Forschungsprogramm Diabrotica

Landwirtschaft

Europäische Forschung zum Maiswurzelbohrer

Die Hoffnung, dass der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) wieder verschwinden wird, ist vorbei. Die Weibchen des kleinen, nur fünf Millimeter großen Käfers, der seinen Spitznamen Jet-Set Beetle wegen seiner Verbreitung per Lkw, Binnenschiff und Flugzeug erhalten hat, legen bis zu 400 Eier im Boden von Maisfeldern ab. Nach dem Winter schlüpfen die Larven, ein kleiner Teil legt eine bis zu zwei Jahre lange Diapause ein. Die Larven durchlaufen insgesamt drei Stadien. Innerhalb von vier Wochen entwickeln sie sich zu einem erwachsenen Tier, leben in dieser Zeit jedoch von den Maiswurzeln. Durch die Schäden gehen die Wurzeln kaputt, die Pflanze nimmt weniger Nährstoffe auf und kann am Ende sogar wegen fehlender Standfestigkeit ganz umkippen. Dann ist die ganze Ernte verloren. So macht sich der Käfer auf den Weg, Europa zu erobern.

Von Belgrad bis zur Ile de France

In den USA hat sich der Käfer flächendeckend verbreitet und bedroht die Maisernte. Nach Europa kam er offenbar mit einem Flugzeug im Jahr 1992 und wanderte in der Nähe des Belgrader Flughafens in ein Maisfeld. Zwei Jahre später hat er bereits 200.000 Hektar Mais in Serbien befallen, erinnert Jozsef Kiss von der Universität im ungarischen Gödöllö. Seit dem breitet er sich konzentrisch und nordwärts aus. Begünstigt wurde seine Ausbreitung durch die Nachkriegswirren auf dem Balkan und der Transformation in den osteuropäischen Staaten. Konzertierte Gegenmaßnahmen waren nicht möglich.
Schnell überquerte er die Grenzen nach Rumänien und Ungarn, wo er im Jahr 2000 sehr große Schäden anrichtete. Seit dem gibt es europäische Forschungsprojekte zur Biologie des Käfers, um seiner Herr zu werden. 2007 tauchte er erstmals in Deutschland im Oberrheingraben auf, wo der Abrieb eines Beizmittels gegen die Larven viele Tausend Bienenvölker vernichtete und es bundesweit in die Tageszeitungen schaffte.
Am weitesten nach Norden kam er in Frankreich in die Ile de France, wo er heute wegen konsequenter Gegenmaßnahmen wieder verschwunden ist. Der Osten Tschechiens und Norditalien aber sind die Kerngebiete, von wo er immer wieder westwärts reist.
Im Berliner Julius Kühn-Institut (JKI) tagen seit Donnerstag europäische Wissenschaftler zum aktuellen Forschungsprogramm des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das neben dem JKI auch von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft mitgetragen wird.
Heute stellen sich den Wissenschaftlern neue Fragen, so Kiss. Welche gentechnisch veränderten Bt-Maispflanzen sind gegen den Käfer tolerant, weist der Diabrotica barberi eine verlängerte Diapause auf und bedroht damit auch noch drei oder vier Jahre später die Maisfelder und gibt es mittlerweile sogar Fruchtwechselresistente Käferformen?
Lösungen werden in der räumlichen und zeitlichen Verteilung der verschiedenen Feldfrüchte im Rahmen Landnutzungsplanung liegen. Bisher wiesen die Experten dem Käfer nur ein schmales Nahrungsspektrum zu: Mais.

Ohne Mais kein Käfer

Eigentlich ist das Prinzip gegen den Käfer einfach: Fruchtwechsel unterbricht die Generationenfolge und kontinuierlicher Maisanbau versorgt die Nachkommen, erläuterte Mark Szalai vom Institut für Pflanzenschutz der Szent Istvan Universität Gödöllö. Allerdings hat der Mais sowohl bei der Versorgung von Biogasanlagen als auch als Futtermittel einen unerreichbaren ökonomischen Wert. Daher soll eine ausgewogene Landnutzungsplanung die Diabrotica-Population auf so kleiner Flamme halten, dass der Schaden gering und daher vertretbar ist. Die Ungarn haben den Mais im Wechsel mit Sonnenblumen und im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes angebaut, nach guter fachlicher Praxis maximal drei Jahre hintereinander auf dem gleichen Feld und im verpflichtenden Fruchtwechsel, sobald Larven gefunden werden. Das Ergebnis: Bei einer 80-prozentigen Fruchtfolge sinken die Fraßschäden und damit die Ernteverluste auf ein ökonomisch vertretbares Niveau.

