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Landwirtschaft

Biomasse-Projekt als „Ort im Land der Ideen“ ausgezeichnet

Der Ausbau von Siedlung und Verkehr frisst landwirtschaftliche Nutzfläche. Fläche, auf denen Kartoffeln, Zuckerrüben für Bioethanol, Hanf für Textilien oder Futtermais angebaut werden könnte. Der Flächenverbrauch schmälert die Produktionsgrundlage und führt zu hitzigen Debatten, welche Nutzung auf den „Restflächen“ noch erfolgen soll. Der Bau nötiger Energietrassen für die Energiewende hat die Politik zur Gründung einer Plattform gedrängt, eine Strategie zu entwickeln, das Nachhaltigkeitsziel von 30 Hektar Flächenverbrauch zu erreichen [1]. Heute sind es noch immer doppelt so viele Hektare, die unter Asphalt und Beton verschwinden.
Was sich zunächst einmal nach nur wenig anhört, nimmt schnell große Ausmaße an: Der Deutsche Bauernverband hat für seine Petition gegen den Flächenverbrauch ausgerechnet, dass in den letzten 20 Jahren rund 800.000 Hektar aus der landwirtschaftlichen Produktion verschwunden sind [2]. Ein Flächenvolumen, das der heutigen Anbaufläche von Energiemais entspricht – worüber kontrovers gestritten wird.

Ausgleichsflächen

Generell gilt jedoch: Wer Straßen oder Häuser baut, muss einen Ausgleich für den Eingriff in den Naturhaushalt leisten. In Arbeit ist noch die neue Kompensationsverordnung für den Eingriff in die Flächenausstattung beim Bundesumweltministerium. Der landwirtschaftliche Berufsstand fühlt sich bei der Kompensation jedoch doppelt betrogen. Zunächst verschwindet der Acker, dann wird dafür eine Blumenwiese angelegt, die den wirtschaftlichen Schaden aus der vorigen Nutzung nicht ausgleichen kann.
Auf der Blumenwiese prallen zwei Ansichten aufeinander. Der Naturschutz freut sich über die Artenvielfalt und eine Attraktion für den Tourismus, die Bauern sehen die Produktionsverluste in ihren Büchern. Doch ELKE weiß Rat.

Extensiv und Wirtschaften

Rund 20 Jahre vor ELKE stieß Prof. Dr. Peter Heck als Landschaftsplaner in Rheinland-Pfalz auf diesen Widerspruch und auf schlecht angelegte Kompensationsmaßnahmen. Ausgleichsmaßnahmen waren isoliert und schlecht gepflegt. Heruntergekommenes Grün auf kleinteiligen Flächen wurde von den Bauern aufwendig umfahren. Auch heute entfalten viele ökologische Ausgleichsflächen ihr größtes Potenzial nur während der Aufwuchsphase. Nach Prof. Heck gibt es kaum Konzepte, die auf den Flächen ein dauerhaftes ökologisches Potenzial sicher stellen.
In Gesprächen mit Bauern hat sich gezeigt, dass der Widerstand gegen die Ausgleichsflächen viel differenzierter ist. Die Landwirte kennen ihre Flächen und wissen, wo Sandlinsen oder feuchte Senken den Ertrag mindern und die Bearbeitung erschweren. Auf der Suche nach Kompensationsflächen konnte Prof. Heck bald aus Angeboten der Bauern wählen. Und das war erst der Anfang.
Die extensive Bewirtschaftung aber bedeutet keinen Verzicht auf Produktion [3]. Die Weideleistung kann sich gegenüber der intensiven Beweidung durchaus sehen lassen, wie Dr. Klaus-Ulrich Röver von der Universität Göttingen ermittelt hat [4]. Heute gibt es neue Ansprüche: Kurzumtriebsplantagen (KUP) haben sich in den letzten Jahren zu einer ernsthaften Alternative innerhalb der Biomasseproduktion entwickelt. Wenn bislang auch nur auf kleinen Flächen.

Was hat ELKE damit zu tun?

Erst in diesem Jahr wurden die Plantagen der schnellen Hölzer durch das Bundesamt für Naturschutz naturschutzfachlich aufgewertet. Zusammen mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt erarbeitet das Institut Wald und Holz in Münster gerade ein Nachhaltigkeitszertifikat für die KUP [5]. Was also passt besser, als auf den Kompensationsflächen Agrarhölzer anzubauen? Und genau das steckt hinter der Abkürzung ELKE: Die Buchstaben stehen für „Entwicklung extensiver Landnutzungskonzepte für die Produktion nachwachsender Rohstoffe als mögliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ und hat sich am Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) am Umwelt-Campus Birkenfeld der Fachhochschule Trier von der Konzept- in die Pilotphase weiterentwickelt.
Wegen der Vielzahl an Vorteilen, vom Erhaltung der Biodiversität, der Senkung des Flächendrucks, Brückenbildung zwischen Biotopen sowie als Senke für atmosphärisches Kohlendioxid und wirtschaftlichem Nutzen obendrein wurde ELKE am Dienstag im Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ in Berlin ausgezeichnet.
Das ELKE nicht nur wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und in verschiedenen Bundesländern Modellflächen bewirtschaftet, sondern auch auf das Interesse der Industrie stößt, zeigt das Engagement der Firma Vissmann.

