„Fundamente statt Säulen“

Landwirtschaft

Grüne wollen ab 2020 keine Direktzahlungen mehr

Das Greening der aktuellen Förderperiode der europäischen Landwirtschaft ist der Schritt hin zu der Förderung „öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“. Meist findet es in der zweiten Säule in Form von Agrarumweltmaßnahmen statt, für deren Umsetzung die Bauern Förderprämien für Ziele der Gesellschaft wie sauberes Trinkwasser, Tierwohl oder Landschaftserhalt erhalten.

Die zweite Säule ist für die Entwicklung des ländlichen Raums zuständig und macht rund ein Viertel der Gelder aus, die den Bauern in der ersten Säule an Direktzahlungen ausgezahlt werden. Mit der Liberalisierung der Agrarwirtschaft sollen die Betriebe fit für den Wettbewerb gemacht werden. Wozu sollen sie dann noch, wie in Deutschland, eine Flächenprämie erhalten?

Robert Habeck, Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, sprach sich in seiner Regierungserklärung zur Förderung der Landwirtschaft schon Mitte Juni für ein Ende der Direktzahlungen aus. Jetzt hat er zusammen mit dem Grünen Europaabgeordneten Martin Häusling nachgelegt und „Fundamente statt Säulen“ für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2020 vorgeschlagen.

Kern ist das „Das Recht auf Nahrung“ nach Wünschen der Verbraucher, die Kritik an der aktuellen Landbewirtschaftung äußern. Die Ausrichtung der GAP solle daher „Werte und gesellschaftlichen Güter, die bisher nicht über den Marktpreis abgebildet werden“ berücksichtigen. Mit der Modulation von Mitteln aus der ersten in die zweite Säule beginnt schon er „Systemwechsel“. Ziel ist der Erhalt einer flächendeckenden Landwirtschaft, die auch in benachteiligten Regionen möglich sein muss und Arbeitsplätze schafft. Für diesen Bereich stehen zu wenig Gelder zur Verfügung, sagen Habeck und Häusling. Demgegenüber steckt die EU rund 300 Milliarden Euro bis 2020 in die erste Säule und „verpuffen fast ohne direkte Gestaltungswirkung“.

Ab 2020 soll die neue GAP eine neue und starke „Lenkungswirkung“ entfalten. Es sei noch nicht die Zeit für eine Bewertung der aktuellen Reform, die erst seit Anfang des Jahres voll umfänglich läuft, argumentierte am Montag Ulrike Höfken, Landwirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz. Aber der Einstieg in eine ökologischere und sozial gerechtere Agrarpolitik sei geschafft worden.

Untauglicher Vorstoß

Dr. Hermann Onko Aeikens, Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt (CDU) hat am Montag einen öffentlichen Brief an die beiden Grünen-Politiker verfasst und hält deren Vorstoß für „untauglich“. Herd-und-Hof.de gibt diesen Brief im Wortlaut wider:

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„Sehr geehrter Herr Dr. Habeck,

„Grüne wollen Direktzahlungen an Bauern abschaffen“ ist ein Artikel über­schrieben, der sich einem Papier widmet, das Sie mit Herrn Martin Häusling verfasst haben. Nachdem die Grünen im Bundestag einen Antrag, datiert vom 04.03.2015, gestellt haben, die Direktzahlungen pro Betrieb auf maximal 150.000 Euro zu begrenzen, wollen Sie nun offenbar die Direktzahlungen gänzlich abschaffen bzw. sie nur gewähren, wenn 23 Kriterien eingehalten werden.

Die von der Bundestagsfraktion der Grünen vorgeschlagene Deckelung der Direktzahlungen bei 150.000 Euro hätte für die landwirtschaftlichen Betrieb in Sachsen-Anhalt einen Verlust von ca. 100 Mio. Euro pro Jahr zur Folge. Diese Mittel sind auch Gelder, die dem ländlichen Raum zu Gute kommen.

In Sachsen-Anhalt erhalten die Landwirte im Jahr 2015 je Hektar 273 Euro Direktzahlungen. In den letzten fünf Jahren lagen die durchschnittlichen Betriebsgewinne unter Einbeziehung der Direktzahlungen bei den Haupterwerbsbetrieben bei 431 Euro je Hektar.