Französische Fruchtwechsel

Frankreich ist das europäische Land mit dem meisten Maisanbau. Die Käfer im französischen Norden wurden mit strengen Fruchtfolgen ausgemerzt. Hingegen strömen in der Provinz Rhone-Alpe aus Italien immer wieder neue Käfer ein. Auch das Elsass ist durch den gegenüberliegenden Oberrheingraben immer wieder aufs Neue bedroht. Aber mit strengen Regeln halten die Franzosen den Käfer in Schach. Marc Delos von der SRAL-DRAAF in Midi-Pyrénées berichtet, wie unterschiedlich die Fruchtwechsel je nach Käferfunde vorgeschrieben sind. Ohne Funde kann Mais zweijährig und dann dreijährig zusammen mit Insektiziden angebaut werden, bevor ein Fruchtwechsel stattfinden muss. Bei bis zu 30 Käfer je Hektar verschiebt sich das Verhältnis auf 1:4 vor der Rotation. Erst wenn mehr Käfer gefunden werden wird es kompliziert: Dann erfolgt jedes dritte Jahr ein Fruchtwechsel und dazwischen wird Mais einmal mit und einmal ohne Insektizide angebaut. Die Zahlen im Elsass geben der Methode recht. Im Jahr 2009 gab es beiderseits des Rheins die gleiche Anzahl an Käferfunden, 2011 darauf war das Verhältnis 1:17 und im diesem Jahr liegt es bei 1:7. Für Delors ist das ein Beleg für eine erfolgreiche Fruchtfolgestrategie.
Ob allerdings die Fruchtfolge oder Bekämpfungsmaßnahmen durchgeführt werden, ist in erster Linie eine politische Vorgabe, sagte Peter Baufeld vom JKI zu Herd-und-Hof.de. In Baden-Württemberg wird derzeit die Fruchtfolge favorisiert. Wie es allerdings mit dem Mais weitergeht, bleibt offen. Die Pflanze steht auch bei der Biogas-Diskussion in der Kritik. Neue Energiepflanzen können den Maisanbau eindämmen, weil die ökonomische Vorrangstellung nicht mehr gegeben sei.

Das Wetter

Nach Timo Balschmiter vom JKI haben die Eier eine Basissterblichkeit von 90 Prozent und bei anhaltender Trockenheit sogar von 99 Prozent. Christoph Buuk vom Bio-Test-Labor Sagerheide hat die Larven in verschiedene Klimakammern gelegt und sie auch hungern lassen. Bei 15 Grad Celsius brauchen amerikanische Larven für ihre Entwicklung 72 Tage, bei 25 Grad Celsius lediglich zwei Wochen. Die ungarischen kommen mit kühleren Temperaturen besser zurecht und sind nach 65 Tagen erwachsen, bei 25 Grad brauchen sie 19 Tage. Larven können zwei Tage ohne Nahrung unbeschadet überstehen. Erst ab dem dritten Tag wird es kritisch. Solche Daten können in ein Prognosemodell einfließen.
Überhaupt spielt das Klima eine große Rolle und verursacht große Befallsschwankungen von Jahr zu Jahr. Auch die Bodenfeuchtigkeit ist für die Eier wichtig. Tomislav Kos von der Fakultät für Landwirtschaft an der Universität Zagreb kommt zum Schluss: Der Temperaturverlauf hat einen großen Einfluss auf die Larvensterblichkeit.
Das gilt auch indirekt für deren Futtergrundlage. Hafer und Winterweizen wird in Rumänien schon Mitte Juni reif, während er in Nordeuropa noch grün und saftig ist. Ende Juni wird er bereits geerntet und bietet den geschlüpften Larven keine Entwicklungsmöglichkeit mehr, so Heinrich Gräpel von der Universität für Agrarwissenschaften und Veterinärmedizin in Timisoara.

Wo ist der Käfer 2021?

Das kommt darauf an, lautet das Fazit von Silke Krügener vom JKI. Das Institut hat Modellberechnungen für Deutschland unternommen und das ganze Land in 2,3 Quadratkilometer große Zellen eingeteilt. Maisfelder fördern die Ausweitung, Städte, Seen und Wald sowie andere Ackerflächen bremsen die Wanderung. Das JKI hat sogar noch berücksichtigt, dass die Käfer in Höhen von 130 Meter auch Strecken bis zu 80 Kilometer zurücklegen können. Der Ferntransport im Container oder am Lkw ist auch dabei:

