Frauen fürs Land in Ost und West

Landwirtschaft

6. Forum Friedensbrot

Das Thema Frauen in der Landwirtschaft ist eines über die größte Multifunktionalität in der Gesellschaft. Sie sind Mutter, Haushaltsvorstand, pflegen die ältere Generation und stehen neben der Küche auch im Stall ihre Frau. „Sie wissen, dass sie zur Welt gehen müssen.“ Das Zitat stammt aus einem Interview mit einer Expertin der Regionalentwicklung und datiert auf die Zeit Ende der 1990er Jahre. Für eine gute Ausbildung und einen guten Arbeitsplatz müssen sie Hof und Dorf, vielleicht die ganze Region verlassen. Und das mehr als ihre Brüder.

Das Zitat stammt aus dem Tagungsband „Frauen am Land“, der nach zahlreichen wissenschaftlichen Debatten 2013 an der Universität Wien stattfand [1]. Zur Woche der Geschlechtergerechtigkeit Ende Oktober fand dazu eine öffentliche Anhörung im Agrarausschuss des Europaparlamentes statt.

Zwei Biographien aus Ost und West

Marlene Mortler, Europaabgeordnete im Agrarausschuss und CSU-Politikerin aus Lauf a.d. Pegnitz, und Dr. Heike Müller, Vorsitzende des Landfrauenverbandes Mecklenburg-Vorpommern und stellvertretende Vorsitzende des Bauernverbandes gaben auf dem 6. Forum Friedensbrot [2] Einblick in ihre Biographien aus Ost und West.

Marlene Mortler übernahm 1983 den elterlichen Betrieb, der seit 1780 im Familienbesitz ist. Den Hopfenanbau hatte ihr Vater kurz vorher aufgegeben und wurde als reiner Milchviehbetrieb in Franken fortgeführt. Zusammen mit ihrem Mann erweiterte sie den Betrieb mit der Herstellung von konventionellen Futter- und Nahrungsmitteln, so genannten Aufschlussprodukten. In diesem Rahmen hat sie schon früh „Verpackungspopkorn“ hergestellt, dass im Verlauf der steigenden Umweltinteresses auf großes Interesse traf, Je mehr das Korn aufpoppt, desto leichter wird die Verpackung“, umschreibt Mortler ihren Forschungsdrang, das richtige Produkt zu finden.

Politisch wurde es 1990 als Kreisrätin im Nürnberger Land. Ihr Vater unterstützte das Standbein und exponierte Position, die heute bis ins Europaparlament geführt hat. Die Arbeit außerhalb des Stalles hat ihren Worten nach, die Persönlichkeit gestärkt, sie in die Agrarpolitik geführt und sie auf der Basis ihrer Meisterausbildung in der ländlichen Hauswirtschaft zu Verbraucherthemen inspiriert.

Landfrauen Ost

Die Frauen in der Landwirtschaft galten wie auch für die Industrie als Symbol der Geschlechtergerechtigkeit. Einen Landfrauenverband aber gab es nicht. Die Landesverbände wurden erst nach der Wende gegründet. Heike Müller hatte da gerade an der Universität Rostock im Fachbereich Tierproduktion promoviert. Da die Frauen vor allem die handwerklichen Arbeiten wie Rübenhacken oder Kühe melken durchführten, wurden sie nach der Wende als erste arbeitslos. Die Landfrauen im Verband waren dennoch bald das Rückgrat des ländlichen Raums, organisierten Kleiderkammern, führten Sozialberatungen durch. Sie waren auf dem damals zweiten Arbeitsmarkt aktiv. Auf Länderebene waren im Flächenland kaum mehr als 2.000 Frauen aktiv und nur jede Zehnte hatte tatsächlich einen landwirtschaftlichen Ursprung. Im Gegensatz zu den westlichen Landfrauen waren die Landesverbände einzeln und gemeinnützig orientiert. Dennoch sind sie trotz ihrer jungen Geschichte zu den größten Frauenverbänden in Ostdeutschland geworden.

Heike Müller ist bald ebenfalls zweigleisig gefahren. 1990 hat sie einen Milchviehbetrieb in Malchin gegründet und ist „als Feuerwehr“ auf dem Hof unterwegs. Überall, wo es in der Praxis „brennt“, wie sie sagte. Gleichzeitig hat sie den Landfrauenverein Malchin in der Zeit aufgebaut, wo es im Ort lediglich drei Telefone gab. Bis heute ist sie mit Gummistiefel und Laptop auf der Weide und in der Politik unterwegs. Ihre Verbandspositionen  sind starke Signale für die Interessen der Frauen auf dem Land. Zwischendurch hat sie mit „Spätsommergewitter“ eine Liebesgeschichte aus Milch aus Tönen geschrieben.

Herausforderungen

Der Organisationsgrad im Westen war durch das gemeinsame Dach des Deutschen Bauernverbandes höher als im Osten, blickte Marlene Mortler zurück. In Ostdeutschland haben sich die Frauen das selbst erkämpft, leiden nach Heike Müller aber noch heute unter Abwanderung von Frauen aus dem ländlichen Raum. Extrem war es Anfang der 1990er Jahre. „Da fehlt eine ganze Generation an Frauen auf dem Land“, stellt Müller fest.

Umso wichtiger sind die Stimmen der Landfrauen, die mit Authentizität die betriebliche Praxis und den ländlichen Raum vertreten. Das Thema Ernährung hat mit dem „Sonntagsbraten“ eine deutliche Beziehung zur Nutzviehhaltung. Nach Marlene Mortler ist das Essen zu einer Identitätsfrage geworden – aber kaum jemand könne genau bezeichnen, was ein gesundes Lebensmittel ist. Den Sonntagsbraten haben die Menschen auch schon früher gegessen, aber während der Woche Schmalz und Wurst, ergänzte Heike Müller.

Auch bei dem Thema „Biolandwirtschaft“ fehlt ein ausgleichendes Argument. Eine Blaupause für Alle wird es nach Heike Müller nicht geben. „Bio ist eine große Spielweise für die Politik“, berichtet die erfahrene Europaabgeordnete.

Lesestoff:

[1] Frauen am Land. Potenziale und Perspektiven: https://boku.ac.at/wiso/inwe/aktuelles/frauen-am-land/frauentagung-2013

[2] Das alljährliche Forum des Vereins tagte Ende Oktober mit dem Motto „LandFrauen – Frauen fürs Land: Zwei Biografien aus Ost und West.“

Roland Krieg

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