Forschung ja - Anwendung nein?

Landwirtschaft

Tack und Gorholt besuchen Max-Planck-Institut

Neben München und Berlin-Adlershof gilt der Wissenschaftsstandort Potsdam-Golm als das deutsche Bioökonomie-Valley. Am Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie der Max-Planck-Gesellschaft (MPI) wird nach Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Die Linke) „Forschung für die Zukunft“ geboten. Für Wissenschaftsstaatssekretär Martin Gorholt (SPD) finde hier „Forschung auf Weltniveau“ statt. Gemeinsam besuchten sie am Freitag das Institut und informierten sich über die aktuelle Forschung.
Das MPI zeichnet sich durch Grundlagenforschung aus und erhält zwischen 80 und 100 Patente im Jahr, erklärte Prof. Dr. Mark Stitt, geschäftsführender Direktor des Instituts. Nach Gorholt dürfe die Forschung im Bereich der grünen Gentechnik nicht beschränkt werden, doch bei der Anwendungsfrage folgt die Politik der lautstarken Opposition.


Dr. Stritt und Ministerin Tack vor einem Gaschromatographen

Beste Chemiefabrik der Welt

Was so achtlos im Garten und auf dem Feld passiert, beschreibt Prof. Stitt als „beste Chemiefabrik der Welt“. Im Prozess der Photosynthese sind grüne Pflanzen in der Lage aus Wasser und Kohlendioxid nur mit Hilfe des Lichts Glucose herzustellen, den ersten Speicherstoff für Energie als Ausgangspunkt für zahllose Prozesse. Am Ende hat die Pflanze rund 30.000 Metaboliten hergestellt: Beispielsweise Zucker, Aminosäuren, Farb- und Aromastoffe.


Versuchspflanzen im Phytotron, einem geschlossenen
Gewächshaus für Versuchspflanzen

Der neue Blick

Der Blick auf die Pflanzenphysiologie lohnt sich für Dr. Lothar Willmitzer. Um neue Sorten von Nutzpflanzen zu finden, die vor dem Hintergrund des Klimawandels mehr als neun Milliarden Menschen ernähren können, schaut er nicht mehr auf das Genom der Pflanze. In der Kette Gen – Protein – Metabolit schaut er auf das „Produkt“ des Stoffwechsels, das näher an der Expression einer Eigenschaft ist, als das Gen, erklärt Dr. Stitt. Muster verschiedener Metaboliten sollen neue Eigenschaften entdecken und Antworten der Pflanze auf Pathogene finden helfen.
Mit Hilfe von Gaschromatographen und Massenspektrometer werden bis zu 350 Peaks in einem Diagramm dargestellt. Forschungsziel: Ein Muster, das mit dem ausgeschalteten Gen korrespondiert. Dieses Muster dient dann als Blaupause für die Suche nach gewünschten Eigenschaften beim Ergebnis des Stoffwechsels und nicht mehr im Ausgangspunkt Pflanzen-Genom. Das Verfahren heißt Metaboliten-Profiling.

Energiepflanzen

Biomasse wird auf absehbare Zeit eine wichtige Ausgangssubstanz für die Energiegewinnung bleiben. Für die stoffliche Nutzung gibt es nach dem Erdöl keine andere Alternative. Auch dieses Feld beackern die Wissenschaftler des MPI. Nach Prof. Stitt gibt es verschiedene Ansatzpunkte für die Forschung. Die Wissenschaft ist weiterhin den letzten Geheimnissen der Photosynthese auf der Spur. Sorten, die den kostenfreien Energieinput der Sonne effektiver nutzen, könnten neue Reserven erschließen. Physiologisch schließt sich das zweite Forschungsfeld gleich dahinter an: Es gibt Pflanzensorten, die Biomasse effektiv aufbauen und andere, die Biomasse für die Menschen ohne zusätzlichen Nutzen, wie Gerüstsubstanzen, verschwenden. Das wird nach Prof. Stitt entweder zu neuen Sorten vorhandener Energiepflanzen führen oder neue Pflanzen wie das Switchgras (Panicum virgatum) aus der amerikanischen Prärie, das in Deutschland auch als Ziergras Rutenhirse bekannt ist.


Auszubildende für Zierpflanzengärtnerei Christin Höpfner stellt Tomatenpflanzen zusammen. Mit ihrem Kollegen Stephan Obst hat sie beim Landeswettbewerb 2011 der Junggärtner in Berlin-Brandenburg die ersten Plätze belegt

Gentechnik

Ohne Frage kann die grüne Gentechnik bei der Entwicklung neuer Sorten und Eigenschaften den Züchtungsfortschritt beschleunigen. Doch gegenüber Herd-und-Hof.de wollte Prof. Stitt den Klimawandel nicht als Begründung für die Verwendung der grünen Gentechnik gelten lassen. Letztlich entscheide die Diversität einer Pflanze, ob konventionelle Züchter neue oder verbesserte Eigenschaften finden oder nicht. Bei Pflanzen mit vielen verschiedenen Eigenschaften komme die konventionelle Züchtung zu gewünschten Lösungen, so Prof. Stitt.

Standortprobleme

Die Wissenschaftler nutzten die Gelegenheit, die Politiker auf zwei Standorte anzusprechen. Zum einen dürfen Firmengründungen, die im Rahmen der Forschung entstehen, nur acht Jahre lang auf dem Campus bleiben. Ministerin Tack versprach, neue Lösungen zu suchen. Die sollen auch für die bessere Anbindung an Potsdam, Berlin und dem Flughafen BBI geschaffen werden. Dr. Stitt wünscht sich flexible Buslinien aus Golm heraus, doch die Stadtplanerin Tack favorisiert die Straßenbahnerweiterung von Potsdam aus, weil das preiswerter sei.

Lesestoff:

Noch bis Oktober führt das Institut kostenfreie Führungen in die Welt der Pflanzenforschung jeweils am letzten Samstag des Monats an. Gruppen von mehr als fünf Personen werden um eine Anmeldung gebeten. www.komm-ins-beet.mpg.de
Das Institut besuchen sie virtuell unter www.mpimp-golm.mpg.de

Roland Krieg (Text und Fotos)

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