"Functional Food" verteidigt Pflanzen

Landwirtschaft

Senföle: Geliebt und gefürchtet

1981 kam mit der Sorte Librador der erste Raps auf den Markt, der den Tieren auch gut geschmeckt hat. Er war arm an Senfölen, die einen bitteren Geschmack hinterlassen. Diese Glucosinolate sind chemisch gesehen Zucker mit einem Schwefelanteil in der Seitenkette, die den Senf scharf machen. Was die Menschen aber mühsam aus dem Raps herausgezüchtet haben, gewann im Verlauf der Evolution seinen Stammplatz bei Kreuzblütlern, zu denen der Raps auch gehört.

Die Senfölbombe der Ackerschmalwand
Pflanzen haben gegenüber tierischen Fraßfeinden den Nachteil, dass sie ortsgebunden sind und nicht flüchten können, wenn eine Raupe sie befällt. Deshalb mussten sie ausgeklügelte Strategien entwickeln, sich vor den Feinden zu schützen. Der Kreuzblütler Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) ist eine beliebte Forschungspflanze und in der Lage eine „Zweikomponentenbombe“ herzustellen. Senföle gibt es in Hunderten von Variationen und gelten als sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Sie schmecken wegen ihres schwefeligen Anhangs bitter, sind aber allein genommen ungiftig. Die Ackerschmalwand allerdings lagert räumlich vom Senföl getrennt das Spaltungsenzym Myrosinase. Zerbeißen oder raspeln Raupen oder Käfer die trennende Wand durch, dann reagieren Enzym und Senföl miteinander und es entstehen giftige Abbauprodukte, die von den Forschern des Max-Planck-Instituts (MPI) für chemische Ökologie in Jena als Senfölbombe bezeichnen. Das Team um Dr. Jürgen Kroymann versucht schon seit Jahren, das genetische Rüstzeug der Pflanze zu entschlüsseln, wie sie vor allem die Wirkung der Senföle aufrechterhalten. Das geschieht im Wesentlichen dadurch, dass die Pflanze eine Unmenge an verschiedenen Senfölen herstellt, damit sich die Fraßfeinde nicht an die Abbaugifte gewöhnen.
Die verschiedenen Glucosinolate unterscheiden sich alleine durch ihre Seitenketten. Diese entstehen in einem frühen Syntheseschritt durch das MethylthioAlkylMalat (MAM) – Gen. Offensichtlich hat vor mehreren hunderttausend Ackerschmalwandgenerationen einmal eine Verdoppelung des MAM-Gens stattgefunden und beide liegen jetzt im Erbgut direkt hintereinander. Meist beginnt das zweite Gen in der Evolution Mutationen anzuhäufen und seine Funktionsfähigkeit zu verlieren. Die Ackerschmalwand allerdings konnte das Gen-Doppel nutzen. Der Zwilling übernahm die Aufgabe, die Seitenketten ein weiteres mal biosynthetisch zu verändern. Seit dem kann die Pflanze so viele Senföle als Ausgangsstoff für ihre Feindabwehr produzieren.

Functional food in der Schweinemast
Das Senföl der Kapuzinerkresse ist seit alters her ein bekanntes Heilmittel. Vor allem gegen bakterielle Infektionen des Urogenitaltraktes, weswegen der Wirkstoff, Glucotropaeolin, im Deutschen Arznei Buch (DAB) aufgeführt ist. Während die Blüten der Kapuzinerkresse bei den Menschen als Salatbeilage sehr beliebt sind, mischen die Experten der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) geschrotete Samen dem Ferkelfutter bei.
Zunächst einmal haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Dr. Ewald Schnug Kapuzinerkresse angebaut, die nicht nur hohe, sondern auch stabile Gehalte an Glucotropaeolin aufweisen. Gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere (FBN) in Dummerstorf bei Rostock wird jetzt diese Kapuzinerkresse als Futterzusatzstoff getestet. Früher griffen die Bauern auf antibiotische Leistungsförderer wie Flavophospholipol zurück, was aber mittlerweile verboten ist. In einem Ferkelversuch wird der Einfluss der Kapuzinerkresse als sanfter Zusatzstoff auf Leistungsmerkmale der Tiere, dem Abbau des Wirkstoffes im Stoffwechsel sowie auf bakteriologische Auswirkungen in den Exkrementen getestet.

Lesestoff:
Die einen testen noch, die anderen sind mit ihren Ergebnissen bereits in der Fachpresse vertreten: MPI: Markus Benderoth, Susanne Textor, Aaron J. Windsor, Jürgen Kroymann et al. : Positive selection driving diversification in plant metabolism; PNAS 13. Juni 2006 (Vol. 103)

roRo

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