohenheim beziffert auf der Fruit Logistica die jährlichen Ertragseinbußen durch die so genannten „off“-Jahre weltweit auf 35 bis 50 Millionen US-Dollar. Daher forscht die Uni Hohenheim gemeinsam mit dem französischen Agrarforschungsinstitut INRA, dem Julius Kühn-Institut und beispielsweise mit einer australischen Forschungsgruppe an der Durchbrechung der Alternanz.
Ein kompliziertes Unterfangen, das viele Hinweise und einige Resultate hervorgebracht hat, für das wissenschaftliche Verständnis für die Ursachen der Alternanz noch immer Fragezeichen bereit hält. Dabei scheint sich das Phänomen der Alternanz aktuell sogar zu verstärken. Witterungsereignisse wie Spätfröste und der Klimawandel führen zu intensiverer Alternanz. Bislang behelfen sich die Gartenbauer mit dem Ausdünnen von Blüten und Zweigen. Je früher und stärker ausgedünnt wird, desto eher wird die Alternanz im Folgejahr aufgehoben. Praktiker wissen aber: Das ist eine Daueraufgabe, denn einige Tage nach der Vollblüte „sind die Würfel“ für die Blütenausbildung im nächsten Jahr bereits gefallen. Die Praktiker wissen um den Einfluss von Pflanzenhormonen und müssen langfristig an den Bäumen und Sträuchern mit Alternanz arbeiten. Das aber, so Prof., ist sehr arbeitsintensiv und daher kostenanfällig.
Die Verbundforschung ist daher zunächst einmal an der Aufklärung der Ursachen für die Alternanz interessiert. Beim Steinobst wie Pfirsichen, Pflaumen und Kirschen sind Fruchtwachstum und Blütenbildung streng voneinander getrennt und erfolgen nacheinander. Bei Äpfeln hingegen überlappen sich die Prozesse. In dieser Zeit induziert der Baum einen Blütenansatz, der sich vegetativ in einen neuen Spross oder generativ in eine Blüte im nächsten Jahr entwickeln kann. In dieser Zeit ist zwar eine Anhebung des Meristems im Knospenansatz zu erkennen, aber nicht zu identifizieren, wie er sich weiter entwickelt. Erst bei der Ausdifferenzierung des Gewebes zeigt sich, wohin die Reise geht.
Aber es wirkt ein ganzes Bündel an Faktoren auf die Blütenindikation. So beispielsweise die Umwelt über Tageslängen ab 14 Stunden, der Temperatur und Lichtintensität. Kulturell kann der Gartenbauer mit Düngung, Wachstumshormonen oder dem Verdünnen der Äste nachhelfen. Es gibt aber auch interne Pflanzenprozesse. So bildet sich eine Blüte heraus, wenn in der Knospe mehr als neun Blätter angelegt sind. Zudem, so wissen es die Praktiker, spielt der Zeitpunkt nach der Vollblüte eine Rolle. In Europa ist es durchschnittlich der 21. Juni, der über den Fruchtertrag des Folgejahres entscheidet. Mathematisch sind das 39 bis53 Tage nach der Vollblüte.
Der Blick in das innere System formt noch weitere Effekte heraus. Kohlenhydrate sind der Treibstoff des Pflanzenwachstums, erklärt Prof. Wünsche. Pflanzenhormone wie Cytokine fördern die Blütenbildung; Gegenspieler sind die Gibberelline. Und natürlich ist das Wachstum auch genetisch gesteuert. Die beiden Gene FT und FD fördern sortenabhängig die Blütenbildung. Der genetische Gegenspieler heißt TFL1 und fördert eher das Sprossenwachstum. TFL1 Findet sich in untersuchten Gala- und Fuji-Äpfeln in „off“-Jahren in hohem Maße.
Die Basisforschung ist also schon recht weit gekommen. Die im letzten Jahr auf fünf Jahre projektierte Forschung wird sich künftig um genetische Marker kümmern, anhand deren Züchter Sorten identifizieren können, die eine geringer oder sogar keine ausgeprägte Alternanz aufweisen. Alternativ werden für den Gartenbauer anwendbare Komponenten gesucht, die zu bestimmter Zeit die Blütenbildung forcieren können.
Einen Zeitplan für die Praxis gibt es aber nicht, wie Prof. Wünsche gegenüber Herd-und-Hof.de sagt. Dazu sind noch zu viele und möglicherweise noch nicht identifizierte Effekte offen. Züchter könnten in fünf oder in zehn Jahren einen Hinweis erhalten. Verhältnismäßig also schon in kurzer Zeit, denn die Züchtung einer neuen Apfelsorte bis zur Marktreife dauert um die 15 Jahre. Eines scheint aber schon sicher: Die Durchbrechung der Alternanz hat auf die Qualität der Früchte, wie Form, Farbe und Festigkeit keinen Einfluss.
Roland Krieg