Management der Stoffströme

Prof. Heck weiß auch schon was aus ELKE wird. Am Ende stehen ein Baukasten mit verschiedenen Kulturpflanzen, wie Pappeln, Sorghum oder die Durchwachsene Silphie [6] und Beispiele mit abwechslungsreichen Fruchtfolgen. Diesem Anbaupotenzial werden verschiedene Märkte wie Strom, Wärme oder die die stoffliche Nutzung gegenübergestellt. Die Kommune kann dann mit den Bauern im Rahmen der Ausgleichsmaßnahmen ein Landnutzungssystem entwickeln, das am Anfang eines wirklichen Stoffstrommanagements steht. Peter Bleser, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium lobt: „Das muss unser Weg sein!“


1. Reihe v.l.n.r.: Staatssekretär Peter Bleser, Prof. Dr. Peter Heck mit Preis und Uwe Dienemann, Deutsche Bank

Der Naturschutz bleibt nach Prüfung von Florian Meusel, Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes für Landschaftspflege, durch ELKE nicht auf der Strecke. Aber das Projekt entbindet die Nutzer nicht vom „Käferzählen“. Das heißt, die Prüfung naturschutzrechtlicher Belange muss auf jeden Fall erhalten bleiben, damit auch diese Form der Landnutzung ihre ökologische Leistung voll abrufen kann. ELKE darf auch keine Ausrede werden, auf den anderen Flächen weniger Naturschutz zu erlauben. Daher bleibt für die Naturschützer die Sensibilisierung der Landwirte für die Belange des Naturschutzes weiterhin auf der Agenda.

Pragmatischer Ansatz

Gegenüber Herd-und-Hof.de unterstreicht Prof. Heck noch einmal die gute Zusammenarbeit mit den Bauern. Es sei zwar viel Kommunikation nötig, doch es lohne sich. Sie bieten freiwillig Flächen an, die für Kompensationsmaßnahmen infrage kommen könnten. Die Zusammenarbeit erstreckt sich auch auf die Landesbauernverbände. Je näher das Projekt an der Praxis besprochen und umgesetzt wird, desto pragmatischer gehen die Beteiligten damit um.
Baden-Württemberg hat vor kurzem angefangen, Ausgleichsflächen in zusammenhängenden Naturräumen überregional zu handeln [7]. Für ELKE wäre das nichts, sagte Prof. Heck. Ihm liegt daran, dass die Kommunen das System des Stoffstrommanagements in ihrer Nähe etablieren.
Und ELKE kann noch mehr. Auf die jüngste Diskussion um E10 angesprochen, klagte der Professor über manche Äußerungen, die fehlende Sachkenntnis erkennen lasse. Die Diskussion habe viel zerstört, was in den vergangenen Jahren im Bereich der Biomassenutzung aufgebaut wurde. Niemand habe gesagt, dass E10 eine generelle Lösung sei, sondern ein Intermezzo auf dem Weg zu einer biobasierten Wirtschaft. Es sei noch viel Aufklärung notwendig, um nicht nur den Verbrauchern das komplexe System der Biomassenutzung näher zu bringen.
ELKE kann „ihren“ Teil dazu beitragen. Die Preisverleihung kam deshalb auch zum richtigen Zeitpunkt, ein Projekt mit konkreten Lösungen in die Öffentlichkeit zu rücken.

Lesestoff:

Alles über ELKE finden Sie auf www.landnutzungsstrategie.de

Alles über den Preis finden Sie auf www.land-der-ideen.de

[1] BMELV gründet Plattform zum Flächenschutz

[2] Flächenausgleich im Petitionsausschuss

[3] Extensive Weide zwischen Markt und ländlicher Entwicklung

[4] Röver, K.-U. et al: Weideleistung und Graseverhalten von Ochsen auf extensivem Grünland; Mitteilungen Arbeitsgemeinschaft Grünland und Futterbau 2003, Band 5

[5] Nachhaltigkeitszertifikat für KUP

[6] Heute wird die N. L. Chrestensen GmbH in Erfurt wegen der züchterischen Bearbeitung der Durchwachsenen Silphie mit dem Preis „Toller Ort“ ausgezeichnet. Mehr zu dieser Pflanze finden Sie hier auf Herd-und-Hof.de

[7] Ökopunktehandel in Baden-Württemberg

Roland Krieg (Text und Fotos)

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