Ohne Gegenmaßnahmen wird es den Westlichen Wurzelbohrer auf mehr als 50 Prozent der Fläche Deutschlands geben. Bei allen Szenarien sind die Schäden in den heutigen Befallsgebieten in Baden-Württemberg und Bayern am größten. Sichtbar wird jedoch auch die Wirkung von Gegenmaßnahmen. Die Ergebnisse lassen ein „Miteinander“ vermuten, ohne das die Bauern auf den Mais verzichten müssen.
Allerdings ist bei dieser Projektion nur der Ausbreitungsweg in Deutschland berechnet. In Polens Süden hat es Käferfunde gegeben. Auch wenn dort der Käfer wieder nach Süden verdrängt werden kann, so liegt einer der Fundorte lediglich 30 Kilometer von Sachsen entfernt. In der Nähe von Dresden wurde auch bereits einer gefunden. Die ständige Gefahr der Einwanderung von außen ist in dem Szenarium nicht berücksichtigt, erklärte Silke Krügener gegenüber Herd-und-Hof.de. Zunächst einmal soll das Modell um die klimatischen Wirkungen auf die Käferwanderung erweitert werden.

Mit Getreide und Nematoden gegen Diabrotica

Unrühmlich wurde das Clothianidin aus der Gruppe der Neonicotinoide durch das Bienensterben in Baden-Württemberg bekannt. Aber was sind die Alternativen, wenn die Ökonomie dem Fruchtwechsel Grenzen setzt?
Heinrich Gräpel hat mit der Grünen Borstenhirse (Setaria viridis) und der Blutroten Fingerhirse (Digitaria sanguinalis) die beste Wirkung gegen Larven des Westlichen Maiswurzelbohrers erzielen können. Und vegetationsbedingt hilft in Rumänien auch Sommerhafer und Winterweizen.
Im Wettbewerb sind auch Nematoden. Die kleinen Fadenwürmer können nach Ulrich Kuhlmann vom Schweizer Center for Agriculture Bioscience International (CABI) bei der Aussaat flüssig oder als Mikrogranulat in den Boden eingebracht werden. Sie können jedoch auch als Ummantelung um das Saatgut aufgetragen werden.
Möglich ist das, weil die Nematoden weniger als einen Millimeter groß sind. Sie dringen in die Larve als ihrem Wirtstier ein und geben ein Bakterium ab, mit dem sie in Symbiose leben. Dieses Bakterium tötet die Larve nach zwei bis drei Tagen und der Fadenwurm sucht sich ein neues Wirtstier.
Bei 500 Diabrotica-Eiern je Maispflanze wurden im Versuch bis zu zwei Milliarden Fadenwürmer Heterorhabditis bacteriophora ausgebracht. Sie parasitieren zwischen 40 und 80 Prozent der Larven in allen Stadien und auch die Puppen. Die bereits im Handel befindlichen Nematoden bleiben allerdings nicht langjährig im Boden und müssen jährlich ausgebracht werden.
Andreas Kahrer vom Institut für Nachhaltige Pflanzenproduktion der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat verschiedene Ausbringungsmengen getestet. Mit zwei Milliarden Nematoden wird ein gutes Ergebnis erzielt, das nicht wesentlich von Clothianidin abweicht. Damit sind die Nematoden das beste Einsatzmittel, wo Bodeninsektizide verboten sind.
Das ist der Punkt für Ulrich Kuhlmann: Mit Blick auf die europäische Agrarpolitik werden umweltfreundliche Methoden künftig belohnt und möglicherweise der Einsatz von Nematoden gegen Diabrotica gefördert – solange dieser Einsatz noch teurer als herkömmliche Pflanzenschutzmittel sind, ergänzt Wolfgang Zornbach, Wissenschaftlicher Leiter für Pflanzengesundheit im Bundeslandwirtschaftsministerium.
Denn der Einsatz der Fadenwürmer steht erst am Anfang. Denkbar ist, dass im Boden persistentere Würmer eingesetzt werden können. Über den sinkenden Ausbringungsaufwand werden die Würmer dann billiger als die Chemie sein.

Poster-Ergebnisse

Einige Ergebnisse der wissenschaftlichen Poster:

Clothianidin bleibt das wirksamste Mittel, es schützt aber nur die Pflanze und hilt nicht, den Maiswurzelbohrer auszurotten.

Der Einsatz gegen erwachsene Käfer im hohen Maisbestand ist technisch sehr aufwendig und nur mit wenigen Geräten realisierbar.

Weißklee als Untersaat bei Mais erhöht sogar noch die Larvenzahl, aber Sonnenblumen können ihre Zahl verringern. Dennoch bleibt die Untersaat kein wirksames Mittel gegen den Diabrotica.

Alternative Energiepflanzen: Sorghum-Arten und breitblättrige Species wirken gut gegen den Käfer, Miscanthus hingegen bietet den Larven ein sehr gutes Nahrungsangebot.

Lesestoff:

http://diabrotica.jki.bund.de

2007: Der Jet-Set Beetle ist in Deutschland angekommen

Roland Krieg

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