In Schleswig-Holstein sind die Verhältnisse anders. Aufgrund der intensiveren Viehwirtschaft werden hier höhere Hektargewinne in Größenordnung von 625,2 Euro je Hektar erzielt.

Sie mögen aus diesen Zahlen ersehen, dass eine Abschaffung der Direktzahlungen auch für Sachsen-Anhalt, ein Land mit guter Agrarstruktur, guten natürlichen Voraussetzungen und gut ausgebildeten Betriebsleitern, verheerende Konsequenzen hätte.

Offenbar lässt Ihr Vorschlag außer Acht, dass bereits bei den jetzigen Direktzahlungen umfängliche Verpflichtungen der Landwirtschaft bezüglich der Tierhaltung und der guten fachlichen Praxis über die sogenannten Cross Compliance Kontrollen zu berücksichtigen sind.

Darüber hinaus wurden mit der aktuellen Reform, die wir in diesem Jahr erstmalig umsetzen, die gesellschaftlich zu erbringenden Leistungen der Landwirtschaft mit dem sogenannten Greening weiter erhöht. . Mir erschließt sich nicht, wie die Einhaltung von 23 Kriterien zu einem Abbau bürokratischer Lasten führen soll. Von Ihnen werden bereits die Greeningleistungen, die sich auf drei zentrale Maßnahmen beschränken, als zu bürokratisch bezeichnet. Ungeachtet dessen habe ich in den im Artikel genannten Beispielen viele Parallelen zum Greening gesehen. Wir sollten den Landwirten die Chance geben, die gerade in Kraft getretenen Reformmaßnahmen wirksam umzusetzen und uns dann ein Bild machen.

Mit gezielten Programmen und Unterstützungsleistungen muss die Landwirtschaft umweltgerechter werden. Hierfür müssen wir einen sinnvollen Rahmen setzen, der die Arbeit der Landwirte nicht ad absurdum führt. Wir sind als Agrarpolitiker gehalten, konsequent dafür Sorge zu tragen, dass zum Beispiel Tierschutzbestimmungen eingehalten werden und Tierschutzbestimmungen verbessert werden. Sachsen-Anhalt hat diesbezüglich richtungsweisende Vorschläge unterbreitet. Vereinbarungen mit einzelnen Branchen wie zum Beispiel auf Bundesebene im Bereich Geflügelhaltung oder für die Schweinehaltung in Niedersachsen weisen den richtigen Weg.

Wenn Sie Transfereffekte der Direktzahlungen an Grundeigentümer kritisieren, so ist für mich die Schlussfolgerung, dass wir uns den rechtlichen Rahmenbedingungen des Bodenmarktes stärker widmen müssen. Der landwirtschaftliche Boden gehört in die Hände der wirtschaftenden Betriebe. Dieses sollten wir fördern. Das jüngste EuGH-Urteil weist diesbezüglich in die richtige Richtung.

Sachsen-Anhalt arbeitet an einem Agrarstrukturgesetz, um eine stärkere Privilegierung der wirtschaftenden Betriebe auf dem Bodenmarkt zu erreichen und den Verkauf an externen Spekulanten und Fonds zu verhindern.

Die Folgen Ihres Vorschlages sind für die Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe und für den ländlichen Raum unübersehbar. Der Agrarsektor braucht politische Berechenbarkeit. Gerade auch wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung für den ländlichen Raum, dessen Wohl auch Ihnen am Herzen liegt. Darüber hinaus tragen wir in der Frage der Akzeptanz unserer Landwirtschaft, die ständig steigenden gesellschaftlichen Interessen Rechnung trägt, eine besondere Verantwortung. Bevor wir einen radikalen Reformbedarf kommunizieren, sollten wir deren Auswirkungen sorgfältig prüfen. Dazu gehört auch die Würdigung der aktuellen Reformmaßnahmen. Weiteren Diskussionen auch im Rahmen der Agrarministerkonferenz sehe ich mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hermann Onko Aeikens,

Minister für Landwirtschaft und Umwelt Sachsen-Anhalt“


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Wer in dieser Debatte nur ein Sommerlochthema wähnt, der verkennt die zentrifugalen Kräfte in der Agrarpolitik.

Lesestoff:

Das Positionspapier von Robert Habeck und Martin Häusling finden Sie hier als PDF

Roland Krieg

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